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George Benjamin – Mein Seelenort: Ein Garten in London - Deutsche Oper Berlin

George Benjamin – Mein Seelenort: Ein Garten in London

George Benjamin ist einer der erfolgreichsten Komponisten der Gegenwart. Endlich kommt seine Oper WRITTEN ON SKIN auf eine Berliner Bühne. Ein Hausbesuch

Mein Seelenort ist mein Garten, schmal, aber ziemlich lang, fast 30 Meter, glaube ich. Ich bin kein begabter Gärtner, es herrscht Unordnung, viele Häuser in London haben einen derartigen Garten, das ist nichts Ungewöhnliches, vielmehr einer der Gründe, warum die Stadt so riesig ist: Weil die ganzen Reihenhäuser jeweils noch einen Garten haben und Platz brauchen.

Mein Garten vermittelt mir die Illusion, ich sei auf dem Land. Die hohen Bäume blenden die Blicke der Nachbarn aus. Ich fühle mich beschützt, das hilft, wenn ich schreibe und komponiere. Hier atme ich durch, ruhe kurz aus und finde Stille, wenn ich arbeite. Wir wohnen seit 30 Jahren in diesem Haus, alle meine Opern habe ich hier geschrieben, natürlich auch WRITTEN ON SKIN. Wir sind nicht weit von einer Hauptstraße, aber man hört sie kaum, das Einzige, was man wirklich hört, sind Vögel. Manchmal eine Eule, ich habe auch schon einen Specht gehört, es gibt Schwalben, Amseln. Letztere sind verbreitet, aber mitten in London Eulen oder Spechte? Das ist schon aufregend.

Ich könnte also in diesem Garten spazieren gehen, dabei nachdenken, etwa über meine Arbeit. Aber genau das mache ich hier draußen nie. Im Garten spielt meine Arbeit keine Rolle. Ich denke viel nach, beim Gehen, allerdings mache ich das drinnen im Haus, in meinem Komponierzimmer. Da tigere ich herum, wie ein eingesperrtes Tier, und zwar die ganze Zeit, wenn ich etwas Neues entwickle. Ich laufe im Kreis, um die Umgebung auszublenden und sie zu vergessen. In dieser Zeit treffe ich niemanden, auch nicht zwischendurch. Nur so komme ich in meinem Inneren an – und das ist entscheidend, um komponieren zu können.

George Benjamin mit der Partitur zu WRITTEN ON SKIN, seiner zweiten Oper, die er wie die erste nach einem Text von Martin Crimp schrieb – und die 2012 uraufgeführt wurde. Seitdem haben die beiden zwei weitere Opern verfasst © Dan Wilton
 

Ich würde Ihnen nie Einlass zu meinem Komponierzimmer gewähren, da kommt keiner rein! (lacht) Außer Leute wie Martin Crimp, der Autor, mit dem ich das Glück habe, für meine Opern zusammenarbeiten zu dürfen, auch bei WRITTEN ON SKIN. Martin ist immer willkommen, er ist ein kolossaler Freund, so intelligent, interessant, lustig. Ich bin sehr dankbar für alles, was er mir gegeben hat und weiterhin gibt. Und wenn er intensiv an einem Text arbeitet, dann höre ich auch von ihm nichts; manchmal herrscht sechs bis neun Monate Stille zwischen uns, fruchtbare Lücken unserer Freundschaft, wenn Sie so wollen.

Wer Opern schreibt, braucht Einsamkeit, lange Einsamkeit. Das Telefon bleibt aus, kein Computer. Wenn ich schreibe, verbringe ich gut und gerne 12 Stunden oben in meinem Zimmer. Wenn ich von einer Tournee nach Hause komme, vom Dirigieren, brauche ich ein paar Wochen, bis ich wieder den Zustand der Konzentration gefunden habe – das ist in etwa so, als würde ich meinen Stoffwechsel runterfahren.

In meinem Garten finde ich Ruhe, in meinem Arbeitszimmer Konzentration, aber der wichtigste Ort für mein Schaffen liegt zwischen meinen Ohren: meine Vorstellungskraft. Wo ich tatsächlich arbeite, ist gar nicht mal so wichtig. Wichtig ist, die Welt auszuschließen, so radikal wie es nur geht. Meine Aufgabe besteht darin, mich beinahe zu hypnotisieren, damit ich meine Umgebung nicht mehr wahrnehme – damit ich nur noch an die eine Note denke, für die ich mich gleich entscheiden werde.

