The “Solidarity Song”, 1932 - Deutsche Oper Berlin
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„Solidaritätslied“ 1932
Solidarität mit Menschen in Notlagen ist dieser Tage gerade wieder ein Thema, das uns alle beschäftigt. Im Mai 1932 kommt der Film „Kuhle Wampe“, Berlinisch für leerer Bauch, in die Kinos (Foto: Filmszene). Bertolt Brecht hatte am Drehbuch mitgeschrieben und einige von Hanns Eisler vertonte „Songs“ beigesteuert. Besonders das „Solidaritätslied“ findet schnell Verbreitung. Erstmals aufgeführt wurde das Arbeiterlied am 17. Januar 1932 im Charlottenburger Opernhaus beim Benefizkonzert der „Berliner Posaunisten-Verbindung 1920“. Über 400 Musiker brachten darin zeitgenössische Werke für Posaunenchor und Chor zur Uraufführung – mit den krönenden Abschlussversen aus Brechts und Eislers Lied: „Vorwärts und nicht vergessen / Worin unsre Stärke besteht. – / Beim Hungern, und beim Essen / Vorwärts, nicht vergessen / die Solidarität!“
Mit „Kuhle Wampe“ – Berlinisch für „leerer Bauch“ – kommt im Mai 1932 ein „Klassiker des proletarischen und des sozialrevolutionären Kinos“ (Knut Elstermann) auf die Leinwände der Weimarer Republik. Regisseur Slatan Dudow vereint darin fiktionale Spielfilm-Szenen mit Elementen des Dokumentar- und des Propagandafilms, auch Musikszenen kommen vor. In mehreren in sich geschlossenen Kapiteln geht es um die prekäre Lebenssituation einer Arbeiterfamilie während der Weltwirtschaftskrise, als Arbeitslosigkeit, Geldmangel und Hunger den Alltag vieler Menschen im rasant wachsenden Berlin prägen.
Der Film beginnt damit, dass sich ein junger Mann aus dem Fenster stürzt, nachdem wieder einmal einen Tag vergeblich damit verbracht hat, nach Arbeit zu suchen. Kurz darauf wird seinen Hinterbliebenen die Wohnung gekündigt und sie ziehen auf den Campingplatz „Kuhle Wampe“ am Großen Müggelsee. Anni (Hertha Thiele), die Tochter der Familie und einziges Familienmitglied, das noch Arbeit hat, wird schwanger und will sich mit ihrem Freund Fritz (Ernst Busch) verloben. Der jedoch beklagt sich, er sei aufgrund der Schwangerschaft zu diesem Schritt gezwungen – woraufhin Anni ihn verlässt und zu ihrer Freundin Gerda (Marta Wolter) zieht. Einige Zeit später trifft sie Fritz auf einem Arbeitersportfest wieder und erfährt, dass er zwischenzeitlich seine Arbeit verloren hat. Die beiden versöhnen sich und fahren gemeinsam mit der S-Bahn nach Hause. Unterwegs geraten Anni, Fritz und eine Gruppe von Arbeitern mit einigen wohlhabenden, bürgerlichen Fahrgästen in ein Streitgespräch über die Frage: „Wem gehört die Welt?“ (so auch der Untertitel des Films). Durch Eingriffe der Zensurbehörde wird in der Schlussfassung des Films nicht ganz deutlich, dass die Arbeiter auf dem Sportfest für Anni Geld gesammelt haben, damit sie ihr Kind abtreiben lassen kann. Die Schnittszenen sind jedoch heute verschollen.
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Filmtipp von Knut Elstermann für rbb radioeins
Am Drehbuch zu „Kuhle Wampe“ hatte kein geringerer als Bertolt Brecht mitgearbeitet – insbesondere das Ende des Films mit der S-Bahn-Szene stammte aus seiner Feder. Im Sinne seiner Dramentheorie, die in diesem „einzigen authentischen Brecht-Film“ (Knut Elstermann) deutlich zutage tritt, hatte Brecht als „V-Effekte“ auch einige von Hanns Eisler vertonte „Songs“ beigetragen. Vor allem das „Solidaritätslied“, das am Ende des Films gesungen wird, verbreitet sich in den letzten Monaten der Weimarer Republik rasend schnell im ganzen Land und wird von zahlreichen Arbeiterchören aufgeführt und häufig im Rahmen von Sportveranstaltungen gesungen, bis die Nationalsozialisten es im März 1933 zusammen mit dem Film verbieten.
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Programmheft zum Benefizkonzert, 17. Januar 1932
Uraufgeführt wurde das bekannte Arbeiter-Kampflied jedoch bereits im Januar 1932 im Charlottenburger Opernhaus: Am 17. Januar 1932 veranstaltet die „Berliner Posaunisten-Verbindung 1920“ ein Benefizkonzert zu Gunsten ihrer Wohlfahrtskasse unter Leitung von Hermann Scherchen. Weit über 400 Musiker und Sänger wirkten an dem Massenkonzert mit. Während im ersten Teil diverse barocke Werke auf dem Programm stehen, kommen nach der Pause mehrere zeitgenössische Werke für Posaunenchor und Chor zur Uraufführung – darunter Werke von Paul Hindemith, Daniel Milhaud, Werner Egk und als krönender Abschluss eben auch Brechts und Eislers „Solidaritätslied“. Vermutlich wurde das Konzert von der „Funk-Stunde Berlin“ auch im Radio übertragen, Aufnahmen sind im Deutschen Radioarchiv allerdings leider nicht mehr vorhanden.