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Am Grund des Lebens - Deutsche Oper Berlin

Was uns bewegt

Am Grund des Lebens

Nichts auf der Welt ist so wenig erforscht wie der Grund des Meeres. In dem Opern-Triptychon NEUE SZENEN IV nähern sich drei Regisseurinnen der Weite der Ozeane – und den Tiefen menschlicher Existenz

Neue Szenen IV
Ein Opern-Triptychon

Am Grund gibt's keinen Grund mehr nach dem Grund zu fragen
Eine Kammeroper von Sven Daigger mit einem Libretto von Fanny Sorgo und in einer Inszenierung von Anna-Sophie Weber

Eurydike
Eine Kammeroper von Feliz Anne Reyes Macahis mit einem Libretto von Uta Bierbaum und in einer Inszenierung von Johanna Frech

Aufbruch
Eine Kammeroper von Josep Planells Schiaffino mit einem Libretto von Debo Kötting und in einer Inszenierung von Selina Thüring

Uraufführung am 11. April 2019

Anne-Sophie Weber © Max Zerrahn

Anna-Sophie Weber inszeniert Sven Daiggers AM GRUND GIBT’S KEINEN GRUND NACH DEM GRUND ZU FRAGEN auf ein Libretto von Fanny Sorgo

> Ich erzähle eine Geschichte des Scheiterns – und den Umgang damit. Drei Forschende tauchen in einem U-Boot zum Marianengraben hinab, um den tiefsten Punkt der Erde zu untersuchen. Sie stehen stellvertretend für die Wissbegierde der Menschheit, der Meeresgrund für unsere Sehnsucht nach Antworten auf die großen Fragen: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Auf dem Weg hinab versuchen sie, die Gesetze der Natur zu überwinden. Je mehr sie den Dingen auf den Grund gehen wollen, desto komplexer und lebensfeindlicher wird die Umgebung. Zu Beginn des Stückes verkündet eine Stimme, dass der Sauerstoff an Bord in 25 Minuten aufgebraucht ist. Sie spiegelt die Freveltaten des 20. Jahrhunderts, den Überkonsum, die Plastikgesellschaft, das kollektive schlechte Gewissen. Der Umgang mit dem unausweichlichen Tod ist sehr unterschiedlich. Eine Person akzeptiert ihn, eine negiert ihn, eine begeht Suizid, um die Kontrolle zu behalten. Dass die drei nicht ans Ziel kommen, zeige ich bildlich: Sie stehen nicht auf dem Boden der Tatsachen, sondern hängen in Flugwerken in einem Stahlgerüst von der Bühne, eine extreme technische Herausforderung. Für die Sängerinnen und Sänger ist es ungewohnt, nicht den Resonanzraum des Bodens zu spüren. Der Komponist hat die Szenen mit den sieben Todsünden betitelt. Spannend, denn die Menschen glauben nach wie vor. Nur eben nicht an einen Gott oder das Schicksal, sondern an die Wissenschaft und die damit erhoffte Lösung aller Probleme. <

 

Johanna Frech © Max Zerrahn

Johanna Frech inszeniert die Kammeroper EURYDIKE, eine Komposition von Feliz Anne Reyes Macahis auf ein Libretto von Uta Bierbaum

> Ich tauche mit dem Stück hinab in ein großes Fragezeichen, in eine Welt, die ich nicht kenne. Die beiden Hauptfiguren Orpheus und Eurydike sinken auf den Grund des Meeres. Das Sinken steht für mich für das Sterben, der Grund ist der Moment des Übergangs, auf den beide zusteuern. Wir sinken, wissen nicht, wann wir unten ankommen, aber jeder landet irgendwann am Grund. Orpheus aber will nicht sterben, er will als großer Forscher wieder ins Leben auftauchen. Eurydike freut sich auf den Tod. Nicht, weil sie lebensmüde ist, sondern aus einer tiefen Neugier darauf, was danach geschieht und in der Hoffnung, dass es gut sein wird. Mich interessiert der Prozess des Sterbens. Wie lange dauert es? Wann sind wir tot? Was kommt danach? Es ist schwierig, sich auf den Tod einzulassen, auf diese bedingungslose Kontrolllosigkeit. Mich erinnert das an die Geburten meiner Kinder. Den Moment der Geburt vergleiche ich mit dem Gefühl, wenn du im Wasser bist, und die Wellen schlagen über dir zusammen, es ist wild, bedrohlich, du kannst nichts dagegen tun, musst dich dieser Kraft hingeben, Kontrolle abgeben – nur so wirst du überleben. Irgendwann sind die Wellen wieder flach und du kannst durchatmen. <

 

Selina Thüring © Max Zerrahn

Regisseurin Selina Thüring inszeniert die Kammeroper AUFBRUCH, eine Komposition von Josep Planells Schiaffino auf ein Libretto von Debo Koetting

> Ich habe eine Zeit lang in Norwegen gelebt, am Polarkreis. Wenn ich an das Meer denke, denke ich an das Geräusch, das Buckelwale machen, wenn sie nach einem Sprung aus dem Wasser wieder auf die Meeresoberfläche prallen. Diese Freiheit! Genau danach suchen die drei Figuren in AUFBRUCH, wissen aber nicht, wie sie diese Sehnsucht verbalisieren sollen. Sie brechen auf, wandern aus dem Stillstand ins Ungewisse. Sie spazieren ans Meer, das auf sie wirkt wie Medizin. Es hilft, ihre Stagnation zu überwinden, miteinander in Verbindung zu treten. Plötzlich können sie sich öffnen und berichten von ihrer Sehnsucht. Der Ozean spiegelt mit seiner ständigen Bewegung eine zyklische Denkweise, das „Stirb und werde!“, das Loslassen, die Hingabe. Ich denke bei dieser Hingabe an den tibetischen Begriff für den Körper: Lü. Das bedeutet „etwas, das wir zurücklassen“. Lü erinnert uns daran, dass wir nur Reisende sind und vorübergehend Herberge in diesem Leben und Körper nehmen. <

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