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Gesellschaftsversuch in actu - Deutsche Oper Berlin

Gesellschaftsversuch in actu

Ein Gespräch mit Regisseur Benedikt von Peter

Als Bertolt Brecht 1929 gemeinsam mit Kurt Weill AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY schrieb, befand Deutschland sich nicht nur in einer wirtschaftlichen, sondern auch in einer ideellen Krise, steuerte auf eine braune Diktatur zu. Warum heute dieses Stück spielen?

Benedikt von Peter Es ist verblüffend, wie viele Themen dieses Stück aufmacht, die in den vergangenen Jahren immer virulenter für uns geworden sind: Turbokapitalismus, Ressourcen-Ausbeute, Naturkatastrophen, Tendenz zu Autoritarismen. Viel zentraler aber noch sind die programmatischen Qualitäten: Brecht und Weill sprechen über das System, in dem wir leben, fragen danach, wie wir leben wollen und welche Werte jenseits einer ökonomischen Fixiertheit wirklich zählen. Das Stück ist ein „Gesellschaftsversuch in actu“ und es hat uns gereizt mit den Menschen, die ins Theater kommen, diese fiktive Stadt Mahagonny zu gründen, deren Niedergang nachzuvollziehen und dabei über ein WIR nachzudenken. Nicht zuletzt befragen Brecht und Weill mit ihrer „Anti-Oper“ die Oper als Genre. Die Frage nach dem „richtigen Theater“ wird mit der Frage nach dem „richtigen Leben“ kurzgeschlossen. Wie wollen wir leben? Wie wollen wir Theater machen?

Was ist diese „Stadt“ Mahagonny eigentlich? Nach welchen Regeln funktioniert sie? Wofür steht sie im Stück – wofür steht sie in deiner Interpretation?

Benedikt von Peter Mahagonny zeigt sich als klassische Sozialutopie. Brecht kompiliert und bearbeitet den archetypischen Bildervorrat: Zwischen „Paradiesstadt“, „Glückstadt“, „Goldstadt“ sampelt er Bilder, die sich der Stadt zuordnen sollen und eine Art literarische Fata Morgana entstehen lassen.

Schnell stellt sich aber heraus, dass Mahagonny im Kern gar kein gegenweltliches, utopisches Potential hat, dass in dieser Stadt die „Zivilis nicht geheilt“ wird, sondern sie genau denselben Gesetzen und Mechanismen unterliegt wie die Verhältnisse, aus denen die Glücks-Pilger nach Mahagonny gekommen sind. Die Stadt verschleiert diese schlimme Realität lediglich, verhilft zu politischer Betäubung und Amnesie. Mahagonny ist im ersten Teil keine Sozialutopie, sondern eher ein Hotel des Vergessens, eine Stillstell- und Illusionsmaschine, die darüber hinwegtäuscht, dass sich „immer noch nichts getan“ hat (wie Jim Mahoney es ausdrückt), in der zwar „Ruhe und Eintracht“ herrschen, wo es jedoch keinen existentiellen, keinen metaphysischen Halt gibt.

Spannend ist, dass Brecht und Weill die Gründungsgeschichte miterzählen, dass sie die Stadtgründung als einen theatralen Prozess ausstellen. Die Zuschauer*innen werden dadurch zu Mitbegründer*innen dieser Stadt, zu sehnsüchtigen Pilger*innen, die im Hotel des Vergessens ihrer Realität zu entfliehen versuchen. Mahagonny ist eben nicht nur diese fiktive Glücksstadt, sondern auch eine Metapher für die Institution des Theaters, in der das Publikum versucht, dem Alltag zu entkommen.

Die Kritik am materialistischen Denken, die Brecht und Weill thematisieren, scheint auf den ersten Blick abgegriffen und hölzern – doch das Stück geht viel tiefer.

