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Sasha Waltz über Roméo und Juliette - Deutsche Oper Berlin

Von Sandra Luzina

Sasha Waltz über Roméo und Juliette

Sasha Waltz brachte 2015 ihre Version von Berlioz’ „Roméo und Juliette“ nach Berlin

Sandra Luzina studierte Philosophie, Germanistik und Soziologie an der FU Berlin. Sie schreibt über Tanz und Theater für den Tagesspiegel und arbeitet für den Fernsehsender ARTE.

Sasha Waltz wirft in ihrer Inszenierung einen ganz eigenen Blick auf die tieftragische Geschichte um die beiden Sprösslinge aus verfeindeten Familien. Als die Opéra National de Paris und das Ballett sie 2007 beauftragten, eine Choreografie zur dramatischen Sinfonie ROMEO UND JULIETTE zu entwerfen, betrat sie Neuland.

Mit Henry Purcells Barockoper DIDO UND AENEAS hatte sie 2005 ihr Konzept der choreografischen Oper erstmals erprobt und dem Musiktheater neue Horizonte erschlossen. Sasha Waltz gelang eine für die Oper neuartige Verschmelzung von Tanz, Gesang und Musik. Dieses Konzept hat sie weiter entwickelt in ihrer zweiten choreografischen Oper MEDEA [2007] zu Musik von Pascal Dusapin, einem der wichtigsten französischen Komponisten der Gegenwart. Die Gesangssolisten und die Chorsänger wurden auch hier in das Bühnengeschehen integriert.

Mit ROMEO UND JULIETTE setzte sich Sasha Waltz zum ersten Mal mit einem Werk aus dem romantischen Repertoire auseinander. Für die Choreografin steht Berlioz am Anfang einer modernen Sichtweise auf die Oper: „Was ich spannend finde an Berlioz’ Form: Sie ist eher wie eine Collage, aufgebrochen und nicht linear erzählt. Dadurch lässt sie mir sehr viel Raum, um meine eigenen Vorstellungen zu entwickeln.“

Dieses Werk der „poetischen Entgrenzung“ – für Sasha Waltz ist es eine „extrem emotionale Musik“. Bei der Arbeit an dieser Berlioz-Komposition in Paris sei sie in einen regelrechten Rausch verfallen, hat sie einmal erzählt. Doch die Produktion stellte auch eine große Herausforderung dar. Das lag zunächst an den gewaltigen Dimensionen der Bastille-Bühne, aber auch an der riesigen Besetzung [Gesangssolisten, Tänzer, Chorsänger und Orchestermusiker]. Außerdem hatte Waltz zuvor noch kein Abend füllendes Stück mit einer klassischen Ballettcompagnie erarbeitet [für das Ballet de l’ Opéra de Lyon hatte sie lediglich 2006 die 20-minütige Choreografie „Fantasie“ zur Musik Schuberts kreiert].

Sasha Waltz über ihre Choreografie im Making-Of-Video
 

Der verstorbene Opernintendant Gerard Mortier hatte sie noch gewarnt vor der Arbeit mit den Chören, die hier 100 Sänger und Sängerinnen umfassen. „Mortier sagte zu mir: Stell die Chöre in den Graben“, erzählt Sasha Waltz und lacht. Aber sie ließ sich nicht beirren und blieb ihrem Konzept der choreografischen Oper treu. „Das ist meine Arbeitsphilosophie, dass Tanz und Chor zusammengehören, dass sie eine Einheit bilden“, betont Waltz. Sie hat auch in Paris mit den Chormitgliedern Körperarbeit gemacht, so wie sie es schon in den früheren Opernproduktionen praktiziert hatte. Diese Choreografin geht einen anderen Weg – das war allen Beteiligten schon früh klar.

Der Tanz ist für Sasha Waltz nicht nur Illustration: „Er spricht mit dem Körper und die Musik erzählt die Geschichte mit den Noten. Sie sind gleichberechtigt und verbinden sich zum großen Gesamtkunstwerk Oper.“
 

Ob sie nun eine reine Tanzproduktion oder eine Musiktheaterproduktion kreiert – der Ausgangspunkt für Sasha Waltz ist immer das Bühnenbild. „Ich muss den Raum verstehen, in dem ein Stück spielt“, betont sie. Für ROMEO UND JULIETTE entwarf sie das Set zusammen mit Thomas Schenk und Pia Maier Schriever, zwei langjährigen Mitstreitern. Ihre Inszenierung bricht mit allen tradierten Bildern und Vorstellungen, der Zuschauer muss erst einmal alle Erwartungen fallen lassen. „Ich wusste, ich muss einen Balkon entwerfen, aber ich wollte abstrakt bleiben“, erzählt Waltz. „Daher kam ich auf die Idee, dass das Geschehen sich zu dieser Situation hinbewegt.”

Die ursprüngliche Idee, dass die Clans der Capulets und Montagues durch eine Wand voneinander getrennt sind, ließ sich technisch nicht realisieren. Nun sieht man zwei übereinander gefaltete und verschobene Flächen, eine weiße und eine schwarze. Wenn sich die obere Plattform langsam hebt, wird daraus der Balkon für die Liebesszene. Wird sie weiter hochgezogen, sieht man schwarze Farbspuren auf dem weißen Grund – ein Zeichen für den nahenden Tod. Später falten sich die Flächen ganz auseinander.

