Timing ist alles II - Deutsche Oper Berlin
Timing ist alles II
Antonello Manacorda dirigiert Albert Lortzings ZAR UND ZIMMERMANN. Wir haben ihn gefragt, was an Lortzing heute noch lustig ist und wie Humor in der Oper entsteht. Und natürlich, wer den besseren Humor hat: Deutsche oder Italiener?
Herr Manacorda, Sie sind Italiener, leben seit 25 Jahren in Berlin, dirigieren bald einen komischen deutschen Klassiker. Wie lustig sind die Deutschen?
Eine meiner ersten Entdeckungen, als ich nach Deutschland kam, war euer großer Komiker Loriot. In Italien kennen wir ihn nicht, leider. Ich fand ihn einmalig, war sofort begeistert. Ich bin riesiger Fan geworden und kenne heute alles von ihm. Das weit verbreitete Klischee, dass Deutsche keinen Humor haben, ist für mich widerlegt. Loriot hat feinen Witz und perfektes Timing. Und er konnte übrigens sehr humorvoll und klug über Oper sprechen, oft tat er das in der Deutschen Oper Berlin. Humor lebt an diesem Haus und auch ZAR UND ZIMMERMANN war hier viele Jahre lang erfolgreich. Jetzt wollen wir diese zu Unrecht vergessene Oper wiederbeleben.
Was ist an ZAR UND ZIMMERMANN heute noch lustig?
Die gesamte Oper spielt mit Identität und mit Klischees. Schon das Setting ist verrückt: Ein Russe geht nach Holland und verkleidet sich, um nicht als Zar erkannt zu werden. Stellen Sie sich vor, Putin steckt in der Verkleidung, dann haben Sie eine Ahnung davon, wie grotesk das damals wirkte. Grundsätzlich geht es um das Fremde. Heute macht uns das Fremde oft Angst, politisch wird es ja oft benutzt. Diese Oper macht es anders, sie nimmt das Fremde auf die Schippe, überzeichnet die Klischees. Die Holländer lieben Käse, die Russen sind mächtig und geheimnisvoll, die Briten elegant und steif. Lauter Klischees, aber liebevoll dargestellt.
Wie dirigiert man, damit Komik entsteht?
Man muss die Artikulation übertreiben, ganz leicht. Denken Sie wieder an Loriot: Wenn er etwas plakativ darstellen wollte, in einem Witz, sprach er ein wenig übertrieben, zu langsam, oder zu schnell, aber immer nur ganz fein. Nie zu viel. Wenn ich das mit der Musik mache, inszenieren wir auch im Graben den Humor, nicht nur oben auf der Bühne. Die Musik verstärkt immer den Text. Wenn der Text ironisch ist, kann ich ein Ritardando – eine Passage, in der die Musik langsamer wird – auch ironisch spielen, etwas überzogen oder schleppend. Sollte der Sprachwitz auf der Bühne gerade über Schnelligkeit funktionieren, darf das Orchester auch ein bisschen hastig klingen.
Wie unterscheiden sich italienischer Humor und deutscher?
Oh, ich glaube, da gibt es große Unterschiede. Deutscher Humor ist näher am englischen, er ist indirekter. Man hält sich mehr zurück, spricht manches extra nicht aus, es gibt mehr Ebenen und Schichten. Jedenfalls mehr als bei uns, der italienische Humor ist offensichtlicher, wir gehen sehr direkt auf den Witz zu. Und wie immer – wir reden viel zu viel!
Wie entsteht Humor in der Oper?
Es muss schief sein. Oder etwas muss schief gehen, Pleiten, Pech und Pannen. Manchmal trifft es einen direkt. Ich habe unlängst in Paris eine sehr ernste Oper dirigiert. An einem Abend gab es zahlreiche Unfälle, erst ging der Vorhang nicht auf, dann bekam ich ein rotes Licht am Pult, wir spielten aber schon, alles ging durcheinander. Die Sängerin fing an, dann ging der Vorhang doch auf, es war wie Slapstick. Wir mussten sehr lachen, im Orchestergraben. Aber, draußen im Saal saßen knapp 3.000 Menschen, die haben nichts gemerkt.