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Vom Schauspiel zum veristischen Musiktheater: Umberto Giordanos „Fedora“ - Deutsche Oper Berlin

Vom Schauspiel zum veristischen Musiktheater: Umberto Giordanos „Fedora“

Ein Essay von Hans-Joachim Wagner

Umberto Giordano zählt mit Pietro Mascagni, Ruggero Leoncavallo, Francesco Cilea und Giacomo Puccini zur „Giovane scuola italiana“ – zu jener Komponistengeneration also, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit dem Anspruch an die Öffentlichkeit trat, in der Nachfolge von Giuseppe Verdi und in innerer Auflehnung gegen die herrschenden Konventionen dem zeitgenössischen italienischen Musiktheater erneut internationale Geltung zu verschaffen. Der Popularität des französischen Drame lyrique eines Jules Massenet und Charles Gounod galt es dabei ebenso zu begegnen wie dem deutschen Musikdrama eines Richard Wagner. 

Wesentliche Voraussetzung für diesen Erneuerungsprozess war eine intensive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen in der aktuellen Literatur und somit eine grundsätzliche Aufwertung des Librettos als zentralem Bestandteil des musiktheatralen Ereignisses.

 

Ein erster Meilenstein

Pietro Mascagni gab mit seinem Einakter CAVALLERIA RUSTICANA den Weg vor, als er sich mit den Librettisten Giovanni Targioni-Tozzetti und Guido Menasci entschied, eine im Musiktheater der Zeit gänzlich neuartige literarische Quelle zu nutzen: Man fand die Textvorlage bei Giovanni Verga, der als Hauptvertreter des Verismo in Italien gilt; einer Variante des Naturalismus, welche die italienischen Provinzen und deren Menschen in den Mittelpunkt rückt, sich gesellschaftlichen Randbereichen öffnet und insbesondere die Differenz moralischer und religiöser Mentalitäten problematisiert. Pietro Mascagni entwickelte auf der Grundlage einer produktiven Rezeption des literarischen Verismo eine Dramaturgie, die das italienische Musiktheater nachhaltig prägte: harte Schnitte und schroffe Kontraste, eine Verknappung und Intensivierung der Konflikte und Spannungen; die Auflösung tradierter musikalischer Formen angesichts einer alles dominierenden Gefühlsemanation in eine Folge kontrastierender Segmente; die Ausdifferenzierung der Gesangslinie, die kleinsten Gefühlsnuancen nachzuspüren vermag und sich andererseits dem Sprechen annähert; schließlich die Nutzung von Klängen der Realität wie (Volks-)Lieder und Tänze, religiöse Tonfälle wie Choral und Orgelklang und deren Einbindung als Anspielungen oder direkt erkennbare Zitate in einen musikalisch avancierten Tonsatz. Angesichts dieses Innovationspotenzials avancierte CAVALLERIA RUSTICANA zum Prototyp der veristischen Oper.

Das Werk ging 1888 als Sieger aus einem Wettbewerb hervor, den der Mailänder Musikverleger Edoardo Sonzogno ausgelobt hatte. Auch Umberto Giordano war an dieser Ausschreibung beteiligt: Sein Opernerstling MARIANA belegte den sechsten Rang unter 73 Einreichungen – Grund genug für den Verleger, sich näher mit dem jungen Komponisten zu beschäftigen. Sonzogno erkannte die Begabung Giordanos und erteilte ihm den Auftrag für die Oper MALA VITA [1892]. Das dreiaktige Melodramma knüpft in vielfacher Hinsicht an CAVALLERIA RUSTICANA an. Basierend auf den Scene populari von Salvatore Di Giacomo vergegenwärtigt es die Lebensumstände der Arbeiterschaft in Neapel sowie das Schicksal der Prostituierten Cristina, die an einer korrumpierten Moral und religiösen Scheinwelt zu zerbrechen droht. Aus diesem dezidiert zeitgenössischen Stoff bezog Umberto Giordano die Inspiration für eine singuläre Dramaturgie: Die klassische Abfolge von in sich geschlossenen musikalischen Nummern wird von einer szenischen Bildhaftigkeit überblendet; in weit stärkerem Maße als Pietro Mascagni oder auch Ruggero Leoncavallo nutzt er zitierte Volkslieder und Tonfälle, um der Handlung klanglich ein realistisches Fundament zu geben, und schließlich prägt er in MALA VITA mit dem extensiven Einsatz des musikalischen Dialogs und des Chores zwei für sein weiteres Schaffen zentrale Merkmale aus.

