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Topical then, topical now: A 1920s fantasy of enthusiasm versus fatalism - Deutsche Oper Berlin

Aufbruch- und Endzeitfantasie der 1920er Jahre – ein Jahrhundert später wieder höchst aktuell

Vier Fragen an den Regisseur

Regisseur Ersan Mondtag ist in Berlin kein Unbekannter: Seine bildmächtigen Inszenierungen wurden zum Theatertreffen eingeladen, er arbeitete am Gorki Theater und am Berliner Ensemble. Nun bereitet er seine erste Oper für Berlin vor: ein unbekanntes Werk des dänischen Außenseiter-Komponisten Rued Langgaard. ANTIKRIST ist eine oratorische Kirchenoper, die, inspiriert vom mittelalterlichen Mysterienspiel, Gott und Teufel auftreten lässt und die Menschheit mit ihren Lastern konfrontiert. Dem hochsymbolischen und verschlüsselten Text steht eine spätromantisch-satte, emotional aufgeladene Partitur gegenüber.

 

Gerade hatten Sie in Antwerpen Premiere mit Ihrer ersten Operninszenierung – Franz Schrekers DER SCHMIED VON GENT. Wie Rued Langgaards ANTIKRIST ist auch dies eine unbekannte Oper der 1920er Jahre. Kann man die Werke miteinander vergleichen?
Die Stücke sind wirklich komplett anders. Sie sind zwar in der gleichen Zeit entstanden, aber man erlebt diametral entgegengesetzte Ansätze, sowohl was Musik als auch Libretto anbelangt. Schrekers SCHMIED VON GENT hat ein wirklich fantastisches Libretto. Es ist dicht und komplex – man könnte es als Theaterstück aufführen und die Musik weglassen. Das funktioniert beim ANTIKRIST überhaupt nicht – man kann mit dem Libretto unabhängig von der Musik nicht viel anfangen. Bei ANTIKRIST haben wir einen jungen, von der Welt übersättigten Komponisten, der mit großem Pathos, mit großer Ernsthaftigkeit und sakralem Gestus den Zustand seiner Welt versucht, in Worte zu fassen: bild- und sprachgewaltig. Das hat fast schon Jelineksche Qualitäten – der innere Zustand eines Menschen drückt sich komplett in der Form seines Kunstwerkes aus. ANTIKRIST ist da wirklich eine Herausforderung. Man hat keine echte Handlung, keine Figuren, die miteinander interagieren, sondern nur einzelne Nummern und Zustände. Es ist quasi das komplette Gegenteil von dem, was ich gerade gemacht habe – und das ist höchst spannend.

ANTIKRIST ist ein Werk der turbulenten 1920er Jahre. Wir stehen am Anfang der 2020er Jahre – und es werden gern Vergleiche gezogen. Sehen Sie Parallelen?
Das Libretto der Oper spiegelt natürlich seine Zeit: Ich lese darin eine Parabel auf das Erstarken des Faschismus in Europa. Man kann den Pakt zwischen Luzifer und Gott, der am Beginn der Oper steht und zur Offenbarung des Antichristen – also aller menschenverführenden Laster – führt, als eine Art Hitler-Stalin-Pakt lesen. Ich glaube, jeder Zuschauer wird da ganz eigene Assoziationen haben. Und dann gibt es Figuren wie „Der Mund, der große Worte spricht“ … Das evoziert Bilder von Populisten damals, aber eben auch heute. Man spricht ja gern von der Wiederholung der Geschichte alle hundert Jahre – und in der Tat sehen wir viele Parallelen. Die in den letzten Jahren sich verschärfende Klimadebatte weitet für mich das Apokalyptisch-Endzeitliche der Oper. Ja, wir leben in einer Zeit, in der Apokalypsen Konjunktur haben.

Sie sprachen schon von dem Text – hochsymbolistisch, verrätselt. Kann man den überhaupt inszenieren?
Das Libretto ist übersättigt von Metaphern, Bildern und Anspielungen. Es inspiriert einen, aber es ist schwierig, den Text wirklich als formgebende Sinneinheit zu inszenieren. Langgaards zum Teil sehr konkrete szenische Vorstellungen lassen sich auf der Bühne so nicht umsetzen. Ich ignoriere das Libretto deshalb ein Stück weit und konzentriere mich auf die Übertragung der Musik vom Orchestergraben auf die Bilder auf der Bühne. Die Musik ist auch der Hauptgrund, weshalb man die Oper aufführen sollte. Deshalb möchte ich der facettenreichen, überraschend süffigen Partitur genug Raum geben, um entdeckt zu werden. Außer mit den Solist*innen arbeite ich mit dem Choreografen Rob Fordeyn und einem Ensemble von Tänzer*innen – gemeinsam entwickeln wir eine Bild- und Bewegungssprache, die die Musik spiegeln kann.

