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„Alles außer Oper“ - Deutsche Oper Berlin

Patrick Wildermann

„Alles außer Oper“

Bei IN TRANSIT zeigen sich die Sänger des Ensembles von einer ungewohnten Seite

Patrick Wildermann, geboren 1974 in Münster, lebt als freier Kulturjournalist in Berlin. Er schreibt unter anderem für den Tagesspiegel, das tip-Magazin und die Zürcher SonntagsZeitung. Die Schwerpunkte liegen auf Theaterkritiken, Portraits und kulturpolitischen Berichten.

Aus dem „Deutsche Oper Magazin“, Ausgabe September 2014 – Januar 2015

Immer in Bewegung. Nie wirklich angekommen. Das ist das Grundgefühl der Gegenwart. Wir sind Durchreisende mit festem Ziel vor Augen, aber stets zwischen den Stationen: im U-Bahnhof, am Flughafen, an der Bushaltestelle. „Orte, an denen man sich begegnet oder weiter geht“, so Eva-Maria Abelein. „Wo wir viel Zeit unseres Lebens verbringen“.

Die Regisseurin hat sich von diesen Transiträumen zu einem ungewöhnlichen Projekt in der Tischlerei der Deutschen Oper inspirieren lassen. Um Übergangssituationen geht es: im Leben, in der Musik. Mit IN TRANSIT spürt Abelein zusammen mit dem Komponisten Mischa Tangian einem Zustand nach, der zugleich unbehaust und für alle Möglichkeiten offen ist. Der wird nicht nur realistisch genommen, sondern darf surreal und assoziativ ausgreifen. Ein siebenköpfiges, international gemischtes Sängerensemble wagt dabei den Aufbruch ins Ungewisse. „Es ist nicht wie die TOSCA, an die man mit einem klaren Konzept geht“, lächelt die Regisseurin, „das macht es so spannend“. Ihre Projektentwicklung sprengt den Rahmen des regulären Opernbetriebs, weil sie keine vorgeschriebene Partitur bietet. Keine Arien oder Rollen, an denen sich die Solisten festhalten könnten. Stattdessen sind sie als Multitalente gefordert, werden anders sichtbar. „Jeder bringt zum Thema Transit etwas ein, das mit seinem Kulturraum oder den künstlerischen Anfängen zu tun hat“, so Komponist Tangian. Alles ist erlaubt – bloß nicht die normale Oper! Es wird keine Geschichte mit klassischer linearer Erzählung geben. Wohl aber einen dramatischen Bogen und Bühnenfiguren, die in verschiedenen Schattierungen ausgeleuchtet werden – auf einer episodischen Reise, die über die bloße Nummernrevue hinausgeht. Was die Auswahl von Musik und Texten betrifft, ist das Projekt noch in der heißen Findungsphase. Klar ist für Abelein, dass sie kein Interesse an Typen hat, „sondern an Menschen“. Schließlich sei Transit ein existenzielles Thema. „Wir alle sind doch unser ganzes Leben lang auf der Suche danach, wohin wir gehören“.

Wovon sich schon rein biografisch auch Mischa Tangian angesprochen fühlt. Der Musiker wurde 1988 in Moskau geboren, zog mit seinen Eltern bereits als Zweijähriger nach Deutschland. Von dort ging es nach Frankreich und wieder zurück. „Ich bin weder Russe noch Deutscher“, so Tangian. „Meine Vorfahren stammen aus Armenien, aber dazu habe ich auch keinen Bezug“. Ein Gefühl von Heimatlosigkeit und Fremdsein, das einerseits Unsicherheit schafft. Auf der anderen Seite kann er mit Überzeugung sagen: „Ich bin Kosmopolit“. Tangian – Preisträger des Kompositionswettbewerbs „Neue Szenen II“ der Deutschen Oper und der Musikhochschule Hanns Eisler – hat Geige in Düsseldorf und London studiert und konzertiert international. Daneben aber hat er beispielsweise mit dem Breakdancer AirDit Performances aufgezogen, die erfolgreich in der Jahrhunderthalle in Bochum oder im Plenarsaal Bonn liefen und Grenzen überschritten. Transit – das meint eben auch den Übergang zwischen den Genres.

