Die ganz große Sause - Deutsche Oper Berlin

Ein Essay von Kai Luehrs-Kaiser

Die ganz große Sause

Solo-Cellist Arthur Hornig bleibt trotz großem Ton Kammermusiker – und gönnt sich im 1. Cello- Konzert von Schostakowitsch den ersten glamourösen Alleingang.

Großer Ton, was sonst!? „Ich glaube, ich brauche einen durchaus großen Ton“, sagt Arthur Hornig. „Hätte ich einen kleinen, könnte ich mich aus dem Graben heraus kaum behaupten.“ Das erklärt, weshalb gute Solisten meist, wenn auch nicht immer, lauter und vernehmlicher spielen als andere. „Kann man sich allerdings schwer täuschen“, räumt Arthur Hornig ein, „manche Cellisten klingen, wenn man nah rangeht, mumpfig und klein. Und aus der Distanz groß und klar.“

In der Geschichte des Orchesters der Deutschen Oper Berlin ist es nicht oft vorgekommen, dass Musiker mit einem Solo- Vertrag nicht nur aus dem Orchestergraben herausgelassen wurden, um in einem Sinfoniekonzert mitzuspielen, sondern zugleich zur Ehre eines großen Solo-Konzerts wie dem 1. Cello- Konzert von Dmitri Schostakowitsch kamen. Was ihnen stattdessen manchmal zuteil wird, ist ein Solo-Part in Richard Strauss’ „Don Quixote“ oder im Doppelkonzert von Brahms. Arthur Hornig ist seit langen Jahren der Erste, der – aus der Anonymität des Grabendienstes erlöst – die Gelegenheit zur ganz großen Sause kriegt.

Solo-Cellist Arthur Hornig wird aus der Anonymität des Orchestergrabens erlöst – eine Ehre!
 

Beschert hat ihm das Dirigent Donald Runnicles, der war auch bei Arthur Hornigs Einstellung 2011 mit dabei. „Freilich hat Runnicles kein herausgehobenes Mitspracherecht“, so Hornig. „Wir sind demokratisch organisiert und wählen die neuen Mitglieder selbst“ – ganz ähnlich wie die Berliner Philharmoniker. Also versieht Hornig – als (indirekter) Stellennachfolger von Peter Lösch – seit fünf Jahren den Dienst als Stimmführer seiner Instrumentengruppe.

Geboren 1987 als Sohn einer Opernregisseurin und eines Schauspielers, begann er mit fünf Jahren mit dem Cello. „Bei mir war absehbar, dass ich körperlich nicht ganz klein werde“, lacht er. „Ich habe viele Jahre, als ich schon professioneller Musiker war, sogar ein übergroßes Cello benutzt. Jetzt wechsle ich hin und her zwischen ihm und einem älteren, zierlicheren Guillaume.“ Seine erste Stelle trat er bei Marek Janowski im Rundfunk- Sinfonieorchester Berlin an. „Ich bin noch immer ein Fan von Janowski“, so Hornig. Mehrfach hatte er erste Preise beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ gewonnen. In mehreren Streichtrios profilierte er sich als Kammermusiker – und empfindet das auch im Opernorchester als sinnvoll. „Gerade im Graben ist die Fähigkeit, aufeinander zu hören und musikalisch aufeinander einzugehen, wesentlich. Wegen der Länge der Werke müssen wir oft Sachen spielen, die nicht so gut geprobt sein können wie eine Beethoven-Sinfonie. Da muss man das Kind miteinander schaukeln.“ Opernmusiker sind also die wahren Kammermusiker! Geschrieben wurde Schostakowitschs 1. Cellokonzert für den epochalen Mstislaw Rostropowitsch. „Ein Cellist mit einem riesigen, offensiven, zuweilen geradezu aggressiven Ton“, so Hornig. „Also kann dafür ein russischer, schöner und sehr präsenter Klang auf dem eigenen Instrument nicht schaden.“ Das 1959 uraufgeführte Werk gehört zu den am häufigsten aufgenommenen des Komponisten, überflügelt nur von der 5. Sinfonie und dem 1. Klavierkonzert. Entstanden in der russischen „Tauwetter- Periode“ nach dem Tod Stalins, wird es oft als musikalische Abrechnung mit dem Diktator angesehen. Der Beginn mit dem berühmten „DSCH-Motiv“ (DEs-C-H) zitiert die Initialen des Komponisten und gibt sich damit als autobiografisch-subjektiv.

Dass das Orchester der Deutschen Oper Berlin für Schostakowitsch optimal gerüstet ist, bewies es nicht zuletzt durch die Produktion der „Lady Macbeth von Mzensk“ mit Evelyn Herlitzius – einem Werk, das auch schon in der Götz Friedrich-Ära auf dem Spielplan stand, damals mit Karan Armstrong. „Das Orchester der Deutschen Oper Berlin ist bekannt für einen besonderen Wagner- und Strauss-Klang“, so Hornig, „seine speziellen Qualitäten zeigen sich aber nicht nur in der ‚Power’, die wir haben, sondern auch darin, dass wir in den Aufführungen oft nochmal weit über die Proben hinaus gehen.“ Ein Orchester für den Ernstfall also.

„Wir haben übrigens ein Cello und einen Bass mehr als andere Orchester“, erzählt Arthur Hornig, ergeben habe sich das als Konsequenz aus den akustischen Gegebenheiten des Hauses. Hoffentlich hat man demnächst nicht einen Solo-Cellisten weniger. Wenn der Schostakowitsch- Auftritt glückt.

Ersterschienen im Opernjournal der Deutschen Oper Berlin, September 2016

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