Eine Oper einfach mal andersherum aufbauen - Deutsche Oper Berlin

Eine Oper einfach mal andersherum aufbauen

Meist beginnt die Arbeit an einer Oper mit dem Text, dann entsteht die Musik, dann kommen Regie und Bühnenbild. In der Produktion von Barbara Ehnes und Karla Max Aschenbrenner jedoch ist all dies verkehrt. Das macht sie gerade so spannend.

Das Erste, was von einer Inszenierung entsteht, ist immer das Bühnenbild, lange bevor die Akteure überhaupt mit den Proben beginnen. Natürlich gibt es oft schon eine Partitur, einen Text oder eine Idee, die es zu verfolgen gilt. Doch wenn die Bühnenbildnerin Barbara Ehnes sich hinsetzt und ein Modell entwirft, ist sie stets die Erste, die dieser Idee Ausdruck verleiht. Sie schafft den Raum, den andere bespielen werden. Wenn sie mit ihrer Arbeit fertig ist, fängt die der Regie oft erst richtig an.

»Die Intensität ist für beide hoch«, sagt sie, »nur nicht zur gleichen Zeit.« Dass Bühnenbild und Regie ein jahre-, manchmal jahrzehntelanges Team bilden, aus Glück, dass jemand einem die Welten bauen kann, die jemand anderes vielleicht nur fühlt, ist nicht ungewöhnlich. Barbara Ehnes arbeitet immer wieder mit dem Regisseur Stefan Pucher zusammen, so wie Anna Viebrock mit Christoph Marthaler oder Bettina Meyer mit Barbara Frey. Dass eine Bühnenbildnerin auch Regie führt, wie Barbara Ehnes es nun an der Deutschen Oper Berlin tun wird, ist selten – wirkt für sie aber logisch. »Für das Bühnenbild muss ich ein Stück sowieso komplett durchdenken«, sagt sie. »Führe ich auch Regie, kann ich auf ganz andere Art radikal herangehen.«

So gesehen ist das Musiktheaterstück, das Barbara Ehnes zusammen mit Karla Max Aschenbrenner und den Komponisten Patrick Frank und Andreas Eduardo Frank für die Tischlerei entwickelt, ein Glücksfall. Es existiert nämlich noch nicht: Partitur, Text, Dramaturgie, Bühnenbild – alles weiße Blätter. Was es gibt, ist die Idee, dass es um den Kapitalismus gehen soll, diese alles durchdringende Maschine, ohne die wir uns ein Leben gar nicht mehr vorstellen können, obwohl das so dringend nötig wäre. Uns fehlt nur ein Bild, wie das aussehen könnte.

 
Modelle des nachhaltigen, von japanischen Meistern inspirierten Bühnenbilds, das Barbara Ehnes für ihr kapitalismuskritisches Stück entwickelt. Im Zentrum: der Mensch, umgeben von Bambusstangen, die mit Seilen verknotet sind © privat
 

Barbara Ehnes hat für ihre Bühnen mit verschiedensten Materialien gearbeitet, von riesigen Videowänden bis zu Pilzgeflecht, das mit einer Nährlösung gefüttert werden musste und nach der Aufführung kompostierbar war. Mit Bambus noch nie. Das Material hat sie für sich entdeckt, als sie vor drei Jahren in Tokio arbeitete – und das Handwerk eines »Rope Masters« kennenlernte. Ein Seiler, der aus Bambusstangen und Schnüren belastbare Alltagskonstruktionen baut, die sich wieder aufknoten lassen. Das hat sie fasziniert. Die Bühne, die sie für das Kapitalismusstück entworfen hat, besteht aus sechs zeltartigen Gestängen aus Bambus, die sich um eine Mitte gruppieren wie die Häuser eines Dorfes um einen Markt. Sie lassen sich aber auch zu einem Hexagon zusammenstellen wie eine Wabe. Dorf und Wabe – beides Zellen nachhaltiger Organismen. Zusammengehalten wird die ganze Konstruktion durch Seile und Schnüre, damit sie sich an wechselnde Umgebungen anpassen kann – der Kapitalismus macht es genau umgekehrt. Wobei die wechselnden Umgebungen in diesem Fall so unterschiedliche Räume wie die Muffathalle in München, das Theater Basel und die Tischlerei sind, für die das Stück entsteht. Ideen schwirren im Raum herum, ein Titel ist noch nicht gefunden, aber die Arbeit hat wieder mit einem Bühnenbild begonnen.

 

Text: Marcus Jauer. Der Journalist schreibt Reportagen und Essays für die ZEIT und das Magazin der Süddeutschen Zeitung und ist Co-Autor der Nachhaltigkeitsbestseller von Maja Göpel

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