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Der Klang eines italienischen Dorfes am Morgen - Deutsche Oper Berlin

Der Klang eines italienischen Dorfes am Morgen

Die Idee, echte Handwerker seines Heimatdorfs auf eine Opernbühne zu stellen, bescherte dem italienischen Komponisten Giorgio Battistelli Weltruhm. Warum, das erleben Sie jetzt in Berlin

Ein Ei wird aufgeschlagen. Krack. Dann noch eins. Krack. Und noch eins. Krack. Krack. Krack. Ein Rührstab trifft auf eine Arbeitsplatte. Tak. Mit schnellen Schlägen vermischt ein Pastaio Eier und Mehl. Tak, tak, tak, tak, tak, tak, tak. Dann setzen die Schuster ein. Das Dorf auf der Opernbühne erwacht.

Mit dieser Morgensequenz beginnt EXPERIMENTUM MUNDI, das Musiktheaterstück des italienischen Komponisten Giorgio Battistelli: Die Oper besteht aus den Arbeitsgeräuschen von insgesamt sechzehn Handwerkern, unterstützt von einem Frauenchor, einem Perkussionisten und der Rezitation eines Schauspielers. Der Untertitel verspricht ein Werk aus imaginierter Musik.

Als wäre die Idee, eine Oper aus Arbeitslärm zu komponieren, nicht überraschend genug, verbirgt sich darin eine weitere Besonderheit. Die Handwerker auf der Bühne sind keineswegs Schauspieler, sondern echte »artigiani«: Schreiner, Maurer und Pflasterer aus Battistellis Heimatstadt Albano Laziale. Das Stück ist ein Experiment, das zwei Welten verbindet – die Opernbühne und die Werkbank. Die Welt und die Kleinstadt.

Die Piazza Pia in Albano Laziale: Komponist Giorgio Battistelli hörte hier einen Schuster bei der Arbeit und ließ sich vom Rhythmus des Hammers inspirieren © Karl Mancini
 

Es ist ein geglücktes Experiment: Die Handwerker haben ihr Können auf den Bühnen von New York, Hongkong und London vorgeführt und Kritiker begeistert. Hier hat nicht nur ein genialer Maestro aus Werkzeugen Instrumente und aus Arbeitern Künstler gemacht. Auch sie haben ihm geholfen: Ohne die Männer aus Albano Laziale wäre Battistelli vielleicht nie so berühmt geworden, wie er es heute ist.

Um zu verstehen, wie diese ungewöhnliche Kombination ein Welterfolg wurde, kehren wir an den Ort zurück, an dem vor über 40 Jahren alles begann: Auf die Piazza Pia in Albano Laziale in den Hügeln vor Rom. Hier bemerkte Battistelli – als frisch fertig studierter Komponist –, dass in der täglichen Arbeit des Schusters ein Rhythmus steckt. Battistelli ließ sich darauf ein, fand weitere Beispiele und komponierte ein Werk, das nicht für Bläser und Streicher, sondern für Hammer und Hobel gemacht ist.

Einer dieser Hobel ist an diesem Vormittag in der Frühlingssonne im Einsatz: Alfredo Sannibale, 75, glättet mit ihm die Innenseite eines noch bodenlosen Kastanienholzfasses. Er sitzt im vorderen Teil seiner Werkstatt. Hinter ihm wölbt sich eine fensterlose Höhle, die sich ins Innere des orangefarbenen Gebäudes zieht. Mit seinen braungebrannten Fingern schiebt er den Hobel vor, zieht ihn zurück. Die Späne fallen zu blonden Locken gerollt auf den staubigen Boden.

Sannibale ist dabei seit der ersten Aufführung von EXPERIMENTUM MUNDI. Auf dem ersten Aufführungsplakat steht sein Name zwischen denen seines Bruders und seines Vaters. Letzterer hätte damals um ein Haar nicht mitgemacht, als Battistelli ihn bat, in seiner Oper aufzutreten.

»Mein Vater hat sich geschämt. Was soll ich denn auf einer Bühne, hat er gefragt«, sagt Sannibale. Hinzu kam, dass Battistelli damals keine 30 Jahre alt war, ein »ragazzo« also – nach italienischen Standards fast noch ein Kind. Ihm fehlte die Autorität, die Handwerker von seinem seltsamen Projekt zu überzeugen.

Diese Skepsis war ein Problem, weil die ersten Proben ein Reinfall gewesen waren: Die Musiker, die der Komponist engagiert hatte, konnten den Werkzeugen nicht die richtigen Töne entlocken. Battistelli brauchte echte Handwerker. »Ein Fass zu bauen ist genauso kompliziert, wie eine Geige zu spielen«, erklärt Sannibale. Erst seine Mutter, Battistellis Cousine, brachte die Wende: Sie überredete ihren Mann zum Mitmachen. Dank dieser ersten Zusage gelang es, auch die anderen Handwerker anzuwerben.

Am 15. Mai 1981 standen sie dann gemeinsam auf der Bühne: Im Teatro Olimpico in Rom schlugen die drei Sannibales eiserne Ringe über gebogene Holzplanken. Die Pflasterer klopften Steine in Position, die Schleifer schärften Messerklingen und die Maurer fügten Ziegelsteine zu einer Wand zusammen – stets die Augen auf Giorgio Battistelli gerichtet, der die Töne zu einem polyrhythmischen Kunstwerk kombinierte.

An den ersten Applaus, der dieser Aufführung folgte, erinnert Sannibale sich bis heute: »Das war einmalig. Wir haben ihn im ganzen Körper gespürt.« Danach brauchte es keine Überredung mehr, um seinen Vater erneut auf die Bühne zu holen.