 

Langes Ringen um Sardous „Fédora“

Der Beschäftigung Umberto Giordanos mit der Literatur des Verismo, die sich später in Arbeiten wie MARCELLA und MESE MARIANO noch vertiefen sollte, ist indessen ein anderer literarischer Bezugspunkt vorgeschaltet. Im Jahr 1885, d.h. als Achtzehnjähriger, hatte Giordano am Teatro Sannazaro in Neapel eine Aufführung des Schauspiels „Fédora“ von Victorien Sardou besucht. Er war tief beeindruckt von der Interpretation der Titelpartie durch Sarah Bernhardt, die das Stück drei Jahre zuvor in Paris zur Uraufführung gebracht hatte. Wenig später nahm Giordano Kontakt zu Sardou auf, doch der Schriftsteller lehnte eine Freigabe seines Dramas für eine Vertonung durch den unbekannten Komponisten ab. Das Vorhaben blieb dennoch virulent. Kurz nach der römischen Uraufführung von MALA VITA und noch vor der Premiere der nächsten Oper REGINA DIAZ im März 1893 wandte sich Giordano mit Unterstützung seines Verlegers Edoardo Sonzogno erneut an Victorien Sardou – diesmal verlangte der Schriftsteller für eine Vertonung seines Stückes ungeheure Tantiemen. Aber Giordano ließ von seiner Idee nicht ab, zumal er „Fédora“ zwischenzeitlich auch mit der italienischen Tragödin Eleonora Duse erlebt hatte und nun vollends von der theatralen Wirkungsmacht des Dramas überzeugt war. Nach dem Sensationserfolg von ANDREA CHENIER 1896 am Teatro alla Scala und der raschen internationalen Verbreitung der Oper gab Victorien Sardou sein Theaterstück schließlich am 1. Oktober 1897 für eine Vertonung unter akzeptablen Bedingungen frei. Zwölf Jahre beschäftigte sich Umberto Giordano mit Sardous „Fédora“, während sein Opernschaffen kompositorisch das gesamte Spektrum des musikalischen Verismo von der Zeitgenossenschaft in MALA VITA bis zur Historie in ANDREA CHENIER erprobte. Und man greift nicht zu kurz mit der Behauptung, dass erst dieser Erfahrungsschatz die gelingende Vertonung der Schauspielvorlage garantierte.

 

In permanenter Spannung

Edoardo Sonzogno beauftragte den Journalisten, Lyriker und Romancier Arturo Colautti mit der Umarbeitung von „Fédora“ zu einem Libretto. Colautti kondensierte die vier Akte der literarischen Vorlage auf drei, strich zahlreiche für den Gang der Handlung sekundäre Figuren und griff radikal in den ausschweifenden Konversationsstil Sardous ein. Den grundsätzlichen Dialogcharakter der Vorlage aber ließ er unberührt, so dass mit einem stets vorwärtsdrängenden Wechsel von Rede und Gegenrede ein stringentes, in Prosa abgefasstes und an der gesprochenen Sprache orientiertes Libretto entstehen konnte. Darüber hinaus – und das ist zentral für die musikhistorische Position von Giordanos FEDORA – destillierte Colautti aus der literarischen Vorlage ein Libretto, das in seiner dramaturgischen Struktur dem Schauspiel folgt: Sardous „Fédora“ ist ein „Pièce bien faite“, und die Oper FEDORA bleibt diesem Genre des Sprechtheaters bis ins Innerste verpflichtet.

Im Zentrum der Dramaturgie steht die Strategie des „suspense“. Zu jedem Zeitpunkt der Handlung arbeitet die Oper mit einer zuweilen weitreichenden Differenz im Informationsstand zwischen Publikum und einzelnen Figuren des Bühnengeschehens, um daraus den Impuls für einen permanenten Spannungsaufbau zu gewinnen. Während das Publikum beispielsweise von Beginn an weiß, dass Wladimiro einzig aus finanziellen Erwägungen die Heirat mit Fedora vorantreibt, erfährt diese erst im „Dénouement“ am Ende des zweiten Aktes von der Affäre ihres Verlobten mit der Frau von Loris. Durch diese „Enthüllung“ erscheint ihr Racheschwur nun in einem völlig anderen Licht. Den Höhepunkt des „Pièce bien faite“ bildet am Ende der Oper die logische Auflösung der „suspense“-Strategie, wenn Loris mit dem Tod Fedoras erkennt, dass sie die Urheberin der gegen ihn gerichteten Intrige ist.