Benedikt von Peter Absolut. Was mir wirklich erst bei den Proben in Fleisch und Blut übergegangen ist, ist die Erkenntnis, dass in Mahagonny ja eigentlich alles erlaubt ist, außer zu fühlen und zu lieben. Ich glaube, das ist die Kernbotschaft des Stückes. Deshalb gibt es außer den Arbeitern auch nur Prostituierte im Stück – was natürlich eine literarische Setzung ist. „Jenseits der ökonomischen Verwertung kann man sich an nichts halten“ ist die zugespitzte These der Autoren; und diese These wird sehr konsequent ausgeführt: Wenn Jenny und Jim sich zu Beginn anzunähern versuchen, liegt da ein enormes Gefühl drunter, aber sie finden nur materialistische Metaphern für ihre Liebe. Jim spürt, dass Gefühl und die kommerzielle Logik von Mahagonny nicht zusammenpassen – wird irgendwann fast wahnsinnig an diesem emotionalen Defizit: „Aber etwas fehlt!“ Er sucht nach einer Möglichkeit, anders zu leben, anders zu sein, nach etwas, was seinen – und unseren – existentiellen Mangel behebt. Damit geht er weit über eine bloße Kapitalmuskritik hinaus und prangert vielmehr unsere metaphysische Haltlosigkeit, das Fehlen einer Utopie, an.

Dieses Defizit hat zur Folge, dass Jim Mahoney den Kampf gegen das System Mahagonny eröffnet, ein Experiment in Gang setzt ...

Benedikt von Peter Ja, im zweiten Teil macht das Stück eine Kehrtwendung. Jim Mahoney hat sich bereits gegen die „Unphilosophie“ in Mahagonny verwehrt, als ihm der Sturm zu Hilfe kommt und die ganze Welt um Mahagonny zerstört. Literarisch zugespitzt haben wir es also plötzlich mit einer In-Vitro-Situation zu tun, in der die letzten Menschen in dieser Stadt überleben. Diesen Moment nutzt Jim, um eine gesellschaftliche Gegengründung zu starten: Er versucht, der Post-Sturm-Gesellschaft zu einem tieferen Sinn zu verhelfen. Wo wir im ersten Teil eine rein materialistisch fundierte Gesellschaftsgründung mitvollzogen haben, versucht es Jim nun mit einer ideellen, wenn auch nihilistischen: Wenn es keinen Halt, keine metaphysischen Konstanten (wie Liebe, Freundschaft, Gott) gibt, wenn uns der Sturm davon erzählt hat, dass es diesen Halt nie geben wird, dann lasst uns diese Haltlosigkeit zumindest ins Extrem treiben! Lasst uns die Zehn Gebote umdrehen und deren Gegenteil leben. „Denn wie man sich bettet, so liegt man“ ist ja nichts anderes als das Hohelied eines entfesselten Egoismus. Jim versucht also, die Sehnsucht nach Halt in einem apokalyptischen, negativ-sinnstiftenden und dennoch gefühlsbetonten Experiment zu beantworten. Er versucht, die Heilung der „Zivilis“, die Erlösung der Menschheit über ihre Zerstörung zu lösen. Nach und nach gehen Mahagonnys Bürger*innen in den Tod: Sie fressen sich zu Tode, sie lieben sich zu Tode, sie boxen sich zu Tode, sie saufen sich zu Tode. Ein kollektives Martyrium für eine Nicht-Idee, das immer wieder an eine satanische Messe erinnert.

Ein sehr apokalyptisches Unternehmen …

Benedikt von Peter Das Motiv einer Selbstauslöschung in der Hoffnung auf Erneuerung und Umsturz ist ein bekanntes und probates Motiv der Zeit. Die „Letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus ist nur ein Beispiel für eine Theorie der „Stunde Null“, in der sich die Menschheit durch Auslöschung auf eine bessere, andere Welt hin zubewegen soll.

