Pink Power für Puccini - Deutsche Oper Berlin

Zu IL TRITTICO

Pink Power für Puccini

Erinnern Sie sich? In GREEK schickte Pınar Karabulut blaue Zentauren über unser Parkdeck. Nun inszeniert die Regisseurin mit Puccinis IL TRITTICO ihre erste Oper auf der großen Bühne. Es wird bunt

Sie trägt Pink und Schwarz. Das passt, der pinke Kapuzenpulli zu ihrer vibrierenden Fröhlichkeit, die schwarze Samthose zu ihrer anderen, der femininen, aber auch verletzlichen Seite.

Pınar Karabulut ist 35 Jahre alt. Sie ist in Deutschland geboren und findet, sie gehört dazu in diesem Land. Doch immer wieder, sagt sie, werde ihr gezeigt, dass das nicht so ist. Karabulut wurde Theater- und Opernregisseurin, obwohl Leute, viele vom Typ alter weißer Mann, ihr abrieten, zu große Ziele zu verfolgen. »Du hast keine Geschichten zu erzählen, ich sehe dich eher in der Verwaltung«, sagte ein Dramaturg. »Du wirst nie in München inszenieren, geh lieber ans Ballhaus Naunynstraße«, ein anderer. »Und ja, das war rassistisch gemeint«, sagt sie. Die letzten drei Jahre gehörte sie zum Leitungsteam der Kammerspiele in München. »Ich hatte das Glück, dass mich das alles nicht eingeschüchtert hat, weil ich von Natur aus ein Jetzt-erst-recht-Typ bin. Aber ich kenne viele junge Frauen, die so ein Verhalten einschüchtert. Nicht nur der Rassismus daran, auch der Sexismus.«

Selbstbewusst, voll Witz und Ironie, hellwach für Anzeichen sozialer Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Die 35-jährige Regisseurin gehörte die letzten drei Jahre zur Leitung der Münchner Kammerspiele © Julia Sang Nguyen, Art Direktion Bild: Anja Haas
 

Es ist Kuchenzeit. Wir sitzen in einem Café in München-Schwabing, das für seinen American Cheesecake berühmt ist. Pınar Karabulut trinkt grünen Eistee und sagt: »Das Schöne an dieser kleinen Welt ist: Man sieht sich ja immer zweimal im Leben.«

Es war ein steiniger Weg, so sagt sie es, bis sie mit ihrer ersten eigenen Arbeit zum Münchner Theaterfestival Radikal Jung eingeladen wurde. 2015 war das, die Inszenierung hieß INVA[1]SION. Karabulut war damals Regieassistentin am Schauspiel Köln, und sie musste, erzählt sie, im Gegensatz zu den anderen Regieassistent*innen ein Jahr kämpfen, damit sie ihr eigenes Stück inszenieren durfte. Als sie nach München eingeladen wurde, hieß es, klar wirst du eingeladen, du bist ja Türkin.

Radikal Jung zeigt jedes Jahr die besten Arbeiten junger Regisseur*innen, es war also eine echte Auszeichnung. Dreimal wurde sie eingeladen, ein kleiner Rekord. Es wurde leichter, ja, aber so richtig leicht wurde es nicht. Ihr fällt kein Job ein, außer vielleicht an der Oper, wo sie keinen Rassismus und Sexismus erfahren hätte. »Man muss sich als Frau so viel anhören, wenn man einen Job kriegt, das hat sich kaum verändert. Nur: Jetzt sagen sie es mir wenigstens nicht mehr ins Gesicht.«

Denn jetzt ist sie erfolgreich. Sie hat an großen Häusern inszeniert, am Schauspiel Köln, an der Volksbühne, am Volkstheater in Wien, in Zürich, Basel und auch am Maxim-Gorki-Theater.

Dessen Intendantin Shermin Langhoff leitete vorher das Ballhaus Naunynstraße, schon dort hatten die meisten Schauspielerinnen und Schauspieler im Ensemble Migrationshintergrund, das Konzept führte sie im Gorki fort. Nach einem Jahr unter ihrer Leitung wurde das Gorki vom Magazin »Theater Heute« zum Theater des Jahres gewählt. »Da dachten alle plötzlich, oh, wir müssen eine Person mit Migrationshintergrund am Theater haben, sonst werden wir keinen Erfolg mehr haben«, sagt Pınar Karabulut: »Aber das ist nicht Toleranz. Das ist Strategie.«