Mit Jazz- und Musical-Material sind sie in das Projekt gestartet. Nach und nach kamen durch die Sänger andere Klänge hinzu. Romantische Lieder von Schubert oder Hugo Wolf. Südamerikanische Cumbia. Balkanbeats. Mischa Tangian wird vieles neu komponieren, arrangieren und verfremden. Gearbeitet wird mit akustischen Instrumenten wie Geige, Klavier, Posaune oder Kontrabass, auch ein Elektromusiker ist live dabei, der mit Beats und Samples den „state of the art“ des Zeitgenössischen beisteuert.

Die Herausforderung sei es, so Tangian, „Verbindungen zu schaffen zwischen den sehr verschiedenen Stilen“. Vom südamerikanischen Feeling ins urbane Berlin zu gelangen. Vom Boléro zum Berghain. Tangian selbst wird Geige spielen, vielleicht auch singen. Umgekehrt sind die Sänger auch als Musiker gefordert. Es ist ein Seitenwechsel-Unternehmen, das neue Perspektiven schafft. „Wir wollen auch ein Spotlight auf den einzelnen Künstler werfen“, beschreibt Regisseurin Abelein. Zwar würden die Sänger nicht nur biografisch aus ihrem Leben erzählen, aber der Natur des Projektes gemäß viel Privates einbringen. Es ginge darum, die Sänger „umfassend als Persönlichkeiten vorzustellen“. Nicht nur als Tenor oder Bariton. Die Entdeckungsmöglichkeiten sind dabei reich, die Lebenswege erfreulich verschieden. „Jeder geht anders mit seiner Vergangenheit oder Herkunft um“, so Tangian.


„Bei ihr musste ich unglaublich viel improvisieren“

Alvaro Zambrano stammt aus Chile. Der Tenor, an der Deutschen Oper in Produktionen wie DER LIEBESTRANK, DIE ZAUBERFLÖTE oder FALSTAFF zu erleben, hat schon mit acht Jahren Klavier zu spielen begonnen. Sein Vater ist ein Musiknarr, der selbst nie die Möglichkeit hatte zu studieren. Mit einem Stipendium für Kinder aus armen Verhältnissen ausgestattet, kam Zambrano ans Konservatorium in La Serena, wo er von einer kubanischen Klavierlehrerin ausgebildet wurde. „Bei ihr musste ich unglaublich viel improvisieren“, erzählt er, „das schult!“ Entsprechend schreckt ihn heute keine Arbeit, bei der er sich nicht an Noten festhalten kann, im Gegenteil.

Zambranos musikalischer Weg: Er hat neben dem Klavierstudium Dirigent gelernt. Und trat als 17-Jähriger eine feste Stelle in einem Chor in Santiago de Chile an. Kammermusik hat er dort gesungen, Bach, Mendelssohn, Madrigale. Dann bot sich ihm die Chance, sein Studium in Deutschland fortzusetzen. In Freiburg im Breisgau. Zambrano liebt die Bächle-Stadt bis heute. Wie den meisten Transitreisenden des internationalen Opern- Betriebs fällt es ihm schwer zu sagen, wo er eigentlich zuhause ist: „Wenn ich in Deutschland bin, sehne ich mich ein wenig nach Chile. Wenn ich in Chile bin, zieht es mich nach Berlin zurück, wo meine Arbeit und Freunde sind“, sagt er. Aber zu Freiburg ist eine besondere Bindung geblieben: „Meine Heimat ist der Schwarzwald!“, lacht der Chilene. Wenn man ihn fragt, ob sein Lebensweg auch eine gänzlich andere Richtung hätte nehmen können, muss er nicht lange überlegen. Es genügt ein Wort: „Fußball“. Er hat schon als Kind leidenschaftlich gern gespielt. Und gut obendrein. Ist immer noch so. Kürzlich hat Zambrano im Turnier der Berliner Orchester-Mannschaften mit der Deutschen Oper den dritten Platz belegt, an dem Mann ist definitiv ein Profi verloren gegangen. Dass er in seiner Jugend zudem Skateboard gefahren ist, hat wiederum viel zu seiner Sängerkarriere beigetragen. Zambrano zeigt auf eine lange Narbe: „Ich habe mir beim Skaten zwei Mal den Arm gebrochen. Deswegen konnte ich ein Jahr nicht Klavier spielen und habe angefangen, im Chor zu singen“.


