Sua Jo … Mein Seelenort: Ein Fitnesscenter in Berlin-Charlottenburg - Deutsche Oper Berlin
Sua Jo … Mein Seelenort: Ein Fitnesscenter in Berlin-Charlottenburg
Die Koreanerin Sua Jo hat ihren Weg über New York nach Berlin gefunden. Dank der Bereitschaft, für ihren Traum hart zu trainieren
Mein Seelenort ist das Fitnessstudio Holmes Place in der Nähe der Deutschen Oper Berlin. Ich wohne nicht weit entfernt und komme jeden Tag her, um zu trainieren, auch sonntags. Es ist meine Routine geworden: Ich gehe ins Theater, probe, übe, dann mache ich auf dem Nachhauseweg einen Stopp im Gym. So bin ich gestrickt: Wenn ich mich einer Sache ernsthaft widme, muss ich sie voll durchziehen. Seit der High School gab es keinen einzigen Tag, an dem ich nicht meinen Gesang geprobt hätte, egal ob in den Ferien, an Weihnachten oder Neujahr. Ich mag es, mich selbst herauszufordern und dabei Fortschritte zu machen: Morgen wirst du diesen schwierigen Part noch besser hinbekommen. Morgen läufst du noch ein bisschen länger und schaffst mehr Gewichte.
Fitnesstraining und Workout habe ich erst in Berlin für mich entdeckt. Während meines Studiums an der Juilliard School for Music in New York bin ich ein einziges Mal ins Fitnessstudio gegangen – nach zehn Minuten kam der Krankenwagen. Kein Scherz! Die Trainerin hatte mich wohl überschätzt, ich sah fit aus, obwohl ich kein bisschen trainiert war. Es endete damit, dass ich auf dem Boden lag und fast ohnmächtig wurde. Ein Notarzt kam, setzte mir eine Sauerstoffmaske auf, danach ging es wieder. Aber mit dem Work[1]out war es fürs Erste vorbei.
Mein Entschluss, dem Training noch eine Chance zu geben, liegt daran, dass ich mich als Sängerin allmählich in Richtung der umfangreicheren und schwereren Rollen entwickle. Ich singe mit größerem Orchester, meine Stimme wächst entsprechend, aber mein Körper ist noch der gleiche. Ich hatte das Gefühl, ich brauche mehr Kraft. Also mache ich jetzt mit einer Personal Trainerin Kardio-Übungen auf dem Laufband oder Fahrrad und stemme Hanteln. Nicht um Muskeln aufzubauen, sondern um mein Durchhaltevermögen zu verbessern. Und wegen der Glückshormone, die der Körper beim Sport ausschüttet. Ein ähnliches Hochgefühl erlebe ich auch im Theater nach einer Aufführung. Aber eben nicht jeden Tag.
Um mich von der Anstrengung abzulenken, höre ich während des Trainings Musik. Ich lerne eine Partie auswendig oder analysiere die Technik einer Sängerin, zum Beispiel von Maria Callas. Im vergangenen Jahr zeigte mir Spotify an, dass ich mit Abstand am meisten Puccini gehört habe. An Puccini gefällt mir, dass er einem die Freiheit gibt, aus dem Vollen zu schöpfen, alle Gefühle auszudrücken. Wie in der Rolle der Sklavin Liù, die ich in TURANDOT singe. Auf den ersten Blick scheint sie schwach zu sein, aber tatsächlich ist sie viel stärker als die Prinzessin Turandot. Liù weiß, was sie will und wen sie liebt. Sie ist bereit, ihr eigenes Leben zu opfern, um nicht den Namen des Prinzen Calaf preiszugeben. Mich erinnert das an die Kämpfer im koreanischen Unabhängigkeitskrieg, die Selbstmord begingen, wenn sie gefangengenommen wurden, aus Sorge, ihnen könnten unter Folter Geheimnisse entlockt werden. So einen Mut beweist auch Liù.

Ich wusste schon in der Mittelstufe, dass ich klassische Sängerin werden will. Seit ich acht Jahre alt war, singe ich, mit dreizehn trat ich in meiner ersten Oper auf, als 1. Knabe in Mozarts DIE ZAUBERFLÖTE im Seoul Art Center, einem der größten Häuser Koreas. Mittlerweile habe ich an der Deutschen Oper Berlin drei Rollen aus der ZAUBERFLÖTE gesungen, Pamina, Papagena und die 1. Dame. Mein Plan war von Anfang an: Ich gehe nach Europa, aber mit einer Zwischenetappe in den USA, um dort Englisch zu lernen. Genauso kam es, jetzt bin ich im Ensemble der Deutschen Oper Berlin, meiner ersten Station in Europa überhaupt. Ich habe wirklich Glück! Auch mit den Rollen, die ich singen darf.
Es ging gleich gut los, ich durfte die Marzelline in FIDELIO singen, mein erster Beethoven, meine erste Premiere in Berlin, lauter erste Male. Der Probenprozess war ungewohnt für mich, der Regisseur David Hermann sagte zu mir: »Das hier ist europäischer Stil, sehr intensiv«. Ich fand das großartig, ich liebe es, wenn es dramatisch wird und intensiv zugeht, schließlich ist es Oper. Wenn ich eine Wunschrolle benennen sollte, wäre das die Salome von Richard Strauss. Aber das hat noch Zeit. Bis dahin muss meine Stimme noch weiterwachsen. Und ich noch viel trainieren.