 

Veristische Dramaturgie

Die singuläre Qualität von FEDORA liegt darin begründet, dass Giordano die Dramaturgie des „Pièce bien faite“ mit den Verfahren seines veristischen Komponierens aufs Engste verbindet. Im ersten Akt entwickelt er aus den kunstvoll arrangierten Auf- und Abgängen der Figuren und dem raschen Wechsel von rezitativischen und erzählenden Passagen eine permanente Kontrastierung kleinster musikalischer Abschnitte. Zum Höhepunkt der Handlung am Aktschluss – Fedoras Racheschwur auf das Kreuz ihrer Mutter – formuliert Giordano einen typisch veristischen Religioso-Ton aus, der sich in einem harmonisch und melodisch schlicht gestalteten Orchestermotiv manifestiert und dem im Verlauf der Oper leitmotivische Funktion zukommt.

Der zweite Akt folgt geradezu paradigmatisch den Prinzipien der veristischen Dramaturgie. Sowohl das eröffnende „Tempo di Valzer brillante“ als auch das „Tempo di Polacca“ verweisen im Sinne zitierter Tonfälle auf den Tanz; die „Canzonetta Russa“ von De Siriex als Hymne auf die russischen Frauen rekurriert in Melodik, rhythmischer Gestaltung und Instrumentation auf russische (Volks-)Musik, während Olga mit der „Canzonetta Francese“ in ironischer Manier das Temperament des Pariser Mannes besingt. In diesem Gefüge der musikalischen Zitate und Anspielungen erweist sich die kurze, lyrisch-kantable Arie „Amor ti vieta“ von Loris Ipanov als exterritoriale Gefühlsemanation, die den übergreifenden Gestus des Festes unterbricht. Im Moment höchster Spannung tritt Olga auf und bittet Fedora, dass der polnische Pianist Lazinski mit seinem Spiel beginnen kann. Das Orchester schweigt, der Pianist hebt mit einem Notturno im Stil der Salonmusik des 19. Jahrhunderts an. Die sich in bloßer Virtuosität entfaltende Etüde bildet den musikalischen Widerpart zur emotionsgeladenen Auseinandersetzung zwischen Loris und Fedora, so dass sich hier zitierte Musik und emphatischer Gesang als die beiden Charakteristika veristischen Komponierens simultan überlagern. Dramaturgisch konsequent fällt die Klimax des Streitgesprächs mit dem Höhepunkt des Notturno und dem begeisterten Applaus des Publikums für den Pianisten zusammen.

 

Flüchtiges Idyll

Der dritte Akt entwirft zunächst musikalisch das Bild einer Idylle. Ein solistisch eingesetztes Horn auf der Bühne intoniert eine einfache melodische Linie; der Chor der Frauenstimmen singt ein Frühlingslied – in beiden Fällen zitierte Musik, die gleichsam als realistisches Element in die Handlung hineinragt. Wie schon im ersten Akt folgt Giordano im weiteren Verlauf exakt der Dialogstruktur des Schauspiels und findet dabei für den übergreifenden musikalischen Zusammenhang eine zwingende Lösung. Da die Handlung auf zurückliegende Ereignisse bezogen ist, arbeitet er mit musikalischen Motiven bzw. Themen, die im Vorangegangenen entweder mit szenischen Konstellationen oder Emotionen der Figuren verknüpft waren.

Insofern entwickeln die Reminiszenzen, die sich über den gesamten Satz ausbreiten, einen doppelten Bedeutungsgehalt: Einerseits werden die Figuren von der Vergangenheit musikalisch eingeholt, andererseits erfährt die musikalisch gegenwärtige Vergangenheit, d.h. die Intrige, nun ihre Aufklärung.