„Man muss sehr diszipliniert sein, täglich trainieren und die Abläufe verbessern“

Vielleicht weisen die Felder Sport und Musik ja ohnehin mehr Gemeinsamkeiten auf, als man gemeinhin denkt. „Es gibt sehr viele Parallelen zwischen Oper und Leistungssport“, ist Gideon Poppe überzeugt. „Man muss sehr diszipliniert sein, täglich trainieren und die Abläufe verbessern“. Der Tenor – seit der Spielzeit 2013/2014 festes Ensemblemitglied der Deutschen Oper – weiß wovon er spricht. Er hat zwar früher Cello gespielt und stammt aus einem Haushalt, in dem klassische Musik schon durch die Mutter, eine Geigerin, prägend präsent war. Aber studiert hat Poppe Sportwissenschaft an der renommierten Hochschule in Köln. „Ich wollte Journalist werden, die Redaktionsarbeit hätte mich gereizt“, sagt er. „Ich weiß allerdings nicht, ob ich in dieser Welt Fuß gefasst hätte“. Durch einen Freund wurde sein Interesse an Jazzgesang geweckt. Während eines Praktikums in einer Sportwerbeagentur in Hamburg begann Poppe, privat Unterricht zu nehmen. Der Lehrer bestärkte ihn darin, eine klassische Ausbildung zu versuchen. Also bewarb er sich an verschiedenen Musikhochschulen. Mit dem Vorsatz: „Wenn es bei einer klappt, probiere ich es aus“. Zwei von vieren wollten ihn. Poppe hat die Romantik ins Projekt gebracht. Mit Schubert und Hugo Wolf. Das deutsche Kunstlied ist eine seiner großen Lieben neben der Oper. „Dichterliebe“, „Schöne Müllerin“, „das sind tolle Geschichten, Stationenreisen“, schwärmt er. „Jedes Lied ist ein Zyklus für sich“. Die szenisch umzusetzen, würde ihn sehr reizen.

Alvaro Zambrano wiederum weiß noch gar nicht, welches seiner Talente er bei IN TRANSIT zur Geltung kommen lassen wird. Er spielt Kontrabass in einer Band. Kann vorzüglich kochen [chilenische Spezialitäten, versteht sich, wie Empanadas oder Maiskuchen]. Und er tanzt ausgezeichnet Salsa. Wie es sich für einen Südamerikaner gehört, hat er’s noch von seiner Mutter gelernt, nicht in der Schule. Wobei er betont: „Wenn ich in Berlin in eine Salsathek gehe, staune ich, wie gut die Deutschen die Schrittfolgen beherrschen. Ich habe davon gar keine Ahnung, ich mach’s nach Gefühl!“

Mit dem Begriff des Transits können die beiden Tenöre viel anfangen. „Für mich ist das ein Zustand, in dem man sehr gut nachdenken kann. In dem einem vieles klar wird“, sagt Poppe. Vordergründig nichts zu tun, „bedeutet für mich keineswegs Stillstand“. Für Zambrano sind die Transiträume nicht zuletzt Orte der Begegnung. Bieten die Chance, auch mit Fremden ins Gespräch zu kommen. „Ich versuche das auf jeder Reise“, erzählt er. Wenngleich die Offenheit im Zeitalter der Smartphones nicht gerade gestiegen sei. Leider.

Kommunikation – auch das wird ein großes Thema auf der Bühne der Tischlerei sein. „Wir kommunizieren heute unentwegt“, so Regisseurin Eva-Maria Abelein. „Nur eben nicht mit den Menschen, die uns umgeben“. Andererseits schafften Handy und Internet heute die Möglichkeit, „mit Leuten verbunden zu bleiben, die das Leben von uns wegtreibt. Die uns aber am Herzen liegen“. Transit hat stets zwei Seiten. Abeleins Anliegen ist es ja nicht, zu werten oder Kritik an den Entwicklungen der Moderne zu üben. Sie sieht ihren Job bei diesem Projekt vor allem darin, „die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Menschen sich öffnen können und man von ihnen fasziniert wird“. Die gebürtige Bayerin – seit 2012 Spielleiterin an der Deutschen Oper – geht zum ersten Mal das vielversprechende Wagnis einer solchen Stückentwicklung ein. Auch darin liegt ein Moment des Transits. Impuls war Abeleins Wunsch, „etwas ganz anderes zu machen, als ich es gewohnt bin“.

 

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