Aufwachen und reif sein für eine neue Rolle - Deutsche Oper Berlin
Ein Interview mit Jörg Königsdorf
Aufwachen und reif sein für eine neue Rolle
Daniela Sindram gibt ihr Debüt als Kundry in „Parsifal“
Daniela Sindram gehört zu den führenden Mezzosopranistinnen aus dem deutschsprachigen Raum und ist eine höchst gefragte Interpretin auf den internationalen Opernbühnen. Im Oktober gibt sie an der Deutschen Oper Berlin ihr Debüt als Kundry an der Seite von Klaus Florian Vogt, der bereits in der Premiere der Philipp-Stölzl-Inszenierung vor vier Jahren die Partie gestaltete. Zuletzt sang er den Parsifal in der Bayreuther Neuinszenierung. Jörg Königsdorf sprach mit Daniela Sindram über Hosenrollen und ihre Pläne für die Zukunft.
![]() Parsifal © Matthias Baus
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![]() Parsifal © Matthias Baus
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Frau Sindram, das Publikum der Deutschen Oper Berlin hat Sie in den letzten Jahren überwiegend in den großen Hosenrollen kennen gelernt: Sie haben den Octavian im „Rosenkavalier“, den Komponisten in „Ariadne auf Naxos“ und auch den Adriano in Wagners „Rienzi“ gesungen. In dieser Spielzeit präsentieren Sie sich in Berlin mit zwei großen, sehr gegensätzlichen Frauenrollen: der Fricka im „Ring des Nibelungen“ und der Kundry im „Parsifal“, die für Sie auch ein Rollendebüt ist. Sind Sie – salopp gesagt – aus den Hosen herausgewachsen?
Ich würde das eher als einen Reifeprozess bezeichnen. Bei Hosenrollen geht es ja nicht nur darum, dass man sie singen kann, sondern auch darum, dass man das Jugendliche, Jungenhafte vom Typ her glaubwürdig auf der Bühne verkörpert. Das war bei mir lange der Fall, aber irgendwann beginnt man, sich selbst nicht mehr wohl mit der Jungenhaftigkeit eines Hänsel oder Cherubino zu fühlen. Den Octavian würde ich da ausnehmen, weil der im Verlauf der Oper eine Entwicklung durchmacht und nicht im Jungenhaften stecken bleibt. Aber darüber hinaus finde ich es eigentlich ganz schön, sich weiterzuentwickeln und irgendwann aufwachen zu können und sich zu sagen: jetzt bist du menschlich, künstlerisch und stimmlich reif genug für die Kundry.
Die Partie wird manchmal von Sopranen und manchmal von Mezzosopranen gesungen. Was sind die besonderen Herausforderungen, aber auch Qualitäten, wenn man Kundry mit einer tieferen Stimme angeht?
Im zweiten Akt liegt die Partie für Mezzosoprane sehr hoch und ist außerdem sehr dramatisch. Da liegt die Herausforderung darin, diese Passagen nicht zu schreien, sondern wirklich zu singen. Ich habe übrigens festgestellt, dass der Adriano im „Rienzi“ für mich eine sehr gute Vorbereitung für die Partie der Kundry war. Der liegt zwar sozusagen am anderen Ende des Wagner-Universums, hat aber auch vergleichbar hohe Passagen. Auf der anderen Seite glaube ich, dass ein Mezzosopran mit seinen dunkleren, wärmeren Farben die erotischen, aber auch die mütterlichen Facetten der Kundry stärker zur Geltung bringen kann.
Im dritten Akt des „Parsifal“ ist Kundry zwar auf der Bühne präsent, darf aber nur ein Wort singen: „Dienen … dienen“. Wie schafft man es da, die Wandlung der Figur von der Verführerin zur Büßerin darzustellen?
Was man auf der Bühne ausstrahlt, liegt nicht nur daran, was man spielt, sondern auch daran, wie die Kollegen einen anspielen. Carmen beispielsweise ist ja nicht erotisch, weil sie mit dem Hintern wackelt, sondern weil die anderen sie erotisch finden. Und genauso funktioniert es mit Kundry, die im dritten Akt von den Männern ganz anders behandelt wird. Und außerdem habe ich mit solchen stummen Auftritten schon Erfahrung: Als Komponist in „Ariadne auf Naxos“ habe ich auch schon die ganze Oper hindurch auf der Bühne stehen müssen, obwohl ich nur im ersten Teil singe.
Sie sind in dieser Spielzeit an der Deutschen Oper Berlin nicht nur als Kundry, sondern auch als Fricka im „Rheingold“ und in der „Walküre“ zu erleben. Ist das für Sie überhaupt die gleiche Figur, oder müsste man eher von zwei verschiedenen Frauen sprechen?
Ich sehe die Fricka im „Rheingold“ als jüngere, verletzlichere Frau, während die Fricka der „Walküre“ viel reifer und abgeklärter ist. Ich würde sogar sagen, dass bei der „Walküre“-Fricka auch Bitterkeit mitschwingt - angesichts all dessen, was sie über die Jahre von ihrem Mann Wotan ertragen hat. Und wie das bei langen Beziehungen nun einmal ist, weiß sie genau, wie sie ihren Willen bei ihm durchsetzen kann.
Sie haben diese Partie schon in der letzten Aufführungsserie der legendären Götz-Friedrich-Inszenierung gesungen. Merkt man nach so vielen Jahren einer Inszenierung eigentlich noch an, was der Regisseur damals wollte?
Und ob! Denn erstens ist diese Inszenierung sehr gut gepflegt worden und zweitens ist sie so rund und stimmig gedacht, dass der Sinn in der Struktur selbst steckt: Wenn die Musik beispielsweise bestimmte Gänge verlangt, findet man genau das auch in der Inszenierung und wird nie zu Aktionen gezwungen, die sich einem nicht musikalisch erschließen.
