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Eine Reise ins Innere der Nacht - Deutsche Oper Berlin

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Eine Reise ins Innere der Nacht

Michael Thalheimer im Gespräch mit den Dramaturgen Luc Joosten und Jörg Königsdorf

Luc Joosten TRISTAN UND ISOLDE ist, wie Wagner selbst gesagt hat, ein Monument der Liebe. Inwieweit ist diese Oper wirklich eine Liebesgeschichte?

Michael Thalheimer Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich denken, dass TRISTAN UND ISOLDE eine Art „Romeo und Julia“ ist. Aber wenn man tiefer in das Werk eintaucht, merkt man, wie komplex diese Liebesgeschichte eigentlich ist. Die besondere Situation der Geschichte wirft unzählige Fragen auf: Was ist Liebe überhaupt? Ist sie von Dauer? Oder ist die Liebe vielleicht nur ein kurzer Moment des Glücks? Wie entsteht Liebe und wie vergeht sie? Und vor allem: Was hat die Liebe mit dem Tod zu tun? Der sogenannte „Liebestod“, der immer mit dieser Oper in Verbindung gebracht wird, handelt nicht nur von der Suche nach der Liebe jenseits der Grenzen des Lebens, sondern auch vom Tod der Liebe – von ihrem Ende.

Tristan und Isolde sind keine Theaterfiguren, die gewöhnliche Menschen darstellen. Vielmehr sind sie eine Art Idee von Menschen und von außergewöhnlichen Situationen, die über das Alltägliche hinausgehen. Die Liebe, die sie erleben, ist daher von einer anderen, höheren Ebene. Sie hat eine größere Intensität und Tiefe. Oper erzeugt immer eine erhöhte Emotionalität, aber durch die Kraft von Wagners Musik wird diese noch verstärkt und wir geraten in eine Situation, die weit vom Alltag entfernt ist.

Auch inhaltlich gibt es einen großen Unterschied. Die Liebe zwischen Tristan und Isolde entsteht vor einem Hintergrund, der sehr aufgeladen ist. In gewisser Weise sind die beiden dazu bestimmt, sich zu lieben, und ihre Schicksale sind bereits vorgezeichnet. Und die Last ihrer unglücklichen Vergangenheit lässt sie sofort an den Tod denken. Sie sind radikal in ihrer Entscheidung, dem Leben Lebewohl zu sagen. Doch dann kommt der berühmte Liebestrank in der Annahme, es handele sich um einen Todestrank – der laut Thomas Mann auch Wasser hätte sein können – und weil der Tod nicht eintritt, entsteht eine völlig neue Perspektive der Sehnsucht nach dem anderen. Es ist eine Art übernatürliche Liebe. Es gibt nur noch Verlangen, Verlangen, unstillbares Verlangen, ... mit einer fast schmerzhaften Tiefe. Dies ist keine gewöhnliche Liebe oder Verliebtheit mehr, sondern hat eine metaphysische Dimension. Und in diesem Sinne kann man sagen, dass TRISTAN UND ISOLDE eine Liebesgeschichte ist, eine sehr, sehr tiefe Liebesgeschichte. Und von faszinierender, entfremdender Natur.

Luc Joosten Neben den großen Bögen, die sich über das Werk spannen, hat Wagner unglaublich detailliert an der Beziehung zwischen Text und Musik gearbeitet. Jeder Satz, jedes Wort hat seine spezifische musikalische Interpretation erhalten. Die reiche psychologische Schattierung und Motivation der Handlung spiegelt sich sehr genau in der Musik wider.

Michael Thalheimer Wagner lädt das Publikum mit seiner Partitur, seiner Musik und dieser komplexen Geschichte dazu ein, aktiv zu werden und am Geschehen teilzunehmen. TRISTAN UND ISOLDE ist keine Oper, bei der sich das Publikum zurücklehnen und sich unterhalten lassen kann.

Um den ganzen Spannungsbogen wirklich aufrechtzuerhalten, ist es wichtig, auf die Details zu achten, um sicherzustellen, dass die Sängerinnen und Sänger, die Figuren auf der Bühne, in jeder Sekunde genau wissen, was sie sagen, an welchem Punkt der Geschichte sie sich befinden. Wie entwickelt sie sich? Wohin geht es? Man könnte es mit einem Liebesakt vergleichen, der sich mehr als fünf Stunden hinzieht, weil die Erlösung erst am Ende kommt. Wie ein Sternekoch, der ein 11-Gänge-Menü zusammenstellt, bei dem jedes Gericht, jede Zutat perfekt sein muss, damit das ganze Dinner gelingt. Und vielleicht folgt der Höhepunkt dann am Ende.

Luc Joosten Über Ihre Bühnensprache hören oder lesen wir oft, dass sie minimalistisch sei. Geht es nicht eher um klare, manchmal monumentale Bilder, die mit sehr spärlichem, der Handlung entlehntem Material geschaffen werden?

