Susan Graham - Deutsche Oper Berlin
Sechs Fragen an
Susan Graham
Susan Graham singt die finale Arie der Dido in Berlioz’ Grande Opéra LES TROYENS im Rahmen des Sonderkonzerts zum Musikfest Berlin. Wir stellen der amerikanischen Mezzosopranistin sechs Fragen
Sonderkonzert – Musikfest Berlin in der Philharmonie
Beethoven: Ouvertüre zu „Coriolan“
Berlioz: „La mort de Cléopâtre“ sowie
Auszüge aus LES TROYENS
Dirigent: Donald Runnicles
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Solist*innen: Alice Coote, Susan Graham, Klaus Florian Vogt
Konzertante Vorstellungen kommen ohne Inszenierung, ohne Bühnenbild und Kostüme aus. Wie erzeugen Sie „Oper im Kopf“?
Ich habe diese Rolle so oft gesungen, dass sie in mir gespeichert ist – sobald ich singe, macht mein Körper automatisch mit. Das ist jedesmal eine irre Freude, wie das geht! Die Emotionen sind für mich dieselben. Ich versuche, in dieser kurzen Zeit so viel von Didos psychischem Zustand zu vermitteln wie möglich.
Ihre größte Herausforderung?
Mein Jetlag! Nein, im Ernst: Berlioz war ein Genie, er kreiert genau die richtige Atmosphäre zur richtigen Zeit – und nimmt mir damit die meiste Arbeit ab. Ich muss einfach nur auf dieser Welle reiten.
Ihr schönster Moment?
In der Arie blickt Dido auf ihr Leben zurück, auf die Freuden, auf ihre Zeit als Königin von Karthago und darauf, wie ihre Macht nun zu Ende geht. Sie spürt Ehre und Dankbarkeit, Liebe für ihr Land und ihre Leute. In meinem Alter, mit Ende Fünfzig, ist es einfach, diesen Gedanken nachzuspüren, denn ich selbst blicke mit viel Freude zurück.
Berlioz’ LES TROYENS umfasst vier Stunden, gilt als irrwitzig, fast größenwahnsinnig. Wie versetzen Sie sich auf der nackten Konzertbühne in die passende Stimmung?
Der einzige Trick ist, komplett in den Text und die Musik einzutauchen. Ich frage mich: Wie würde ich, Susan, in Didos Situation reagieren? Mein Ziel bei konzertanten Vorstellungen ist immer, alle Facetten eines Werkes auszudrücken – und die einzige Chance dazu ist, mich komplett dieser Musik hinzugeben und mein gesamtes Wesen in diese Arien hineinzulegen. So wahrhaftig und ehrlich, wie ich kann.
Berlioz hat – anders als andere Komponisten – Musik nicht auf dem Klavier gelernt, sondern auf der Gitarre. Wie hat das seine Werke geprägt?
Vieles an seiner Musik ist sehr rhythmisch, fast stoßend – fast in einem barocken Sinne. Für mich ist Berlioz wie Gluck auf Steroiden. Beide Komponisten – der Barock-Komponist Christoph Willibald Gluck und der Romantiker Hector Berlioz – haben dieses zwingende Vorwärtsstreben in ihrer Musik, das einen hineinzieht in die Geschichten, die sie erzählen.
Was ist schöner: Opera all-included? Oder purely musically?
Ich liebe all das theatrale Äußere, das Oper mit sich bringt, das Drama, das Bühnenbild, die Kostüme, die Beleuchtung. Gleichzeitig liebe ich es, Teile dieser großen Inszenierungen aus dem Kontext zu nehmen und sie konzertant zu präsentieren. Denn in diesem Rahmen entsteht eine große Intimität mit dem Publikum. Nichts lenkt ab von meiner Stimme, nicht lenkt ab von der Musik. Der vollen Opernerfahrung gehört mein Herz – und dies Gefühl transportiere ich auch in die konzertanten Abende.