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Alles Ergreifende ist immer schlicht - Deutsche Oper Berlin

Alles Ergreifende ist immer schlicht

Kaum ein Künstler reduziert Werke so radikal auf ihren Kern wie Michael Thalheimer. Im Theater sucht er den Schmerz, nicht das Gefällige.

Aus Wagners TRISTAN UND ISOLDE macht der Regisseur jetzt ein ergreifendes Lichtspiel um Tag und Nacht, Liebe und Tod

Michael Thalheimer will sich nicht auf eine Zahl festlegen: Vielleicht sind es sieben, vielleicht auch nur fünf. Fest steht für den Theatermacher: »Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Geschichten, die wir uns immer wieder neu und anders erzählen. Damit wir begreifen, warum wir so sind, wie wir sind, weshalb wir so handeln, wie wir handeln.« Zu diesen ewigen Geschichten gehört in seinen Augen auch Richard Wagners TRISTAN UND ISOLDE. Zwei Menschen begegnen sich, verlieben sich auf den ersten Blick unsterblich ineinander, scheitern am Schicksal und wählen den gemeinsamen Tod. Die pure Tragödie. Und ein Stoff wie geschaffen für einen Regisseur, der über den Antrieb seiner Arbeit sagt: »Mich interessiert im Theater, auch in der Oper, immer der Schmerz«. In diesem Fall: »Der Weltschmerz, der in jedem Wagner-Werk aus allen Poren dringt.«

TRISTAN UND ISOLDE, eine Koproduktion zwischen der Deutschen Oper Berlin und dem Grand Théâtre de Genève, ist Thalheimers dritte Wagner-Inszenierung, nach PARSIFAL und DER FLIEGENDE HOLLÄNDER. Er würde sich zwar nicht als Wagnerianer bezeichnen (»ich reise keinen Inszenierungen hinterher oder bin Dauergast in Bayreuth«), betont aber mit ehrlicher Emphase: » Ich habe diesen Komponisten lieben gelernt.« Ihn packt bei Wagner das Universelle, das Überlebensgroße. Den Sängerinnen und Sängern, mit denen er TRISTAN UND ISOLDE in Genf erarbeitete, schärfte der Regisseur ein: »Das sind keine Figuren, die wir um die Ecke in einem Caféhaus treffen könnten. Wenn sie einander begegnen, ist es, als würden zwei Planeten kollidieren. Ohne die Möglichkeit auszuweichen.« 

Ursprünglich wollte Thalheimer – seit 25 Jahren einer der gefragtesten Schauspielregisseure im deutschsprachigen Raum – nie Oper inszenieren. Er ist musikalisch, hat Schlagzeug gelernt und spielte als Jugendlicher in verschiedenen Bands. Aber das waren Rock- und Jazz-Ensembles. In der Opernwelt kannte er sich kaum aus, auch nicht mit Noten, bis heute kann er keine Orchesterpartitur lesen. »Dazu kam, dass ich – anders als im Schauspiel – in der Oper keinen wirklichen Zugriff auf die Fassung habe«, beschreibt Thalheimer seine anfänglichen Hemmnisse. »Wenn ich als Schauspielregisseur gebeten werde, ‚Hamlet‘ zu inszenieren, weiß im Vorfeld niemand, mich eingeschlossen, ob der Abend eine Stunde oder fünf Stunden dauern wird. Das ist in der Oper nicht denkbar.« 

Die Angebote von großen Häusern kamen dennoch zahlreich. 2005 überwand Thalheimer seinen Respekt und debütierte mit Leoš Janáčeks KATJA KABANOVA an der Berliner Staatsoper. »Es war die Musik, die mich dann doch in diesen Kosmos Oper gezogen hat«, erzählt er. »Ich habe Janáček sofort verstanden. Und dann war es ein neuer Eros.« Thalheimer bewies seine Kunst, Werke radikal auf ihren Kern zu verdichten, ein Seelenleben in eindringliche Bilder zu fassen, auch im Musiktheater. Denn diese Kunst hat wenig mit Spiellänge zu tun, dafür viel mit dem Vermögen, die Essenz einer Geschichte zu fassen. Die russische Kaufmannsfrau Katja Kabanova – gefangen in einem erstickenden Beziehungsgeflecht – saß in seiner Inszenierung fast die gesamte Zeit über auf einem weißen Stuhl an der Rampe. Ohne Bewegungsfreiheit, gezwungen, Haltung zu bewahren. So einfach, so schmerzhaft.

