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Die Frau vom Meer - Deutsche Oper Berlin

Ein Essay von Kerstin Schüssler-Bach

Die Frau vom Meer

Detlev Glanerts elftes Musiktheaterwerk Oceane ist inspiriert von einem Romanfragment Fontanes. Das Auftragswerk der Deutschen Oper Berlin kommt im April 2019 prominent besetzt zur Uraufführung.

„Der Tag ging, ein anderer kam, Oceane war fort.“ So lapidar lässt Theodor Fontane seine geheimnisvolle Titelfigur aus dem Leben verschwinden. In seinem Romanfragment Oceane von Parceval (1882) hat der Dichter abermals eine rätselhafte, moderne Melusinengestalt ins Zentrum gestellt. Bis hin zum Alterswerk Der Stechlin wird Fontanes Werk von solchen jungen Frauen durchzogen, die durch ihre Extravaganz und Naturhaftigkeit gleichermaßen faszinieren wie provozieren.

Detlev Glanert, ein passionierter Leser und Literaturkenner, ist diesem Fontane-Text vor vielen Jahren begegnet. Seitdem hat sich der Stoff in ihm zur Oper angereichert. Mit Hans-Ulrich Treichel, der bereits das Libretto zu CALIGULA schuf, konzipierte Glanert ein Szenario, das die Leer- und Bruchstellen in Fontanes Entwurf in Klang verwandelt. Die Gesellschaftskonventionen seiner Zeit hat der Romancier des bürgerlichen Realismus in geschliffenen Dialogen gezeichnet. Konversation ersetzt bei Fontane, dessen 200. Geburtstag 2019 in Brandenburg und Berlin groß gefeiert wird, die explizite Handlung. So galt es, Oceane von Parceval zu dramatisieren, Charaktere und Situationen zuzuspitzen: In einem Badeort zur Kaiserzeit trifft die junge Oceane von Parceval mit ihrer Gesellschafterin Kristina ein. Sie irritiert die Hotelgäste durch ihr ungezwungenes Benehmen. Der junge Gutsbesitzer Martin von Dircksen sieht in der enigmatischen Schönen seine zukünftige Gattin. Aber vor allem Pastor Baltzer führt das Wort gegen diese Frau, die sich so selbstbewusst außerhalb der Konvention stellt. Dennoch sucht sie verzweifelt ihren Platz in dieser Gesellschaft. Martins Liebe scheint eine Möglichkeit aufzuzeigen, aber Oceanes Bindung an das Elementare ist stärker. Sie geht zurück ins Meer, aus dem sie kam.

 

Oceane eine Projektionsfigur männlicher Weiblichkeitsfantasien
 

 

Als Melusine, Rusalka oder Undine fand das nymphenhafte Naturwesen in der Kunst zahlreiche Darstellungen. Wie ihre Schwestern scheint Oceane eine Projektionsfigur männlicher Weiblichkeitsfantasien, doch sie gewinnt ihre tragische Dimension aus der Erkenntnis, dass sie ihren Wunsch nach Liebe und Nähe zu den Menschen niemals wird realisieren können. Auch Martin, der sie mit seinen Wünschen überfordert, gelingt es nicht, diese gläserne Wand zu durchbrechen. Darin sieht Detlev Glanert eine sehr moderne psychologische Anlage der Figur, die trotz ihrer brennenden Sehnsucht nicht mit der Außenwelt kommunizieren kann. Martin, dem Vertreter der neuen, auf Kapital und Effizienz gerichteten Ordnung, bleibt der Zugang zu dieser individualistischen Innenwelt Oceanes verwehrt. Eine besondere Rolle schreibt Glanert dem Chor zu: Er vertritt nicht nur die scharf umrissene Gesellschaft, sondern übernimmt auch die Stimme des Meeres, die Oceane mit ihrem Element verbindet. Den Figuren hat Glanert klare Klangprofile verliehen, die mit Zuweisungen aus der Operntradition spielen.

Für das von Intendant Dietmar Schwarz angeregte Auftragswerk hat die Deutsche Oper Berlin renommierte Künstlerinnen und Künstler verpflichtet. GMD Donald Runnicles, der 2012 bereits Glanerts „Brahms-Fantasie“ zur Uraufführung brachte, steht am Pult. Die Inszenierung besorgt Robert Carsen, die Hauptpartien singen Maria Bengtsson und Nikolai Schukoff. Nicht umsonst gilt Detlev Glanert als ein Komponist, der weiß, wie man für Stimmen schreibt. Mit den Solistinnen und Solisten von OCEANE traf er sich lange vorab zu Proben und Gesprächen. Zur Oper als kollektiver Kunstform hat sich Glanert vielfach bekannt.

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