Karabulut wuchs in Mönchengladbach auf, entdeckte dort das Theater, zog nach München, um Regie zu studieren, assistierte dabei an den Kammerspielen. »Das erste Gehalt, das ich als Assistentin bekam, waren 500 Euro. Ich fühlte mich reich, bis ich erfuhr, dass alle anderen 1.500 Euro kriegen.« An dieser Stelle dürften sich manche fragen, wann es aufhört mit dem Gegenwind in diesem Porträt. Aber es werden sich auch spätere Geschichten über sie noch um Diskriminierung drehen, weil es die Wirklichkeit ist. Das Spannende an dieser Ausnahmekünstlerin ist, was sie aus diesen, sagen wir es mal unverblümt, ekelhaften Dingen macht: Sie verwandelt sie in positive Energie. Statt zu verzagen, baut sie auf. Statt zu fliehen, greift sie an. Und das auf unfassbar unterhaltsame Art.

IL TRITTICO ist erst die zweite Operninszenierung Pinar Karabuluts. Doch scheinen beide wie geschaffen füreinander. Kaum eine Farbe und Temperatur, die Puccini in seinem Triptychon auslässt © Julia Sang Nguyen, Art Direktion Bild: Anja Haas
 

Auch im Gespräch hat sie diese Kraft, gute Laune, Furchtlosigkeit. »Ich möchte ja längerfristig«, sie zögert, »oder kurzfristig«, sie lacht, »Intendantin werden. Ich glaube nicht, dass die Arbeitsbedingungen so sein müssen, wie sie sind. Und wenn ich nach fünf Jahren sagen muss, okay, ihr hattet alle recht, wir müssen rassistisch und weiß und männlich sein, dann glaube ich das. Ich muss es nur selbst erlebt haben.«

In Köln inszeniert sie 2018 ROMEO UND JULIA. Männer kommen kaum vor, Frauen sind stark. Eine Amme trägt einen roten Minirock, flirtet. Die Julia liebt mit Leidenschaft, kommt aber auch gut ohne Mann aus. »Nachtkritik« schrieb: »Romeo und Julia handelt ein bisschen von der Liebe, vor allem aber vom Tod, und es ist erstaunlich, mit welcher Konsequenz die junge Regisseurin Pınar Karabulut das Thema angeht, ohne Schnörkel, anscheinend auch ohne Erschrecken vor der Eiseskälte einer Welt, in der die Hitze dieser Leidenschaft erstarrt wie ein Stückchen Blei in einer Wasserschüssel.« Nun taucht sie in die Oper ein, inszeniert nach dem comichaften GREEK ihre zweite Oper, Puccinis IL TRITTICO, mehr klassische Oper geht nicht, und diese Welt empfindet sie als wärmer. Hier geht es um die großen Gefühle. Keine Angst vor Kitsch, Pathos. »Die Musik, besonders bei Puccini, geht gleich dramatisch los, es ist direkt all in.« Als noch Studierende, saß sie in der Bayerischen Staatsoper, LA TRAVIATA: »Die Ouvertüre ging los, und der Mann neben mir hat sofort angefangen zu weinen. Die Musik hat ihn so berührt.« Sie muss Dinge nun ganz anders machen, das reizt sie. »Die Musik gibt die Zeit vor.

Ich stehe mit der Stoppuhr da und gucke, ich habe eine Minute 26 ohne Gesang, wie kann ich die Bilder erzählen, das ist fast mathematisch. Ich will ja, dass die Sängerinnen und Sänger Theater spielen, sich verausgaben. Aber wenn sie sagen, etwas sei zu körperlich, so können sie nicht singen, muss ich mir ein neues Bild überlegen.«

Auch in IL TRITTICO wird Karabulut die Geschichte nicht verändern, kann nicht wie am Theater sagen, eine Frau gehe fremd mit einer Frau statt einem Mann, sie kann das Stimmfach nicht ändern. »Aber ich kann fragen, was ist passiert, dass sie sich nicht mehr lieben? Sie haben ein Kind verloren, aufgehört, miteinander zu sprechen.« Eine Kapelle wird aussehen wie das Berghain, die Seine ist ein Wasserbecken, Nonnen werden nicht schwarz-weiß tragen, sondern futuristisch aussehen, »es wird schon ein bisschen crazy«, sagt Pınar Karabulut und lacht.

 

Gabriela Herpell ist Redakteurin beim Süddeutsche Zeitung Magazin und interviewt mit Vorliebe Theatermenschen

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