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert gehört Michael Thalheimer zu den erfolgreichsten deutschen Regisseuren und ist gleichermaßen im Schauspiel wie im Musiktheater gefragt. TRISTAN UND ISOLDE ist sein dritter Wagner © Arno Declair
 

Thalheimers künstlerischer Glaubenssatz lautet: »Alles Ergreifende ist immer schlicht.« Wo andere in Ausstattungsorgien schwelgen, setzt er auf kompromisslosen Minimalismus. Der reizüberfluteten Gegenwart zieht er den Stecker durch maximale Reduktion. Das Gefällige, leicht Unterhaltende überlässt er anderen. »Wissen Sie«, seufzt der Regisseur, »mich interessiert es nicht, einen Chor aus grünen Fröschen in Astronautenanzügen auf dem Mars singen zu sehen. Das mag für Sekunden ein schönes Bild sein, aber für mich ist es die pure Beliebigkeit.« Ihm ist bewusst, dass Schlichtheit gerade in der Oper ein heikles Unterfangen sein kann, »weil die Zuschauerinnen und Zuschauer oft eine gänzlich andere Erwartung haben.« Gerade, wenn es um Richard Wagner geht. Aber als Erfüllungsgehilfe von Erwartungen sieht er sich nicht: »Ich zähle zu den Regisseuren, die ein Publikum herausfordern«. 

Natürlich gebe es Momente, räumt Thalheimer ein, in denen auch er den Horror vacui spüre. Die Angst des Schriftstellers vor dem leeren Blatt, die Angst des Malers vor der weißen Leinwand. Momente, in denen ihn Zweifel quälen: Genügt das, was ich auf der Bühne zeige? Um sich einen Tag später selbst zu antworten: »Ja. Wir gehen noch tiefer in die Reduktion.«

Auch TRISTAN UND ISOLDE spielt auf einer fast leeren Bühne. Das zentrale Element ist eine bewegliche Wand aus 260 Leuchten mit verspiegelten Glühbirnen. Die sind auch einzeln ansteuerbar und reagieren – hell aufflammend oder gedimmt – auf die jeweilige Intensität der Musik. Vor allem spiegelt sich in diesem Lichtspiel die alles bestimmende Tag-und-Nacht-Symbolik der Wagner-Oper: »O sink hernieder, Nacht der Liebe«! Hier der Tag, der von Vernunft beherrscht wird. »Dort die Nacht als das Geheimnisvolle, Unbewusste und Traumhafte mit anderen Gesetzen von Realität«, beschreibt Thalheimer die Gegensätze. Doch auch ganz abgesehen von der Symbolik ist es das ideale Bühnenbild für einen Regisseur, der von sich sagt: »Wenn ich ein Werk durchdrungen habe, benötige ich im Grunde nichts außer den Text, die Protagonisten und einen Scheinwerfer. Man kann unter einer Straßenlaterne jede Geschichte erzählen. Wirklich jede.«

Die Idee zu dieser Lampenwand ist schlicht aus einem Gespräch mit dem Bühnenbildner Henrik Ahr hervorgegangen. Thalheimer sagte: »Ich brauche Raum, ich brauche Platz für die Sängerinnen und Sänger, ich möchte keinen Realismus – und was mich am meisten interessiert, ist das Licht.« Mehr gab er nicht vor, »Bühnenbildner sind eigenständige Künstler, von denen ich mich überraschen lassen will.« Einige Zeit später kamen Ahr und der Lichtdesigner Stefan Bolliger mit dem Vorschlag für die Glühbirnen-Installation. Und Thalheimer entgegnete: »Oh, ihr habt mich wörtlich genommen.«