Michael Thalheimer Ich bezweifle, dass die Charakterisierung des Minimalismus wirklich richtig ist. Zumindest für mich selbst brauche ich diesen Begriff nicht. Für mich geht es um Konzentration, Reduktion, Vereinfachung. Ich möchte einfach alles Unnötige vermeiden. Als Zuschauer erlebe ich, dass es manchmal Dinge gibt, die mich von dem Faden ablenken, der in einer Aufführung gesponnen wird, und die mich vom Hauptbogen wegführen. Das möchte ich in meiner Arbeit vermeiden und knüpfe damit an eine alte Tradition im Theater an. Wenn man bis in die Antike zurückblickt, vielleicht bis zu den Ursprüngen des Theaters, wurde großer Wert auf die Reduktion gelegt, auf das Weglassen des Überflüssigen, des Ablenkenden.

Außerdem schafft die Reduktion Raum für Interpretationen, sowohl auf Seiten des Publikums als auch auf Seiten des Regisseurs. Das Publikum bekommt nicht alles von der Stange und damit auch die Chance, seine eigene Geschichte mit seiner eigenen Fantasie zu entdecken. Und das kann von Zuschauer zu Zuschauer unterschiedlich sein. Wenn ich sie mit vielen überflüssigen und trivialen Dingen überfrachte und ihnen dann für alles, was auf der Bühne vorstellbar ist oder gesagt wird, ein Bild gebe, würde ich die Zuschauer tatsächlich ihrer eigenen Fantasie und ihrer Gedanken berauben. Ich will dem Publikum nicht alles vorkauen.

Letztendlich habe ich mir diesen „Minimalismus“ nicht ausgesucht. So bin ich einfach und so arbeite ich als Regisseur. Ich kann nicht aus dieser Haut herauskriechen. Ich kann nicht sagen: Oh, morgen mache ich es ganz anders. Danach suche ich nicht, das ist in mir drin. Ich kann die Dinge nicht anders machen.

Ich hoffe natürlich, dass wir dadurch eine andere Tiefe erreichen. Es scheint so einfach zu sein zu vereinfachen, aber es ist eine große Herausforderung. Es erfordert extreme Konzentration von allen am Bühnengeschehen Beteiligten und wir müssen sie gemeinsam dorthin führen, denn der Sänger hat nichts außer Wagner, sich selbst und sein Gegenüber und das erfordert enorme Präzision und Perfektion. Ich sage oft, dass alles, was uns berührt, immer einfach ist. Die einzige Gefahr ist, dass nicht alles, was einfach ist, auch berührend ist.

Jörg Königsdorf Die Inszenierung ist eine Koproduktion mit dem Grand Théâtre de Genève, wo sie vor einem Jahr in anderer Besetzung herauskam. Inwieweit ändert sich die Produktion durch die neuen Sänger und Sängerinnen?

Michael Thalheimer Natürlich bleibt das Grundgerüst von Bühnenbild und Kostüm unverändert. Aber innerhalb dieses Rahmens verändert sich sehr viel, gerade weil ich versuche, mich ganz auf die Sänger zu konzentrieren und ihre natürliche Körperlichkeit aufzunehmen. TRISTAN UND ISOLDE stellt da sicher eine besondere Herausforderung dar, da es hier noch mehr als in anderen Opern darum geht, die innere Bewegung der Figuren hervorzubringen. Die äußere Handlung der Oper kann man schnell erzählen, dennoch nennt Wagner dieses Werk „Handlung in drei Aufzügen“ – das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass er hier die innere Welt der Hauptfiguren zum eigentlichen Handlungsträger macht. Konsequenterweise gibt es in meiner Inszenierung auch kaum Requisiten, der gesamte Fokus liegt mithin auf den Menschen auf der Bühne. Deshalb ist es umso essenzieller, dass sie diese gewaltigen Emotionen auch glaubwürdig verkörpern können. Und dazu muss ich mich auf sie einlassen und gemeinsam mit ihnen für jede Wendung, jede Stimmung einen natürlichen Ausdruck finden. Das Ziel ist ja, dass jeder Sänger auf der Bühne mit seinen Mitteln das umsetzt, was die Inszenierung vermitteln möchte. Da arbeite ich mit Sängern auch nicht anders als mit Schauspielern und ich glaube, nur so gelingt es, die Zuschauer bei aller äußeren Schlichtheit dennoch in einen Bann zu ziehen, sie dazu zu bringen, diese Geschichte unbedingt erleben zu wollen.

Jörg Königsdorf Zu den Besonderheiten des TRISTAN gehört, dass die Aktionskurve der beiden Hauptdarsteller quasi gegenläufig ist. Im ersten Aufzug ist Tristan äußerst wortkarg, der dritte Aufzug dagegen findet über weite Strecken ohne Isolde statt.

Michael Thalheimer Ich finde diese Mathematik der Partitur wunderbar. Beide starten von entgegengesetzten Standpunkten aus, kommen einander ganz nahe und entfernen sich dann wieder quasi in entgegengesetzte Richtungen. Isoldes Gefühle von Wut und Rache, die sie uns im ersten Aufzug entgegenschleudert, sind quasi der energetische Auslöser für die Liebe. Vom Ende des ersten Aufzugs an haben wir zwei Figuren, die selbst überrascht zu sein scheinen, dass sie einander so begegnen. Dann kommt es zur Katastrophe, zur Intervention durch König Marke beziehungsweise die Gesellschaft, die eine so radikale Liebe nicht duldet.

