Das Wasser als Spiegel seelischer Zustände - Deutsche Oper Berlin
Von Martina Helmig
Das Wasser als Spiegel seelischer Zustände
Claude Debussys Oper „Pelléas und Mélisande“: Technisch ist die Produktion eine der aufwendigsten des Hauses
Eine Wasserlandschaft auf der Bühne, das sehen auch regelmäßige Opernbesucher nicht oft. 80 Kubikmeter Wasser umfließen die graue Burg des Königshauses Allemonde. Im Text von Maurice Maeterlinck spielt Wasser immer wieder eine Rolle. Der Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli hat sich davon inspirieren lassen. Die ungewöhnliche Bühnengestaltung fasziniert das Publikum von Debussys Oper „Pelléas und Mélisande“ seit der Premiere im Jahr 2004.
Für die technische Mannschaft der Deutschen Oper Berlin ist das viele Wasser allerdings eine große Herausforderung. Die Hubpodien im Bühnenboden werden auf eine bestimmte Tiefe gefahren. Holzteile schaffen schräge Übergänge. Über die gesamte Beckenkonstruktion kommt eine große LKW-Plane, die die Wasserlandschaft nach unten abdichtet. In der Sommerpause ist sie auf Risse untersucht worden, denn die Inszenierung wurde vier Jahre lang nicht gezeigt.
„Wenn die Plane reißen und die Unterbühne fluten würde, wäre die Untermaschinerie erst einmal stillgelegt“, beschreibt der Technische Direktor Uwe Arsand seinen Albtraum. Es ist schon vorgekommen, dass wegen kleinerer Risse während der Vorstellung Eimer unter die Plane gestellt werden mussten. Das Wasserbecken ist bis zu 50 cm tief. „Das Boot kann darin schwimmen, aber ertrinken kann niemand“, sagt Arsand. Der Tenor watet kniend im Wasser, um eine größere Tiefe vorzutäuschen.
Für die Stimmen darf das Wasser nicht zu warm sein. 25 Grad hat sich als ideale Temperatur herausgestellt. Das Befüllen des Beckens hat bisher etwa vier Stunden gedauert. In Zukunft wird es schneller gehen, denn seit diesem Sommer gibt es eine neue, größere Leitung. Der Abfluss hat einen Durchmesser von 10 cm. Zu schnell darf das Wasser nicht ablaufen, sonst entstände ein Unterdruck, der das Wasser in den Waschbecken und Toiletten hochschießen ließe. Uwe Arsand hat so etwas in seiner Zeit an der Schaubühne schon erlebt. In dem Stück „Triumph der Liebe“ gab es einen großen Teich mit einer Insel. „Das waren ebenfalls 80 Kubikmeter Wasser. Als wir es das erste Mal abfließen ließen, kamen die Nachbarn schreiend angerannt, weil ihre Küchen unter Wasser standen“, erinnert er sich.
Abgesehen vom Regen in „La Bohème” spielt Wasser an der Deutschen Oper Berlin kaum eine Rolle, in Claude Debussys Oper dafür umso mehr. Da gibt es Nebelschwaden, zauberhafte Lichtreflexe auf dem Wasser und der grauen Burg, und auch hier kommt die Regenmaschinerie zum Einsatz. Sie funktioniert vergleichsweise einfach. Ein Bewässerungsschlauch für den Garten hängt an einer Zugstange, und im geeigneten Moment dreht jemand den Wasserhahn auf.
„Jede Dekoration ist eine neue Herausforderung. Man sammelt über die Jahre Erfahrungen, aber im Grunde beginnen wir immer wieder von vorn“, erklärt der Technische Direktor. Nach dem „Ring des Nibelungen“ und „Tiefland“ ist „Pelléas und Mélisande“ für die Bühnentechnik des Opernhauses die aufwendigste Produktion.
Die Bühnenarbeiter fangen schon ein paar Tage vor der Vorstellung an, Teile der Dekoration zusammenzubauen, die auf der Hinterbühne bereitgestellt werden. Der eigentliche Aufbau erfolgt dann in zwei Schichten mit 16 Personen. „Wir brauchen den ganzen Tag. Wenn abends ‚Pelléas‘ gespielt werden soll, kann vormittags keine Probe auf der Bühne stattfinden“, sagt Uwe Arsand. „Für uns gehört dieses Stück zur Kategorie 100.“
Aus dem Opernjournal September 2015 der Berliner Morgenpost.