Er wird oft für einen Konzeptregisseur gehalten, der jeden Gang, jede Geste von Beginn an vorgibt. Aber das stimmt nicht. Es gibt in einem Portraitbuch über ihn die Anekdote, wie er während der Proben zu »Emilia Galotti« am Deutschen Theater zehn Tage lang mit dem Ensemble nur diskutierend in der Sonne auf dem Vorplatz saß – zur Irritation des damaligen Intendanten Bernd Wilms. Natürlich hat der Regisseur zu Beginn eine Ahnung, wohin es gehen soll. »Aber ich suche immer den gemeinsamen Weg mit dem Ensemble, auch mit den Sängerinnen und Sängern, bei den Proben.« Dazu gehören auch Irrwege. Zum Beispiel die Idee, während der Arbeit am TRISTAN eine komplette Szene im Dunkeln spielen zu lassen. Um dann zu merken: »Das ist der größte Schwachsinn überhaupt«, lacht Thalheimer. Auf jeder Reise gebe es solche Momente des sich Verrennens, das gehöre dazu. 

Wenn TRISTAN UND ISOLDE jetzt nach der Genfer Station an der Deutschen Oper Berlin zur Premiere kommt, wird sich manches nicht verändern, das Bühnenbild zum Beispiel. Aber während der sechswöchigen Arbeit mit dem neuen Ensemble können und sollen sich auch neue Wagner-Entdeckungen ergeben: »Ich bleibe einlässlich dafür, wo es uns hinführt«, so Thalheimer. 
Das Wort »Einlässlichkeit« benutzt er oft. Auch, wenn er den Unterschied zwischen einer Inszenierung im Schauspiel und in der Oper beschreibt. Er musste sich erst darauf einlassen, dass er Sängerinnen und Sängern nicht das gleiche Höchstmaß an schauspielerischer Verausgabung abfordern kann wie einem Theaterensemble: »Nehmen wir nur den 2. Aufzug von TRISTAN UND ISOLDE, das lange Liebesduett – es verlangt rein stimmlich so viel von den Menschen und ihren Körpern, dass sie darauf ihre ganze Konzentration richten müssen. Sonst gehen sie in der Musik unter.« So gesehen sind Schauspiel und Oper für ihn grundverschiedene Welten. »Es käme auch niemand auf die Idee, Theater und Tanz gleichzusetzen«, sagt er. 

Kristina Stanek (Brangäne) und Elisabet Strid (Isolde) bei der Premiere in Genf im September 2024 © Carole Parodi
 

Keinen Unterschied macht Thalheimer dagegen zwischen den Kunstformen, wenn es um die Suche nach Erkenntnis und Katharsis geht, die ihn leitet – und die nach seinem Dafürhalten weh tun muss: »Nur über den Schmerz sind wir lernfähig.« 

Er weiß, dass diese Haltung auch Abwehr hervorruft. So war es schon bei der Inszenierung, die ihn anno 2000 schlagartig berühmt machte, Franz Molnárs »Liliom« am Hamburger Thalia Theater. Auf einen gigantischen Holzwürfel von Bühnenbildner Olaf Altmann ließ Thalheimer damals die entscheidenden Plot-Points der Geschichte vom armen Jahrmarkt-Rekommandeur Liliom und seiner Geliebten Julie als überdimensionale, kalte Piktogramme projizieren: Mann und Frau. Vater, Mutter, Kind. Geld. Vor allem aber sprengte er das Stück von allem Sozialkitsch frei und zeigte Liliom als rohen, impotenten Gewalttäter, auch gegen sich selbst. Als Suizidanten im Blutregen. Der Abend wurde zum Skandal und ein Riesenerfolg. Der Grundton für die weitere Karriere war gesetzt. 

