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Sieben Fragen an ... Roman Burdenko - Deutsche Oper Berlin

Sieben Fragen an ... Roman Burdenko

Roman Burdenko singt die Titelpartie in Verdis MACBETH. Ein Gespräch über die Schattenseiten der Macht

Warum entfernt uns Macht so oft von unseren Werten?
Macht ist immer ein Persönlichkeitstest. Es gibt viele Geschichten von Menschen, die sich in Machtpositionen völlig verändern, bei denen tiefgreifende Probleme zutage treten, solche, die man sogar vor sich selbst verbirgt. Normalerweise braucht es ein ganzes Leben, um solche Facetten zu entwickeln. Macht kann ein Beschleuniger für Negatives sein: Da braucht es nur ein, vielleicht zwei Jahre bis zur Deformation. Und in der Oper dauert es einen Akt lang.

Zeigt Macbeth seinen wahren Charakter? Oder sehen wir hier die Geschichte einer Deformation?
Ich glaube, es geht um den Weg dorthin. Das Genie von Shakespeare und Verdi (auch von Puschkin übrigens), liegt darin, dass sie Momente einfangen, an denen Menschen Entscheidungen treffen müssen. Das macht die Stücke so interessant, so lebendig. Wir denken über unser eigenes Leben nach, über Momente, an denen wir Entscheidungen getroffen haben. Shakespeare reduziert das für seine Figuren auf zwei Fragen: »Was gewinne ich – was verliere ich? Oder, kürzer: Sein oder Nichtsein?«

Macbeth hat viele Facetten: Ehrgeiz, Angst, Entschlossenheit, Zweifel. Wie legen Sie die Emotionen in der Stimme an?
So sicher ich mir als Sänger auch bin: Ich lege großen Wert auf das, was   Regisseurin und musikalische Leitung für die Produktion wünschen. Daraus entwickle ich die Nuancen, singe mehr piano oder mehr forte, finde die Balance zwischen einem Belcanto-Stil und den Farben meiner eigenen Stimme. Bühnenbild und Kostüm geben weitere Hinweise, sie können sogar einschränkend wirken. Auch die Akustik des Hauses entscheidet mit. An der Deutschen Oper Berlin zum Beispiel kann ich meine Stimme voll ausschöpfen. Übrigens: Es kann ein Nachteil sein, zu tief im Gefühl der Figur zu stecken. Man kann nicht singen, wenn man weint. In manchen Rollen versuche ich, mir nicht zu viele Gedanken zu machen.

Wo liegen Ihre Sympathien mit Macbeth, wo hört es auf?
Das ist seltsam an Macbeth: In einigen Momenten verliere ich jede Sympathie, aber irgendwann finde ich sie wieder. Grundsätzlich finde ich Macbeth sympathischer als seine Frau, Lady Macbeth. Wenn sie ihren Verstand verliert, spüre ich, dass sie kein guter Mensch ist. Er dagegen ist immer nur einen kleinen Schritt entfernt, Gutes zu tun. Aber leider auch nur einen Schritt vom Gegenteil.

Ist es in Wahrheit Macbeth, der von seiner machthungrigen Frau korrumpiert wird?
Ich habe mal eine moderne Produktion gesehen, in der die Macbeths ein Kind haben, dem etwas zustößt. Das ist der Grund, warum die Lady sich der Macht verschreibt und Macbeth später zum Mörder wird: aus Blutrache, »Vendetta«. Verdi selbst hatte als junger Mann innerhalb von zwei Jahren seine Frau und seine beiden Kinder verloren, Blutrache ist ein wiederkehrendes Motiv, in seinen Opern geht es oft darum, wie sich »Vendetta« vermeiden lässt. Ich denke, es geht auch hier wieder um einen Test, für beide, Macbeth und die Lady. Wie entscheiden sie sich?

Aber am Ende lässt sich das alles ohnehin nicht so klar sagen. Das Genie solcher Meister wie Shakespeare und Verdi ist, dass die Figuren in ihren Stücken so lebendig erscheinen, ihre Probleme so gegenwärtig. In einem Moment liebt man sie, im nächsten verabscheut man sie. Aber niemals denkt man, dass jemand korrumpiert wird oder schlicht ist – sie alle sind Menschen voller Ambivalenzen. Und am Ende sind es die kantigen, interessanten Persönlichkeiten, die wir verehren, nicht die flachen. Selbst wenn es Probleme gibt – man hört nie auf, diese Persönlichkeiten zu lieben.

Erkennen Sie in der aktuellen Weltlage einige Macbeths?
Ich weiß nicht viel über Politik, aber ich kann sagen, dass ich solche Persönlichkeiten auch im Privaten finde. Die Leitidee von MACBETH ist auf alle Sphären übertragbar: Auch in Herz und Seele werden Schlachten ausgetragen. Wenn wir so kraftvolle Kunst sehen wie die in MACBETH, dann reflektieren wir uns selbst, denken über unsere Entscheidungen nach, über diese kurzen Momente. Das gilt für private Beziehungen genauso wie für die Politik. Und am Ende ist auch die politische Lage das Ergebnis von Entscheidungen, die Menschen getroffen haben.

Worauf freuen Sie sich besonders, wenn Sie nach Berlin kommen?
Ich bin sehr froh, wieder zurück an der Deutschen Oper Berlin zu sein, meiner zweiten Heimat. Auch jüngeren Kollegen empfehle ich das Haus immer, die Musik, die Produktionen, das Publikum – alles ist auf sehr hohem Niveau. Ich lerne immer neue Freunde im Ensemble kennen oder habe nach dem Auftritt interessante Gespräche mit Zuschauern. Berlin selbst gehört zu den demokratischsten Orten, die ich kenne. Auch dass die Stadt so international ist, schätze ich. Aber wenn ich da bin, fokussiere ich mich auf meine Rolle und hoffe einfach, dass wir in den Proben ein hohes Niveau erreichen. Wenn man auftritt, geht es nicht nur um die Öffentlichkeit oder das Publikum als Ganzes. Man versucht zu kommunizieren; es geht um einen Dialog zwischen zwei Menschen. Das erwarte ich von der Produktion und meiner Rückkehr an dieses schöne Musiktheaterhaus.

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