Das eigentliche „Dénouement“ – Loris erfährt vom Schicksal seiner Familie und entdeckt die wahre Identität Fedoras – wird in typisch veristischer Manier von einem aus der Ferne erklingenden Gesang eines Knaben gerahmt. Zur Begleitung von Ziehharmonika, Triangel und kleiner Flöte intoniert er das schlichte Sennerlied „La montanina mia, non torna ancor!“ Dieses als retardierendes Moment eingesetzte Lied wird einerseits durch den Religioso-Ton der folgenden Arie Fedoras, die dramaturgisch ein Gebet ist, andererseits durch das folgende rasche Tempo der erregten Auseinandersetzung zwischen Fedora und Loris kontrastiert. Im Todeskampf bittet Fedora ihren Geliebten um Verzeihung. Diese lyrische Interpolation hat Giordano in einen Ton gefasst, der im Kontext des dritten Aktes der Oper singulär ist. Über den getragenen, „lento, con espressione“ notierten Klängen des Orchesters bittet die sterbende Fedora „con molto sentimento“ in der Singstimme um Verzeihung. Ein einfacher, nahezu durchgängig akkordisch gestalteter Satz, eine strikte periodische Gliederung und eine lyrisch-verhaltene Stimmführung verleihen der kurzen Arie den Charakter eines ruhigen, in sich gekehrten, akzeptierenden Abschieds. Der Tod Fedoras ereignet sich schließlich beredt vor dem Hintergrund eines weiteren Einsatzes des Sennerliedes. Konsequent schließt die Oper mit jenem Motiv, das die wahre Ursache für den Tod Fedoras umschreibt: mit dem Rachemotiv.

 

Nähe zum Film

Für Victorien Sardous „Fédora“ haben sich sowohl Sarah Bernhardt als auch Eleonora Duse weltweit auf Tourneen eingesetzt. Beide Schauspielerinnen hatten zudem Sardous Drama „La Tosca“ [1887] und Eugène Scribes und Ernest Legouvés Schauspiel „Adrienne Lecouvreur“ [1849] im Repertoire. TOSCA wurde von Luigi Illica und Giovanni Giacosa zum Libretto für Giacomo Puccini [1900] bearbeitet; ADRIANA LECOUVREUR [1902] von Arturo Colautti für Francesco Cilea. Insofern eröffnete Giordanos FEDORA eine Trias im Musiktheater, die zugleich auf den Schauspielbühnen mit zwei herausragenden Tragödinnen der Zeit ungeheure Popularität besaß. Nach der Uraufführung von FEDORA am 17. November 1898 am Teatro Lirico Internazionale in Mailand mit Gemma Bellincioni als Fedora und Enrico Caruso als Loris trat Umberto Giordanos Oper rasch weltweit ihren Siegeszug an.

Das Werk avancierte zunächst zu einer Primadonnen-Oper, büßte indes bald seine Popularität ein. Im Gegenzug fand Sardous Drama im neuen Medium Film bereits früh Beachtung: Francesca Bertini [1916], Pauline Frederick [1918], Lee Parry [1926] und Pola Negri [1928] waren überragende Interpretinnen der Titelrolle. Dass „Fédora“ auf der Schauspielbühne und gleichermaßen in Oper und Film reüssierte, mag in der szenischen Durchschlagskraft, der prägnanten Charakterzeichnung, der Bildhaftigkeit und schließlich der genau kalkulierten Dramaturgie des „Pièce bien faite“ begründet sein. Umberto Giordano hat auf Sardous Drama eine überzeugende kompositorische Antwort gefunden: Schauspiel und Oper gehen eine übergreifende Symbiose ein und garantieren FEDORA eine singuläre Position im Kontext des veristischen Musiktheaters.

 

Hans-Joachim Wagner [1961–2025] war Musikwissenschaftler und schuf mit seiner Habilitationsschrift „Fremde Welten – Die Oper des italienischen Verismo“ ein vielbeachtetes Standardwerk und die erste umfassende Gesamtdarstellung zur musikalischen Strömung des Verismo. Nach Tätigkeiten als Dramaturg und Referent in Koblenz und Köln war er ab 2006 Fachbereichsleiter für Musik und Darstellende Künste bei der Kunststiftung NRW und Teil diverser Fördergremien. Ab 2021 leitete er die Stabsstelle „Ehemaliges Reichsparteitagsgelände“ der Stadt Nürnberg und verantwortete dort u. a. die Transformation der Kongresshalle zu einem Ort der Künste und Kulturen. Am 22. Oktober 2025 starb Hajo Wagner nach kurzer und schwerer Krankheit im Alter von 64 Jahren.

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