Das Bühnenbild gibt in ROMEO UND JULIETTE die Dramaturgie vor. Für die Tänzer ist es zudem sehr herausfordernd, sich auf der Schräge zu bewegen. Es gilt die Höhenunterschiede zu beachten, sie müssen schon mal springen oder sich im Spalt zwischen den beiden Platten ducken. Der Kontrast von Schwarz und Weiß visualisiert den Konflikt zwischen den verfeindeten Familien. Er durchzieht die ganze Inszenierung – und bestimmt auch das Kostümdesign von Bernd Skodzig. Die vom Chor verkörperten Clans der Capulets und Montagues stehen sich als schwarzer und weißer Block gegenüber. Die Hüte und Kopfbedeckungen lassen an jüdische, muslimische oder indische Einflüsse denken, wenn auch auf sehr freie und stilisierte Weise. Sie habe bei der Arbeit an den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern denken müssen, erzählt Waltz, doch sie wollte alles Plakative vermeiden. „Es klingen viele Assoziationen an unterschiedliche Kulturen an“, sagt sie. „So kann sich jeder sein eigenes Bild machen.“

Liebe kann Grenzen überwinden
 

Juliette wird meistens als ein naives, unschuldiges Mädchen dargestellt. Sasha Waltz sieht sie anders: „Juliette ist bei mir eine junge Frau, die heute lebt und ein anderes Selbstbewusstsein hat. Aber man muss sich vorstellen: In der Zeit, in der Shakespeare sein Stück geschrieben hat, ist es ein unglaublicher Schritt, den dieses Mädchen geht. Sie beugt sich ja nicht dem Willen ihrer Eltern. Das erfordert sehr viel Mut.“

Sasha Waltz hält in ROMEO UND JULIETTE die Spannung zwischen dem Abstrakten und dem Narrativen. Die wunderbare Sinnlichkeit und die emotionale Intensität ziehen den Zuschauer von Anfang an in den Bann. Und wie Sasha Waltz den Zauber der ersten Liebe einfängt! Roméo und Juliette können einfach nicht voneinander lassen. Waltz ersinnt eine Palette an zarten Berührungen, wie man sie im Tanz noch nicht gesehen hat. Die lange Scène d’ amour wird bei ihr nicht zum süßlichen Schwebetraum. Momente aus Zärtlichkeit, Hingabe, Verzückung und Verzweiflung wechseln sich ab. Es sind Extreme, die die beiden Liebenden durchmessen.

Die enorm einfallsreich choreografierten Gruppenszenen veranschaulichen die schicksalhaften Verkettungen der Figuren: Immer wieder vereinen sich die Tänzer zu einem Kollektivkörper, rollen in Wellen über die Bühne, stürzen ineinander wie Dominosteine. Trios, Quartette, Quintette bilden raffinierte Körperarchitekturen mit sich kreuzenden Linien und Leidenschaften. Die Liebenden begegnen sich zunächst auf Augenhöhe. Bis sich das Podest hebt und Juliette über Roméos Kopf schwebt – die Umdeutung der Balkon- Szene spielt mit der Ambivalenz. Die Angebetete ist entrückt, fern gerückt. Ein Riss tut sich auf.

Das stärkste Bild ist die Sterbeszene. Die tot geglaubte Juliette wird zunächst mit Kieselsteinen zugeschüttet, doch Steinchen für Steinchen legt Roméo das Gesicht der Geliebten frei, und die Liebe wird Beschwörung und unauslöschliche Erinnerung zugleich. Inspiriert ist die Szene von einer Vorarbeit im Radialsystem, dem „Dialog 06 – Radiale Systeme“. Sasha Waltz benutzt diesen offenen Dialog, um Skizzen zu bestimmten Themen zu erarbeiten. Zwei Tänzer verwendeten damals Kieselsteine von der Terrasse des Radialsytems. In ROMEO UND JULIETTE symbolisieren die Steine nicht nur das Grab: „Ich habe auch noch andere Assoziationen“, erklärt Waltz. „Ich dachte auch an die Steinigungen von Frauen. Für mich hat die Szene deshalb noch eine andere Dimension.“

Liebe kann Grenzen überwinden – davon ist Sasha Waltz überzeugt. Deshalb setzt sie am Ende von ROMEO UND JULIETTE ein Zeichen der Hoffnung. Standen die beiden Clans sich anfangs noch unversöhnlich gegenüber, so vermischen sich in der Beerdigungsszene die schwarz- und weißgekleideten Chorsänger. „Der Tod von Roméo und Juliette ist ja ein Opfertod“, erklärt Waltz. „Durch dieses Opfer können die beiden Familien sich wieder verbinden, wird der Zwist aufgelöst, der Fluch gebannt. Das zeige ich auch so. Die Auflösung ist auch in der Musik zu hören. Das ist unglaublich erhebend und befreiend. Auf jeden Fall macht es Hoffnung. Wenn man sich die aktuelle politische Situation anschaut, gibt es zwar wenig Anlass zu Hoffnung. Aber ich finde es trotzdem wichtig, diese Möglichkeit aufzuzeigen.“

Erste Skizzen zu ROMEO UND JULIETTE entstanden schon in Berlin, Sasha Waltz hat sie mit ihrem eigenen Ensemble erarbeitet. Danach hat sie die Choreografie mit den Pariser Tänzern entwickelt. Wenn sie das Stück nun ihren Tänzern überträgt, schließt sich in gewisser Weise ein Kreis. Eine komplette Überarbeitung der Choreografie hat sie nicht im Sinn. „Ich möchte das Stück im Original bewahren“, erklärt Waltz. „Natürlich wird es durch die Interpretation meiner Tänzer noch einmal eine andere Note bekommen. Das finde ich auch schön und wichtig. Aber ich habe mir angewöhnt, an meinen eigenen Choreografien nicht mehr so viel zu verändern, weil es sonst irgendwann ein anderes Stück wird. Und irgendwann hat das Werk ein Eigenleben – und dann respektiere ich das Werk, dann muss ich zurücktreten.“

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