Etienne Dupuis und Nicole Car: Unser Seelenort ... Ein Haus in Paris im 20. Arrondissement - Deutsche Oper Berlin
Etienne Dupuis und Nicole Car: Unser Seelenort ... Ein Haus in Paris im 20. Arrondissement
An der Deutschen Oper verliebten sie sich. Nun steht das Ehepaar Dupuis/Car in SIMON BOCCANEGRA wieder auf unserer Bühne
Der Seelenort von Nicole Car und Etienne Dupuis ist ihr Haus in Paris. »Unser Zuhause«, wie die beiden sofort präzisieren. Die Sopranistin ist Australierin, der Bariton stammt aus Quebec, Kanada. Gemeinsam leben sie im 20. Arrondissement; »La Campagne à Paris« heißt das Viertel, ein Dorf mitten in der Großstadt. »Drei Straßen und exakt 67 Häuser«, sagt Car. Gegründet wurde das »Paris auf dem Lande« Anfang des 20. Jahrhunderts als Genossenschaftsprojekt, es wurde zum Künstlerviertel und ist heute schwer begehrt. Die Straßen sind autofrei, die Zeit scheint stehen geblieben, immer wieder dient die Gegend als Filmkulisse.
Die beiden zogen vor zwei Jahren mit ihrem kleinen Sohn hierher. »Wir hatten Glück«, erzählt Dupuis, »die Vorbesitzer wollten die Tradition des Viertels wahren und nur an Künstler verkaufen. Und am liebsten an eine Familie, weil sie im Haus selbst vier Kinder großgezogen haben.« Anfangs waren die Nachbarn misstrauisch, so Car: »Wir haben viel renovieren lassen, sie hatten Angst, wir seien Investoren, die umbauen und verkaufen wollen.« Weit gefehlt. »Das alte Haus, der Charme der Gegend, das sind wir«, ergänzt Dupuis, »als Opernsänger lieben wir das Alte!«.
Es war Nicole Car, die nach Paris ziehen wollte. Die Australierin zog es nach Frankreich – um die Sprache zu lernen, auch um sich mit Etiennes Eltern besser verständigen zu können. Etienne hätte auch Berlin gefallen. Hier haben die beiden sich kennengelernt, vor zehn Jahren, als Dupuis an der Deutschen Oper Berlin als Posa in DON CARLO debütierte. Zugleich standen am Haus Proben für Pjotr I. Tschaikowskijs EUGEN ONEGIN an. Er sang Onegin, Car war als Tatjana engagiert. Als höfliche Kollegin fragte sie Etienne, wie sein Debüt gelaufen sei. Er antwortete: »Ich habe gesungen wie ein Gott!«. Car textete damals einem Freund: »Das Ego dieses Onegin ist erstaunlich…«. Sie und Dupuis lachen sich an. Man merkt, die Geschichte zählt zu ihrem Anekdotenschatz. »Es war vielleicht nicht Liebe auf den ersten Blick«, erzählt Car, »aber es hat auch nicht lange gedauert.« An einem freien Tag, dem 1. Mai, verabredeten sie sich zum Spaziergang, und aus der geplanten einen Stunde wurden sieben. »Und danach«, so Car, »gab es keine freie Minute, die wir nicht miteinander verbrachten.«

Genau dies wird für das Sängerpaar immer schwieriger. Beide reisen als gefragte Opernstars permanent um die Welt. Ihre Agentur stimmt die Engagements bestmöglich auf die Familienbedürfnisse ab. Dennoch ist gemeinsame Zeit selten. »Letztes Jahr war meist einer von uns bei unserem Sohn in Paris, so dass er einen normalen Schulalltag hatte«, erzählt Dupuis, »leider haben wir darüber aus dem Blick verloren, dass wir selbst kaum zusammen waren«. Nicole Car ergänzt: »Wir haben uns eigentlich nur noch die Taxitür in die Hand gegeben.«
Entsprechend freuen sie sich, bald in Berlin Zeit miteinander zu verbringen. In Verdis SIMON BOCCANEGRA stehen sie als Vater und Tochter auf der Bühne, »mit dem wohl schönsten Duett für Sopran und Bariton«, sagt Dupuis. Proben sie die Partien gemeinsam zuhause? »Nein, dafür arbeiten wir zu unterschiedlich«, sagt Car. Die Sopranistin studiert die Rolle mit Klavierbegleitung und Coaching ein – im dafür eingerichteten Studio im Keller des Hauses. Der Bariton setzt sich in den Salon, in seinen Lieblingssessel, schlägt die Partitur auf und lernt. Die Vertrautheit, die sie als Paar haben, entsteht auch auf der Bühne. »Das Publikum spürt es«, so Dupuis. »Wir lassen uns vollkommen aufeinander ein und merken anhand der kleinsten Kleinigkeit, wie es dem anderen geht.«
Der Bariton debütiert in der Rolle des Simon Boccanegra. Er spielt einen Politiker, der eine Tochter zeugte, aber ihr erst am Ende seines Lebens begegnet. »Ich liebe Opern mit psychologischen Bögen«, sagt Etienne Dupuis. »Ich kann den Weg eines Mannes gehen, vom Höhepunkt seiner Macht bis zum Punkt tiefster Verletzlichkeit, kurz vor seinem Tod.«
Nicole Car singt die Rolle der Amelia, die als Findelkind unter dem Namen Maria aufwuchs und als junge Frau Boccanegra heiraten soll – bevor dieser in ihr seine Tochter wiederfindet. Die Sopranistin kennt die Partie bereits, »aber, dass es diesmal mein Ehemann ist, den ich in seinen Tod begleite, ist eine Herausforderung«, sagt sie, »das wird bewegend.«