Gabriele Schnaut - Deutsche Oper Berlin

6 Fragen an ...

Gabriele Schnaut

Sie hat die großen Rollen interpretiert, ist Wagner-Heroine und Bayerische Kammersängerin. In Strauss‘ SALOME singt sie Herodias, eine der fieseren Opern-Figuren. Hier erzählt sie von Rache, Missbrauch und der Kunst, eine Figur zu entwickeln

Was an Herodias ist Ihnen sympathisch?
Unsympathisch oder sympathisch ist hier nicht die Frage! Ich will auch bei negativ konnotierten Figuren ein Schlüsselloch finden, in das ich meinen Schlüssel hineinstecken kann. Damit öffne ich mir die Tür zu dieser Figur. Ich finde es spannend herauszufinden, wie diese Frauengestalten wurden, wie sie sind.

Wie nähern Sie sich dieser Figur?
Bei ihr funktioniert das nur über die Interaktion mit meinen Partnern. Denn die Figur ist sehr begrenzt, auch in dem was sie sagt. Das sind dann so hingerotzte Geschichten, in einem Satz etwa spricht sie ihre ganze Verachtung für Herodes aus: „Du bist ein Kameltreiber und ich war schon immer eine Königstochter.“ Damit sagt sie, sie habe unter ihrem Niveau geheiratet. Aber viel mehr Hintergrund kann ich aus der Rolle nicht lesen. Das, was ich dann herauskitzle, mein Schlüsselloch zur Herodias, funktioniert tatsächlich nur über die Reaktion auf meine Gesangspartner. Ich habe in Berlin fantastische Partner, mit ihnen macht das sehr viel Spaß.

Mit welcher Technik nähern Sie sich dieser begrenzten Rolle?
Ich gehe da ehrlich gesagt ganz offen rein. Ich habe genügend Probenzeit, um mich mit dieser Inszenierung anzufreunden und die Herodias gedanklich zu durchdringen. Also kann ich die Rolle spontan in der Situation auf der Bühne weiterentwickeln. Wenn ich eine tolle szenische Vorlage von meinen Gesangspartnern habe, reagiere ich also nicht unbedingt, wie es im Regiebuch steht. Aber so, wie es genau in die gedankliche Struktur der Inszenierung, der Rolle und in den Moment passt. Das erfordert viel Konzentration, aber auch Vertrauen in den Moment. Und das finde ich sehr spannend.

Die Magie des Augenblicks.
Ja, in einer Vorstellung kann in jedem Moment Neues und Unvorhersehbares entstehen. Das ist die Lebendigkeit, die eine Opernbühne ausmacht. Sonst könnten Sie sich ja auch einen Film angucken.

Herodias lässt gewähren: ihren Mann im Missbrauch, ihre Tochter Salome in der Rache. Warum schauen Menschen weg?
Schauen Sie sich mal Familien an, in denen so etwas passiert. Das sind Ängste, dass man seine Stellung verliert. Angst, dass die Ehe in die Brüche geht. Angst vor der brutalen Gewalt, die sich plötzlich gegen einen selbst richten kann. Da ist Eifersucht auf die Tochter. Da ist Scham. Und bei Herodias ist da auch das Gefühl: Mir ging es früher genauso. Und jetzt ist sie eben dran.

Ein dysfunktionales Paar, die Tochter wohlstandsverwahrlost, die Mutter schaut zu. Das klingt wie eine Zeitungsmeldung.
Solche Themen wie Missbrauch und Rache wiederholen sich immer wieder. Dieser Salome-Stoff ist so alt wie unsere Historie und spiegelt noch immer unsere Gesellschaft. Das ist das Lebendige an Oper, dass man diese alten Stoffe nutzen kann, um auch der heutigen Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Wie verdeckt man? Wie vertuscht man? Wie sanktioniert man Missbrauch? Wie werden männliche Machtspiele in einer „hö-hö-hö-Gesellschaft“ genossen? In Zeiten von #metoo ist das eine brisante, hochaktuelle Geschichte.

Ist Rache noch zeitgemäß?
Rache ist sehr archaisch. Es ist nicht sehr fein, aber scheint ein menschlicher Urtrieb zu sein: sich rächen zu wollen, eins auswischen, jemandem etwas Böses wünschen. Wir bemühen uns, durch Aufklärung, christliche, menschliche, ethische Ausrichtung, diese Gefühle einigermaßen in Schach zu halten. Aber wir müssen nur die Nachrichten lesen: Rache erleben wir tagtäglich.

Wofür würden Sie sich rächen?
Ich räche mich überhaupt nicht. Vielleicht agiere oder reagiere ich, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle. Dann suche ich ein Gespräch oder ziehe mich zurück. Aber rächen? Nein.

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