Was mich bewegt

Die unendliche Geschichte

Kinder, Eltern, Großeltern: Seit Generationen staunen wir über DIE SCHNEEKÖNIGIN. Aber darf sich die Erzählung auch ändern?

Das Paradox von Kindheit ist, dass sie fortdauert, auch wenn sie schon vorbei ist. Deshalb haben Erwachsene zur Kindheit meist einen emotionalen Bezug, der unterschiedlich stark reflektiert wird. Vielleicht umso stärker, wenn sie Kinder in ihrer Kindheit begleiten, als Eltern, Großeltern, Lehrer*innen oder Erzieher* innen. Kindheit reicht ins Erwachsenenleben wie der winzige Splitter im Herzen, von dem im Märchen DIE SCHNEEKÖNIGIN erzählt wird. Ein Splitter, der beeinflusst, wie wir Dinge sehen und erleben.

Theater für Kinder spricht nicht nur die Kinder an, sondern immer auch die begleitenden Erwachsenen. Man könnte sagen: Die Erwachsenen werden für die kurze Zeit des Theaterbesuchs selbst noch einmal zu Kindern, denn sie greifen – bewusst oder unbewusst – auf ihre eigenen Kindheitserlebnisse zurück, gefiltert natürlich, also emotionalisiert durch ihre Erinnerung.

Besonders zur Vorweihnachtszeit, besonders im Märchengenre, sitzt also ein doppeltes Publikum im Saal: Die Kinder, für die alles neu ist. Und die Erwachsenen, die ihre eigenen, persönlichen Referenzen, Erwartungen und Werte mit in den Zuschauersaal bringen. Damit tragen sie auch Fragen in den Raum, die das Bedürfnis von Kindern nach Unterhaltung und Erfahrungen manchmal sogar bremsen: Wie soll Theater für Kinder aussehen? Wie sah Theater in meiner eigenen Kindheit aus? Was will ich meinen Kindern zumuten? Und was will ich mir zumuten?

Erwachsene, die Kinder ins Kindertheater begleiten, haben oft ein Bedürfnis nach Niedlichkeit. Vielleicht spüren sie, die Realitätsgeplagten, den Kindheits-Splitter im Herzen, der in ihnen eine Sehnsucht nach einer Auszeit vom Erwachsensein weckt. Vielleicht wollen sie eintauchen in eine Welt ohne Job, Steuererklärung, Elternabende und die Tagesschau mit ihren Schreckensmeldungen. Eintauchen in eine seltsam verkleinerte Welt mit weicheren Kanten und wärmeren Farben. Erwachsene genießen es, Dinge süß zu finden und darin schwelgen zu dürfen. Aber sie haben viel kleinere Räume dafür zur Verfügung als Kinder: ein Snoopy-Kaffeebecher auf dem Schreibtisch im Büro, ein Mickey- Mouse-Pyjama – der Trost der Dinge, eine Anleihe beim Kindsein, die entlastet vom täglichen Funktionieren.

Im Theater kann sich diese Sehnsucht nach Niedlichkeit auf eine »niedliche« Art des Erzählens bekannter Geschichten projizieren, als Sehnsucht nach Kostümen und Bühnenbildern, Musik und Spielweisen in jenen wärmeren Farben. Doch dieser Niedlichkeitserwartung der Erwachsenen stehen oft ganz andere Bedürfnisse der Kinder gegenüber. Brauchen Kinder Niedlichkeit? Wollen sie das – laut Duden – »durch hübsche Kleinheit Entzücken Hervorrufende«? Was gefällt Kindern? Vielleicht ist es gerade nicht die »hübsche Kleinheit«? Vielleicht ist es sogar die anarchische Wildheit, die emanzipatorische Selbstbestimmtheit kindlicher Helden, die den Regeln der Erwachsenenwelt trotzen?

Kinder brauchen keine Umwege über die Augen, Ohren und Herzen ihrer erwachsenen Begleitung. Sie wollen Held*innen auf Augenhöhe, Figuren, die ihnen Entwicklungsschritte vorausgehen, die spannend sind, die ihnen Räume öffnen für das eigene Fühlen, Denken und Handeln. Vor allem aber wollen Kinder nicht den Splitter im Herzen ihrer Eltern spüren. Deshalb gibt es kein eingefrorenes Theater von früher für Kinder von heute. Deshalb wird neue Musik geschrieben, werden neue Wege des Erzählens probiert, immer auf der Suche nach der passendsten Begegnung mit den Kindern. Neues Musiktheater für Kinder ist Theater für ein neues Publikum. Und dabei – im Idealfall – auch für ein altes. Wenn das funktioniert, tritt der »Asterix-und-Obelix- Effekt« ein: Ganz verschiedene Augenhöhen können gleichzeitig erreicht werden. Die der Erwachsenen und die der Kinder.

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