Beim Komponieren denke ich auch an die spezifischen Sängerinnen und Sänger, für die ich schreibe. Dabei geht es nie um die Sprechstimme einer Sängerin, auch wenn ich sie so gut kenne wie zum Beispiel Barbara Hannigan, die in der Uraufführung von WRITTEN ON SKIN vor mehr als zehn Jahren die Rolle der Agnès sang, der Frau des Patriarchen, die eine Liaison eingeht mit dem Jungen, der eigentlich ein Engel ist. Mir geht es um die Kunst des Singens, darum, wie Gesang Worte in eine andere Form des Verstehens und des Fühlens überführen kann.

Die individuellen Besonderheiten einzelner Sängerinnen und Sänger inspirieren mich sehr. Ich denke an den Klang ihrer Stimmen, sie werden Teile der Orchestrierung. Während sie im Vordergrund singen, setze ich eine Viola da Gamba oder eine gedämpfte Posaune in den Hintergrund. Ich weiß oft, wer welche Noten am stärksten singt, und dieses Wissen benutze ich für die melodischen Linien, sie sind geformt nach den Eigenheiten der Sängerinnen und Sänger. Barbara Hannigan singt zum Beispiel ein wahnsinnig tolles hohes »As«, amazing! Ich habe diese Note an verschiedenen Stellen von WRITTEN ON SKIN als Dreh- und Angelpunkt eingesetzt, über die ganzen 90 Minuten verteilt. Ähnlich war es mit dem Bassbariton von Christopher Purves, sein »E« ist wunderbar stark. Wenn also der »Protector«, der Patriarch, besonders autoritäre, ja gewalttägige Szenen hat, hören wir sein unglaubliches »E«. Aber selbst die Schwächen können kompositorisch genutzt werden. Wenn ich zum Beispiel weiß, wo eine Sängerin Widerstände hat, etwas nicht so gerne macht, kann das für die Figur sehr interessant sein. Wir haben so viele Freiheiten in der Komposition, dass wir fast alles machen können.

In dem Reihenhaus wohnt der Komponist seit mehr als 30 Jahren. Direkt um die Ecke liegt das legendäre Abbey Road Studio. Für Benjamin fühlt es sich dennoch an, als würde er auf dem Land leben, erzählt er © Dan Wilton
 

Sie sehen, mein Seelenort ist wohl doch die Musik. Natürlich können auch Menschen Seelenorte darstellen, Seelenfreunde. Mein Partner Michael ist so jemand, mein »soulmate«, wir sind seit 35 Jahren zusammen. Ohne ihn würde mein Werk nicht existieren. Daneben gibt es noch ein paar wenige echte Freunde. Zwei oder drei arbeiten in der Musikwelt, ein paar andere ganz und gar nicht. Und natürlich meine Nichten. Sie sind mittlerweile in ihren Dreißigern, all das Musikzeug spielt für sie überhaupt keine Rolle und das genieße ich sehr. Herrlich!

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DEZ

Advents-Verlosung: Das 22. Fensterchen

Am 7. März 2025 feiert der erste Teil von Tobias Kratzers Strauss-Trilogie ARABELLA im Rahmen unserer „Richard Strauss im März“-Wochen seine Wiederaufnahme mit u. a. Jennifer Davis als Arabella, Heidi Stober als Zdenka/Zdenko, Thomas Johannes Mayer als Mandryka, Daniel O'Hearn als Matteo und wie in der Premierenserie mit Doris Soffel und Albert Pesendorfer als Ehepaar Waldner. Heute verlosen wir unsere DVD, die erst ab 14. Februar 2025 überhaupt im Handel erhältlich sein wird. Wir danken NAXOS aufs Herzlichste dafür, dass wir die ganz besondere Möglichkeit wahrnehmen dürfen, für Sie beinahe acht Wochen vor dem offiziellen Verkaufsstart ARABELLA in unseren Los-Topf zu geben.

Im heutigen Adventskalender-Fensterchen verlosen wir 2 Mal eine DVD von ARABELLA – eine lyrische Komödie in drei Aufzügen von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Wenn Sie eine der zwei DVDs gewinnen möchten, schreiben Sie bitte heute eine E-Mail mit dem Betreff „Das 22. Fensterchen“ an advent@deutscheoperberlin.de.