Wie alle Menschen will auch Michael Thalheimer geliebt werden. »Wir stehen morgens überhaupt nur aus dem Bett auf, weil wir geliebt werden wollen«, stellt er fest. Um nach einer kurzen Pause zu ergänzen: »Aber nicht von jedem«. Lieber polarisiert er, als leicht konsumierbares Theater zu liefern, das die Menschen heiter gestimmt entlässt. Wie sollte das auch mit den Stoffen und Themen vereinbar sein, denen er sich widmet? Oder, in Thalheimers Worten gefragt: »Glauben Sie, Wagner hat sich an den Tisch gesetzt und gesagt: Heute geht’s mir gut, ich komponiere PARSIFAL?« 

Wagners weihevolle Grals-Geschichte hat der Regisseur ebenfalls in Genf inszeniert. Er musste währenddessen oft an Christoph Schlingensief denken, der PARSIFAL in Bayreuth auf die Bühne gebracht hatte und von Wagner als »Todesmusik« sprach, die mit Sirenengesängen ins Jenseits locke: »Zum letzten Mal! Zum letzten Mal!« Sogar den Ursprung seiner Krebserkrankung verortete Schlingensief in Bayreuth. Auch Thalheimer findet, Wagners Musik habe in ihrem Zusammenspiel von Eros und Thanatos oft eine gefährliche Schönheit: »Sich dem Weltschmerz hinzugeben, der gerade im PARSIFAL kaum größer zu denken ist, kann einen in die Depression stürzen. Davor braucht es einen Schutzpanzer.« Er ist an probenfreien Wochenenden meist raus in die Natur gefahren, rauf auf den Berg, in die Sonne, den Kopf freibekommen. Selbst ein passionierter Weltverdüsterer wie er braucht Schmerzpausen. 

Das Gespräch mit Michael Thalheimer in einem Café am Prenzlauer Berg kreist viel um Mut. Um den Mut zur äußeren Ereignislosigkeit bei einer Oper wie TRISTAN UND ISOLDE, die sich »Handlung in 3 Aufzügen« nennt, tatsächlich aber zu den handlungsärmsten Wagner-Stücken zählt. Um den Mut zum Verzicht auf Welterklärungen, die Thalheimer schon deshalb verweigert, »weil ich selbst mehr Fragen als Antworten habe«. Und nicht zuletzt: um den Mut zum Pathos. Schließlich geht es hier um die Oper, wo noch im Sterben die inbrünstigsten Arien gesungen werden, wo Gefühle nicht durch den Filter der Reflexion müssen. 

Die Neuinszenierung ist eine Koproduktion mit dem Grand Théâtre de Genève, wo sie am 15. September 2024 mit Gwyn Hughes Jones (Tristan)  und Tareq Nazmi (Marke) ihre Premiere hatte © Carole Parodi
 

»Ich habe keine Angst vor Pathos«, betont der Regisseur. »Eine gänzlich unpathetische Aufführung gefällt mir meist auch als Zuschauer nicht«. Worauf es ankomme: dieses Pathos in seiner Wirkung nicht unhinterfragt zu lassen, es wie alles andere zu durchdringen. Ansonsten bleibe es peinlich und hohl. »Aber natürlich ist der Liebestod von Isolde im 3. Akt pathetisch«, sagt Thalheimer. »Es ist immer pathetisch, wenn jemand sich entscheidet, aus dem Leben zu gehen – ganz gleich, wie banal es geschieht.« 

Bleibt die Frage: Was ist der Kern dieses Werks, dieser ewigen Geschichte? Darauf, entgegnet der Regisseur, könne es angesichts der Komplexität von Wagners Operntragödie eigentlich keine simple Antwort geben, schon gar nicht in einem Satz. »Vielleicht«, überlegt er, »ist der Kern die Unmöglichkeit der Liebe. Vielleicht lässt sich alles zurückführen auf die Frage: Was ist das überhaupt – Liebe?«. 

 

Patrick Wildermann ist freier Kulturjournalist mit Schwerpunkt Theater und Film. Er lebt in Berlin und schreibt für den Tagesspiegel, das Interviewmagazin »GALORE« und das Stadtmagazin »tip«.

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