Denn in der Unbedingtheit ihrer Liebe sind Tristan und Isolde ja gar nicht lebensfähig. Sie bestehen nur noch aus Sehnsucht zum anderen und in dem Moment, in dem klar wird, dass ihre Verbindung keine Zukunft hat, sind beide unfähig zu reagieren. Isolde zieht sich in sich selbst zurück, beschämt über ihre Schuld, die sie doch nicht als Schuld empfinden kann. Und Tristan versucht auch keine Klärung der Situation, sondern stürzt sich in sein Schwert.

Jörg Königsdorf Und das, obwohl König Marke wahrscheinlich für ihn Verständnis gehabt hätte…

Michael Thalheimer Er kann es einfach nicht ertragen, diesen Mann so enttäuscht zu haben, der für ihn sicher auch eine Vaterfigur darstellt. Tristan verweigert sich diesen Erwartungen und fühlt sich dadurch schuldig. Denn obwohl die Gesellschaft sich in TRISTAN UND ISOLDE kaum artikuliert und der Chor als Ausdrucksträger der gesellschaftlichen Vorstellungen nur eine Nebenrolle spielt, ist diese Erwartungshaltung in den Köpfen von Tristan und Isolde immer präsent. Tatsächlich gehört es zu dieser Verlagerung der Handlung in das Innere der Figuren, die diese Oper so modern macht, dass auch die Verhaltensnormen internalisiert sind und sich der Konflikt zwischen den eigenen Sehnsüchten und den Anforderungen der Anderen an uns ganz in unserem Inneren abspielt. Dadurch wird im Übrigen auch umso klarer, dass es in dieser Oper nicht um Schuld geht. Und das ist letztlich das Kennzeichen jeder großen Tragödie.

Jörg Königsdorf Nun gibt es in dieser Oper ja noch zwei andere Figuren, die starke Emotionen zeigen: Brangäne und Kurwenal.

Michael Thalheimer Sowohl die Beziehung zwischen Kurwenal und Tristan als auch diejenige zwischen Brangäne und Isolde sind unerfüllte Liebesgeschichten, die dadurch eine eigene Tragik gewinnen. Beide sind den Objekten ihrer Liebe bedingungslos ergeben. Wie Kurwenal sich beispielsweise im dritten Aufzug das Leiden Tristans komplett zu eigen macht, ist unmittelbar ergreifend. Und auch Brangänes Nachtlied im zweiten Aufzug verrät uns, wieviel Sehnsucht nach Liebe in dieser Figur steckt. Dennoch sind beide im besten Sinne supporting roles. In jedem Moment ist klar, dass sie Tristan und Isolde kein Gegenüber bieten können, was die Singularität der Liebe zwischen diesen beiden natürlich umso klarer hervortreten lässt.

Luc Joosten Das Licht spielt eine sehr wichtige Rolle in der Inszenierung.

Michael Thalheimer Diese Oper ist ein Gespräch zwischen Tag und Nacht. In allen Akten, sowohl textlich als auch musikalisch. Tagsüber herrscht eine andere Realität. Dort herrschen Alltag, Klarheit, Kalkül und Vernunft vor. Aber in der Nacht herrscht etwas ganz anderes vor. Nicht umsonst spielen berühmte literarische Werke wie „Dracula“ und „Frankenstein“ bei Nacht – auch der nächtliche Traum versetzt uns in eine ganz andere Atmosphäre, in eine andere Realität.

Und damit spielt Wagner sowohl lyrisch als auch musikalisch. Die Nacht hat eine Tiefe, die dem Tag fehlt. Vor dem entscheidenden Treffen zwischen Tristan und Isolde im zweiten Akt singt Isolde zu Brangäne: „Lösche des Lichtes letzten Schein!“. Normalerweise ist es andersherum und das Licht wird als Zeichen angezündet. Hier heißt es „Lösche das Licht“. Das bedeutet, dass die Figuren die Nacht betreten. Sie bewegen sich auf ein anderes Bewusstsein zu. Diese Wagner’sche Licht-Dunkel-Symbolik hat meine Aufmerksamkeit erregt. Wir haben das bei der Gestaltung sowohl des Bühnenbilds als auch der Beleuchtung aufgegriffen.

Und ich komme auf das zurück, was ich zu Beginn gesagt habe: Es sind nicht nur zwei Menschen, die zusammenkommen. Es sind zwei Kräfte, die sich gegenseitig anziehen – als ob sie zwei Planeten wären, die zusammenstoßen. Oder zwei Sterne, die kollidieren und ein schwarzes Loch bilden. Und im Zentrum dieses schwarzen Lochs befindet sich eine Singularität: ein kleines Volumen von unendlicher Dichte. Die Verschmelzung von Tristan und Isolde.

 

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