Sicherlich ist dieses Denken aus der Zeit gefallen, vor allem weil es keine theoretisch gesicherte politische Alternative mehr zu geben scheint. Und auch, weil es systemisch in gefährlicher Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie des sogenannten `Tausendjährigen Reichs‘ steht. Dennoch: An das Projekt von Jim / Brecht / Weill knüpfen sich im dialektischen Sinn ganz traditionelle Sehnsüchte nach Erlösung und danach, dass die „Genesis der humanen Menschheit noch aussteht“ – wie Ernst Bloch es formuliert hat. In dieser apokalyptischen Grundierung stellt sich das Stück in eine Reihe mit Filmen von Lars von Trier, Marco Ferreris „Das große Fressen" oder auch der Literatur von de Sade.

Du hast für deine Inszenierung einen Zugriff gewählt, der raumgreifend, grenzüberschreitend, global ist. Der nicht nur das Stück, sondern auch das Theater, die Zuschauer*innen, das Sehen und das Rezipieren an sich thematisiert ...

Benedikt von Peter Uns interessiert in der räumlichen Umsetzung ein Schulterschluss zwischen den Darsteller*innen und den Zuschauer*innen, ein WIR, das sich über seine Hilflosigkeit in Bezug auf die letztgültigen und -möglichen Werte des Menschen verständigt. Wir wollen dieser kollektiven Therapie, die Brecht / Weill mit dem Stück vollziehen, eine Dringlichkeit, emotionale Direktheit und Verstehbarkeit geben, die alles vermeintlich Zeigefingerhafte hinter sich lässt.

Und gleichzeitig läuft für mich durch dieses dauernd spürbare Kollektiv, durch dieses WIR, eine Gegenutopie zum Stück mit. Wenn man so will, versuchen wir viel menschliche Wärme und kollektives Zusammensein im Vollzug eines Stückes zu praktizieren, das von der Unmöglichkeit menschlicher Wärme und kollektiven Zusammenseins erzählt.

Welche Rolle spielt innerhalb dieser räumlichen und formalen Setzung das Theater, das ja gewissermaßen zum Bühnenbild wird?

Benedikt von Peter Theater ist traditionell der Ort der gedachten Alternative, der Ort der Utopie und einer der letzten Orte, in dem sich Menschen noch versammeln. Nach Guy Debord ist dieser Ort der Versammlung verwaist, in der „Gesellschaft des Spektakels“ ist der Bürger zum fernen Zuschauer geworden, hat sich als Akteur verabschiedet.

In unserer räumlichen Setzung stellt sich zumindest die Frage, ob der Zuschauer zum Akteur wird, die Form lässt das ja potentiell zu. Jederzeit kann jemand „Halt“ rufen, so wie Jim Mahoney es auf seine Weise tut. Jederzeit trägt der Zuschauer (wie übrigens immer) Mitverantwortung für den gemeinsamen theatralen Moment, jederzeit wird seine Unschuld in Frage gestellt. Vielleicht entsteht ja aus dieser Form die Frage, wie lange wir noch zuschauen wollen.

Wie lässt sich eine solche Setzung überhaupt proben?

Benedikt von Peter Das Ganze ist in der Tat ein großes Unterfangen. Nicht nur weil die Szenen über weite Strecken dezentral organisiert sind, sondern vor allem, weil alle Beteiligten Dinge machen, die sie bisher anders gemacht haben. Dazu kommen die verschiedenen Gruppen: Solist*innen, Chor, der eigens gegründete Chor der Werktätigen, die Statist*innen, Kamerateams, die Kinder, das Vorderhaus- und Barpersonal. Und auch hinter der Bühne die Technik, die Disposition und viele weitere Abteilungen.

Eigentlich ist uns schon dadurch etwas Utopisches gelungen, dass so viele Menschen an einer Idee „des Anderen“ mitarbeiten und ich bin sehr berührt, dass die gesamte Deutsche Oper dieses Projekt möglich macht.

Nicht zuletzt ist ungewohnt, dass die Proben immer nur ein abstraktes Handeln darstellen. Denn die Aufführung entsteht erst durch die Zuschauer*innen, entsteht erst durch ein gemeinsames „Probe-Handeln“ – ganz so, wie Brecht es sich gewünscht hat.

Die Fragen stellte Sylvia Roth.

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