Die heitere „Bohème“ - Deutsche Oper Berlin
Ein Essay von Kai Luehrs-Kaiser
Die heitere „Bohème“
„La Rondine“ ist Puccinis origineller Weg ins leichtgewichtige Parlando
La Rondine
Dirigent: Stefano Ranzani
Inszenierung: Rolando Villazón
Mit u. a. Ermonela Jaho, Alexandra Hutton,Charles Castronovo, Matthew Newlin, Stephen Bronk; Chor, Opernballett und Orchester der Deutchen Oper Berlin
Wiederaufnahme: 12. Februar 2019
Puccinis lyrische Komödie, „La Rondine“,war ein Schmerzenskind. Wegen des I. Weltkrieges konnte das Werk nicht am Wiener Carl-Theater uraufgeführt werden. Dort hatte man es für ein fürstliches Honorar in Auftrag gegeben. Die Verlegung ins Opernhaus des Kasinos von Monte Carlo rückte das Werk 1917 zwar in die Nähe eines der Orte der Handlung. Abseitig indes blieb die Lage dieser letzten Oper, deren Uraufführung Puccini noch persönlich erlebt hat.
Schon die Ablehnung durch den Verleger Ricordi, es handele sich um „schlechten Lehár“, enthält einen verletzend wahren Kern. Das Originallibretto war ursprünglich von Alfred Maria Willner entworfen worden, dem Co-Autor des „Grafen von Luxemburg“ und von „Zigeunerliebe“. Der Wiener Auftrag hatte sich an den Erfolg der österreichischen Erstaufführung von „Das Mädchen aus dem Goldenen Westen“ angeschlossen. Dass „La Rondine“ schließlich erst 1920 an die Wiener Volksoper kam (das Carl-Theater war inzwischen geschlossen worden), bereitete den Wienern nicht wenig Verdruss.
Bei der Konzeption 1914 hatte sich Puccini nicht zufällig am Erfolg des „Rosenkavaliers“ von Richard Strauss orientiert. Eine Komödie für Musik sollte es sein. Der parallel ausbrechende Krieg verunsicherte den Komponisten. Er fürchtete, zwischen die Fronten zu geraten, da sich auf allen Seiten der gegnerischen Parteien seine Werke größter Beliebtheit erfreuten. Auch stand der inzwischen eingewechselte Librettist Giuseppe Adami für Rücksprachen kaum zur Verfügung. Er war als Soldat eingerückt. So haderte Puccini mit seiner Arbeit und vollendete zunächst den „Tabarro“, den ersten Teil seines „Trittico“.
In Puccinis eigenen Augen geriet die Arbeit an „La Rondine“ dennoch zur Zufriedenheit. Mit dem mondänen Konversationsstück, dem er später noch den Hit „Parigi è la città dei desideri“ einverleibte, gelang ihm ein origineller Weg ins leichtgewichtige Parlando. Die Liebesgeschichte zwischen Magda und Ruggero erscheint beinahe als heitere, ganz im „Café Momus“ angesiedelte Version seines Welterfolgs „La Bohème“. In Mailand, Bologna sowie in Südamerika konnte Puccini noch zu Lebzeiten (er starb 1924) rentable Aufführungserfolge verbuchen. Wenn „La Rondine“ sich trotzdem nicht ganz durchsetzte, so hängt dies mit der Konkurrenz größerer Werke von seiner Hand zusammen. Und mit Unkenntnis. Erst in den letzten Jahren, seitdem man das Werk sowohl am Londoner Covent Garden wie an der New Yorker Metropolitan Opera wieder spielt, beginnt sich daran etwas zu ändern.
Die wenigen Gesamtaufnahmen waren eigentlich sämtlich Erfolge. Anna Moffo glückte 1966 eines ihrer besten Rollenportraits. Dreißig Jahre später fasste der Dirigent Antonio Pappano den Stoff (mit Angela Gheorghiu und Roberto Alagna) weit opernhafter, einleuchtend schwerblütiger auf. Lorin Maazel wählte in den 1980er- Jahren einen temperamentvollen Mittelweg (mit Kiri Te Kanawa und Placido Domingo).
Zum Teil hinreißende Alternativen findet man in Gestalt der in Österreich entstandenen, deutschsprachigen Versionen (unter dem Titel „Die Schwalbe“): 1952 mit der großartigen Ljuba Welitsch und Waldemar Kmentt. Und noch einmal 1958 mit Teresa Stich- Randall. Wann das Werk in Deutschland zuletzt eine wichtige Aufführung erfahren haben mag, ist schwer zu sagen. Höchste Zeit!
Aus: Beilage zur Berliner Morgenpost, März 2015