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Kickstarter für Musiktheater - Deutsche Oper Berlin

Kickstarter für Musiktheater

Die NEUEN SZENEN holen seit mehr als zehn Jahren junge Teams in die Tischlerei. Drei kreative Köpfe blicken zurück

Sara Gloinarić, Komponistin »Schattenkreuze« ist ein Song der DDR-Band Karussell, er war der Ausgangspunkt meiner Komposition zu dem Stück KEIN MYTHOS, das ich 2021 bei den NEUEN SZENEN V mit dem Librettisten Dorian Brunz entwickelt habe. Zu DDR-Zeiten erschien das Lied unzensiert, die Lyrics sind nicht sehr explizit, aber allen Leuten war klar, dass es um die Sehnsucht nach Freiheit geht. Im Stück erzählen wir die Geschichte zweier Frauen, 16 und 19 Jahre alt, die sich in der Spätphase der DDR ineinander verlieben. Etliche Jahre später begegnen sie sich zufällig an einem Flughafen wieder, die gesamte Story spielt sich innerhalb von 30 Sekunden ab. »Schattenkreuze« eröffnet und beschließt das Stück, stark elektronisch verfremdet, für die Sänger*innen haben wir außerdem Vokaleffekte eingesetzt, vor allem Harmonizer und Vocoder. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon Erfahrungen im Musiktheater gesammelt, unter anderem für die Oper Halle, die Musikbiennale in Zagreb oder das Salzburger Taschenopernfestival komponiert. Aber es war noch nicht klar ob ich mich weiter in diese Richtung bewegen würde. Die NEUEN SZENEN kamen für mich zur perfekten Zeit, ich war bereit, etwas Neues auszuprobieren. Hier hatte ich eine Plattform zu experimentieren. Mir wurde das Gefühl vermittelt, dass es nicht nur in Ordnung, sondern wirklich erwünscht ist, sich etwas zu trauen. Ich habe die NEUEN SZENEN als Labor gesehen, als Musiktheaterlabor, das allerdings eine große Bühne bietet (auch wenn die eigentliche Bühne der Tischlerei eher klein ist). Dass die NEUEN SZENEN von der Deutschen Oper Berlin mitgestaltet werden, öffnet allen die Tür zu einer großen Zahl an Menschen und verhilft den entstehenden Produktionen zu Relevanz und Sichtbarkeit. Man kann darüber Kontakte knüpfen, sich mit Kolleg*innen verbinden, die künstlerisch in die gleiche Richtung schauen. Das ist in meinen Augen die Voraussetzung dafür, ein ehrliches Musiktheater zu machen.

Michael Höppner, Regisseur Ich war 2013 an der ersten Ausgabe der NEUEN SZENEN beteiligt, das Oberthema war »Anna Politkowskaja« – die regimekritische, in Russland ermordete Journalistin. Zusammen mit der US-amerikanischen Komponistin Leah Muir habe ich das Stück WIE MAN FINDET, WAS MAN NICHT SUCHT entwickelt, der Text dazu stammte von Harry Lehmann: im Prinzip die Erzählung eines Sprechers, der einen Russland-Besuch reflektiert. Es war meine erste Zusammenarbeit mit einer zeitgenössischen Komponistin; und im Bereich Musiktheater die erste Uraufführung, die ich inszeniert habe. Eine Erfahrung, die prägend war für meinen Weg. Nicht zuletzt habe ich gelernt, wie man kreativ unterschiedliche Herangehensweisen an einen Stoff vereint.

Aus dieser Ausgabe der NEUEN SZENEN ist auch das Musiktheaterensemble »Opera Lab Berlin« entstanden, das ich zusammen mit Evan Gardner gegründet habe, der damals auch teilgenommen hat. Wir wollen neues Musiktheater machen, populär und zugänglich, es als Entertainment verstehen, nicht als Nischenveranstaltung für Expert*innen. Gerade im Bereich der Neuen Musik wird ja als Qualitätsausweis oft ein Begriff von Innovation hochgehalten, der im Grunde darauf hinausläuft, mit jedem Stück das Rad neu zu erfinden. Da sind die NEUEN SZENEN viel weniger ideologisch. Das Neue ist hier einfach, dass Werke, Stoffe und Konstellationen gestiftet werden, die es zuvor nicht gab; einzigartige Aufführungserlebnisse entstehen, die kaum reproduzierbar sind. Ich bin heute am Deutschen Nationaltheater Weimar als leitender Musiktheater-Dramaturg, Regisseur und stellvertretender Operndirektor tätig. Hier haben wir ebenfalls ein Festival für zeitgenössisches Musiktheater gegründet, arbeiten mit Hochschulen zusammen, folgen demselben kollaborativen Gedanken, der in den NEUEN SZENEN lebt. So werden Arbeitsbeziehungen möglich, die über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, Früchte tragen.

Fanny Sorgo, Librettistin Ich habe zwei Mal an den NEUEN SZENEN teilgenommen, bei der dritten und der vierten Ausgabe. Die Zusammenarbeit funktionierte beim ersten Mal so gut, dass es hieß: Machen wir’s doch noch mal – allerdings mit einem anderen Komponisten und anderer Regie. Ich habe damals Szenisches Schreiben an der UdK in Berlin studiert und hatte keinerlei Erfahrung mit Musiktheater, konnte auch keine Noten lesen. Trotzdem war ich neugierig. Es ergaben sich zwei unterschiedliche Arbeitserlebnisse, jedes angenehm, klar und geprägt von Respekt. Mit dem Komponisten Malte Giesen ist das Stück TAKO TSUBO entstanden; ihm habe ich meinen Text komplett überlassen. Das hat für ihn gepasst, ohne dass ich etwas reimen oder rhythmisieren musste, ihm schwebte von der Komposition her etwas Schwallartiges vor, die Wortmelodie spielte keine große Rolle.

Mit dem Komponisten Sven Daigger war es anders, hat aber gleichgut funktioniert. Ihm kam es bei unserem Stück AM GRUND GIBT ’S KEINEN GRUND MEHR NACH DEM GRUND ZU FRAGEN sehr auf Rhythmik an, er hat mir dramaturgische Vorschläge gemacht, die ich als Inspiration nehmen konnte, um zu schauen: Finde ich hier oder dort ein Wort mit mehr oder weniger Silben, so dass doch ein Reim entsteht? In beiden Fällen hatten wir jeweils unseren Raum: Ich als Autorin, die Komponisten mit ihrer Musik. Vor allem haben wir uns immer gegenseitig vertraut. Ich war nach der Fertigstellung der Fassungen bei keiner Probe, sondern bin zur Premiere gegangen und habe mich überraschen lassen. Inzwischen mache ich selbst auch Musik (neben dem Schreiben und Filmemachen). Im vergangenen Jahr habe ich meine ersten Singles veröffentlicht. Es sind keine kunstvollen Kompositionen, eher einfache Chansons. Letztlich haben mich die Erfahrungen aus den NEUEN SZENEN dazu gebracht, weiter zu experimentieren, wie sich Klänge, Musik und Text verbinden lassen.

 

Protokolle : Patrick Wildermann