Ihre Inszenierungen sind immer aus einem Guss. Sie haben sich selbst mal eher als Bühnenbildner denn als Regisseur bezeichnet. Zu welchen Bildwelten hat Sie nun Langgaards Musik und Text inspiriert?
Das Expressionistisch-Überzeichnete steckt natürlich im Thema, das hört man aber auch in der Musik: Orgel, Glocken, Bläserchoräle und Fugen tönen endzeitlich, aber auch hoffnungsvoll. Es wird eine farblich stark überzeichnete Bildwelt entstehen. Das Bühnenbild ist von Christopher Nolans Film „Inception“ inspiriert, in dem sich die Welt in manchen Szenen umzudrehen scheint. In meinem „Antikrist“ fällt ein Taxi vom Himmel, ein erhängter Gott schwebt über der Bühne. Er, Gott, hat eine Vulva, ist aber ein Mann. Ich werde die Inszenierung spätkapitalistisch anlegen: Eine Großstadtszenerie, in der die Welt zusammenbricht. Und es gibt Höllengestalten und Horrorfiguren, mit Hörnern, fleischig, blutig. Dem merkwürdig hoffnungsfrohen Ende mit seiner Verdammung des Bösen und Anbetung Gottes vertraue ich nicht ganz …

Das Gespräch führte Lars Gebhardt.

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DEZ

Advents-Verlosung: Das 21. Fensterchen

Am 12. April 2025 feiern wir im Rahmen unserer „Richard Wagner im April“-Wochen die Wiederaufnahme von DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG in der Inszenierung von Jossi Wieler, Sergio Morabito und Anna Viebrock, dann mit Thomas Johannes Mayer als Hans Sachs, Elena Tsallagova als Eva, Magnus Vigilius als Walther von Stolzing und Chance Jonas-O'Toole als David. Heute aber verlosen wir erst einmal unsere DVD, die in Zusammenarbeit mit dem Label NAXOS in der Premierenserie im Frühsommer 2022 aufgezeichnet wurde.

Im heutigen Adventskalender-Fensterchen verlosen wir 2 Mal eine DVD von DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG – Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner. Wenn Sie eine der zwei DVDs gewinnen möchten, schreiben Sie bitte heute eine E-Mail mit dem Betreff „Das 21. Fensterchen“ an advent@deutscheoperberlin.de.

Populär wie kaum ein anderes Bühnenwerk Richard Wagners sind DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG geliebt und gehasst zugleich. Das Stück verbindet eine heiter-fassliche Komödienhandlung mit sommernachts-trunkenem Spiel um Wahn und Wirklichkeit der Liebe, erhebt aber zugleich den Anspruch eines Gründungsmanifests deutschnationaler Kunst und ist damit in seiner Rezeption historisch belastet wie kaum ein anderes Werk Richard Wagners. Zugleich und an allererster Stelle sind DIE MEISTERSINGER jedoch ein Stück über die Musik und das Musikmachen.

DIE MEISTERSINGER in einer Welt zu erzählen, die sich der Musik verschrieben hat, ist auch der Ausgangspunkt für die Regiekonzeption von Jossi Wieler, Anna Viebrock und Sergio Morabito. Darin erzählen sie von den Regeln wie erstarrten Dogmen, die diese Welt bestimmen und die damit Beispiel für zahlreiche Lebenszusammenhänge werden, in denen Menschen sich Regeln setzen, sich unterordnen und bei ihnen Zuflucht finden oder aber ausbrechen und entkommen wollen. Sie bringen ein Stück auf die Bühne, in dem zudem Sänger*innen Sänger*innen spielen, um singend eine Geschichte über das Singen zu erzählen. Und sie zeigen Figuren wie die des Hans Sachs, der als alternder Mann zugunsten eines Jüngeren auf seine Liebe zu Eva verzichtet und zugleich das System reformieren will, dabei aber auch vor Demagogie und Populismus nicht zurückschreckt – während ab und an der Atem der Geschichte die Geister der Meistersinger-Vergangenheit hereinweht.

Musikalische Leitung John Fiore; Inszenierung Jossi Wieler, Anna Viebrock, Sergio Morabito; Mit Johan Reuter, Albert Pesendorfer, Gideon Poppe, Simon Pauly, Philipp Jekal, Thomas Lehman, Jörg Schörner, Clemens Bieber, Burkhard Ulrich, Stephen Bronk, Tobias Kehrer, Byung Gil Kim, Klaus Florian Vogt, Ya-Chung Huang, Heidi Stober, Annika Schlicht u. a.; Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin



Einsendeschluss: 21. Dezember 2024. Die Gewinner*innen werden am 23. Dezember 2024 per E-Mail informiert. Die DVDs gehen anschließend auf dem Postweg zu. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.