Back to the Roots - Deutsche Oper Berlin
Aus der Tischlerei-Zeitung No. 4
Back to the Roots
Strawinskijs GESCHICHTE VOM SOLDATEN kehrt für eine Aufführung in die Tischlerei zurück
Er war der Radikalste von allen: Als sich der 35-jährige Igor Strawinskij gegen Ende des Ersten Weltkriegs daran machte, das russische Märchen GESCHICHTE VOM SOLDATEN zu vertonen, stellte er den ganzen herkömmlichen Opernapparat erstmal auf Null. Statt eines großen Orchesters, eines Opernchores und opulenter Ausstattung braucht das knapp einstündige Stück nur sieben Musiker, zwei Darsteller und einen Erzähler und lässt sich schon mit den knappsten szenischen Mitteln auf die Bühne bringen. Dieser Minimalismus war zwar auch der Tatsache geschuldet, dass der SOLDAT für eine Schweizer Wanderbühne entstand, wurde aber schon von Anfang an als programmatisches Statement gesehen: als Kampfansage an die große Oper, die zu dieser Zeit in den Augen vieler zum Symbol einer alten, überlebten Zeit geworden war. Um das klarzustellen, warfen Strawinskij und sein Textdichter, der Schweizer Autor Charles-Ferdinand Ramuz, in diesem Stück die traditionelle Erzählweise des Musiktheaters gleich mit über Bord: Zwischen die Episoden der Geschichte, in der der Teufel einem armen Soldaten seine Geige im Tausch gegen Ruhm und Reichtum abhandelt, schalteten sie einen Erzähler, der mit rhythmisiertem Text durch die Handlung führt – fast so, wie es über Jahrhunderte die Moritatenerzähler auf den Jahrmärkten getan hatten. Denn dieser SOLDAT sollte vor allem eines nicht sein: Theater, dass so tut, als sei es das wirkliche Leben und würde echte Gefühle bieten. Stattdessen ein Rückgriff auf die Urformen des Erzählens und dazu eine Musik, die sich ihrem spielerisch-lakonischen Tonfall allem Pathos verweigert.
Die GESCHICHTE VOM SOLDATEN kam nicht nur bei seinen Zeitgenossen gut an, sondern ist immer noch eine echte Alternative für alle, die der Oper sonst eher kritisch gegenüberstehen. Vor allem aber hat das Stück immer wieder zu neuen Versionen angeregt – in gewisser Hinsicht ist der SOLDAT in seiner holzschnitthaften Knappheit fast wie eine Umrisszeichnung, die jeder mit seinen eigenen Farben auffüllen kann. Für die Tischlereikonzerte des Orchesters der Deutschen Oper Berlin hatte sich im vergangenen Jahr William Robertson, Regisseur und Spielleiter an der Deutschen Oper Berlin, mit einem Team um den Puppenspieler JARNOTH von der Berliner Hochschule „Ernst Busch“ zusammengetan: Ihre szenische Umsetzung, bei der zu der Erzählung der drei an einem Tisch sitzenden Darsteller ein „lebendiges Bühnenbild“ mit den Mitteln des Papiertheaters hinzutrat, das auf eine Leinwand projiziert wurde, war im Januar vergangenen Jahres ein großer Erfolg. Grund, diese Produktion jetzt noch einmal zu zeigen.