Wien, um 1860. Der verarmte Graf Waldner lebt mit seiner Familie in einem Wiener Hotel. Der einzige Ausweg aus seiner prekären Lage ist eine reiche Heirat für eine seiner beiden Töchter. Doch reichen die Mittel der Familie nur, um die ältere der beiden, Arabella, standesgemäß zu präsentieren. Damit die finanzielle Notlage der Familie nicht auffällt, wird Zdenka, die jüngere Schwester, als Junge verkleidet. Zwar interessieren sich etliche Männer für Arabella, doch sie ist entschlossen, solange zu wartet, bis „der Richtige“ für sie auftaucht. Als der reiche Provinzadlige Mandryka erscheint, fühlen beide auf Anhieb, dass sie füreinander bestimmt sind. Arabella bittet sich lediglich aus, auf dem anstehenden Faschingsball ihren Junggesellinnen-Abschied feiern zu dürfen. Auf dem Ball verabschiedet sich Arabella von ihren Verehrern. Dort ist auch der junge Offizier Matteo, in den Zdenka heimlich verliebt ist und mit dem sie unter dem Deckmantel ihrer Verkleidung als Junge eine Freundschaft geknüpft hat. Matteo jedoch begehrt Arabella und ist verzweifelt, als er die Hoffnungslosigkeit seiner Liebe erkennt. Zdenka fasst einen Plan: Sie fingiert einen Brief Arabellas, in dem sie Matteo eine gemeinsame Liebesnacht verspricht. Doch stattdessen will sie selbst im Dunkel des Hotelzimmers auf ihn warten. Mandryka erfährt von Arabellas angeblicher Untreue und begibt sich mit den Ballgästen ins Hotel, um Arabella in flagranti zu überraschen. Die nichtsahnende Arabella ist von Mandrykas Misstrauen zunächst tief gekränkt. Doch als sich die Verwechslung klärt, verzeiht sie ihm. Die beiden werden ein Paar, ebenso wie Zdenka und Matteo.

Die opulente, vielstimmig funkelnde Orchestersprache von Richard Strauss und das historische Wiener Setting haben schon bei der Uraufführung von ARABELLA 1933 dazu geführt, dass diese letzte gemeinsame Arbeit von Strauss und Hugo von Hofmannsthal als operettenhafte Verwechslungskomödie missverstanden wurde. Für Tobias Kratzer, der an der Deutschen Oper Berlin bereits sehr erfolgreich Alexander von Zemlinskys DER ZWERG inszenierte, markiert Strauss’ Oper jedoch die Bruchstelle zweier Weltbilder: Auf der einen Seite das traditionelle Rollenbild von Mann und Frau, wie es sich unter anderem in Arabellas berühmtem Solo: „Und du sollst mein Gebieter sein“ ausdrückt. Auf der anderen Seite steht jedoch eine moderne Vorstellung des gesellschaftlichen Miteinanders, für die beispielsweise Zdenka in ihrem Infragestellen geschlechtlicher Identitäten steht. In seiner Arbeit leuchtet Kratzer diesen Zweispalt in den zahlreichen Charakterporträts der ARABELLA aus und verfolgt das Spannungsverhältnis dieser Rollenverständnisse vom Wien des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. In der Kategorie Raum wurden Manuel Braun, Jonas Dahl und Rainer Sellmaier für diese Produktion mit dem renommierten Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2023 geehrt.

Unter der Stabführung von Sir Donald Runnicles erleben Sie in dieser Aufzeichnung u. a. Albert Pesendorfer, Doris Soffel, Sara Jakubiak, Elena Tsallagova, Russell Braun, Robert Watson, Thomas Blondelle, Kyle Miller, Tyler Zimmerman, Hye-Young Moon, Lexi Hutton, Jörg Schörner u. a. sowie Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin. Es wurden die Vorstellungen am 18. und 23. März 2023 von rbb Kultur und Naxos für diese DVD aufgezeichnet.

Wir danken dem Label Naxos für die großartige Zusammenarbeit der letzten Jahre, die Aufnahmen von DER ZWERG, DAS WUNDER DER HELIANE, FRANCESCA DA RIMINI, DER RING DES NIBELUNGEN, DER SCHATZGRÄBER, DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG sowie ANTIKRIST dokumentieren. Im Laufe des Jahres 2025 erscheinen Richard Strauss‘ ARABELLA und INTERMEZZO.



Einsendeschluss: 22. Dezember 2024. Die Gewinner*innen werden am 23. Dezember 2024 per E-Mail informiert. Die DVDs gehen anschließend auf dem Postweg zu. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.