Zu weiteren Auftritten kam es fortan häufig: Nach der Aufführung in Rom rief das Centre Pompidou aus Paris an. Berlin, Florenz und Wien folgten. In Köln schüttelte Karlheinz Stockhausen nach der Aufführung die Hand jedes einzelnen von ihnen. Im australischen Adelaide trug ein Schauspieler den Text auf Maori vor, in Salzburg Bruno Ganz auf Deutsch.

Meister ihres Fachs auf dem Sprung nach Berlin: Die »artigiani« aus Albano Laziale veredeln ihr Handwerk bei EXPERIMENTUM MUNDI zu einem rhythmischen Kunstwerk © Karl Mancini
 

EXPERIMENTUM MUNDI ist bis heute mehr als 400 Mal aufgeführt worden, hat Menschen auf der ganzen Welt begeistert und Battistelli zu internationalem Ruhm verholfen, indem es etwa 2009 den Herald Angel Award gewann. Auch dank dieser Erfolge ist Battistelli heute künstlerischer Leiter des Haydn Orchester von Bozen und Trient. Eine Funktion, die er zuvor ebenfalls etwa am Teatro dell’Opera di Roma und für das Internationale Festival für zeitgenössische Musik im Rahmen der Biennale di Venezia innehatte.

Wie zentral dieses Musiktheater in Battistellis Laufbahn ist, zeigt eine aktuelle Ehrung: Die Biennale di Venezia verleiht ihm 2022 den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk. In der Begründung wird EXPERIMENTUM MUNDI als ein »Eckpfeiler des internationalen Musiktheaters« gewürdigt.

Die Aufführung beendet am 25. September das diesjährige Festival in Venedig. Die Partitur ist die gleiche wie vor 41 Jahren, doch die Besetzung hat sich verändert: Denn anders als Musiker können Handwerker ihre Arbeit nicht bis ins hohe Alter ausüben. »Irgendwann machen die Knochen nicht mehr mit«, sagt Sannibale. Viele der Männer haben ihren Platz daher an ihre Söhne oder Enkel weitergegeben.

Vladimiro Carpineti etwa hat 1998 von seinem Großvater, einem Schleifer, übernommen. Der 49-Jährige selbst ist Pflasterer, sodass er auf der Bühne mal die eine und mal die andere Rolle übernimmt. Hunderte Aufführungen hat Carpineti schon mitgemacht: »Jedes Spektakel ist anders«, sagt er. »Der Anfang, das Ende, das Publikum. Ich mag diese Überraschung.«

Vladimiro Carpineti ist ein großer, breiter Mann. Man sieht ihm seinen körperlichen Beruf an und versteht sofort seine Liebe zum Rugby. Umso überraschender ist es, wenn er von EXPERIMENTUM MUNDI schwärmt, das ihn begleitet, seit er acht Jahre alt war. Die Oper ist ein Teil seines Lebens – und dank Battistelli ist sein Leben auch Teil der Musikgeschichte. Das weiß Carpineti: »Giorgio hat es geschafft, unser Dorf in die Welt zu tragen.«

Text: Virginia Kirst

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DEZ

Advents-Verlosung: Das 22. Fensterchen

Am 7. März 2025 feiert der erste Teil von Tobias Kratzers Strauss-Trilogie ARABELLA im Rahmen unserer „Richard Strauss im März“-Wochen seine Wiederaufnahme mit u. a. Jennifer Davis als Arabella, Heidi Stober als Zdenka/Zdenko, Thomas Johannes Mayer als Mandryka, Daniel O'Hearn als Matteo und wie in der Premierenserie mit Doris Soffel und Albert Pesendorfer als Ehepaar Waldner. Heute verlosen wir unsere DVD, die erst ab 14. Februar 2025 überhaupt im Handel erhältlich sein wird. Wir danken NAXOS aufs Herzlichste dafür, dass wir die ganz besondere Möglichkeit wahrnehmen dürfen, für Sie beinahe acht Wochen vor dem offiziellen Verkaufsstart ARABELLA in unseren Los-Topf zu geben.

Im heutigen Adventskalender-Fensterchen verlosen wir 2 Mal eine DVD von ARABELLA – eine lyrische Komödie in drei Aufzügen von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Wenn Sie eine der zwei DVDs gewinnen möchten, schreiben Sie bitte heute eine E-Mail mit dem Betreff „Das 22. Fensterchen“ an advent@deutscheoperberlin.de.

Wien, um 1860. Der verarmte Graf Waldner lebt mit seiner Familie in einem Wiener Hotel. Der einzige Ausweg aus seiner prekären Lage ist eine reiche Heirat für eine seiner beiden Töchter. Doch reichen die Mittel der Familie nur, um die ältere der beiden, Arabella, standesgemäß zu präsentieren. Damit die finanzielle Notlage der Familie nicht auffällt, wird Zdenka, die jüngere Schwester, als Junge verkleidet. Zwar interessieren sich etliche Männer für Arabella, doch sie ist entschlossen, solange zu wartet, bis „der Richtige“ für sie auftaucht. Als der reiche Provinzadlige Mandryka erscheint, fühlen beide auf Anhieb, dass sie füreinander bestimmt sind. Arabella bittet sich lediglich aus, auf dem anstehenden Faschingsball ihren Junggesellinnen-Abschied feiern zu dürfen. Auf dem Ball verabschiedet sich Arabella von ihren Verehrern. Dort ist auch der junge Offizier Matteo, in den Zdenka heimlich verliebt ist und mit dem sie unter dem Deckmantel ihrer Verkleidung als Junge eine Freundschaft geknüpft hat. Matteo jedoch begehrt Arabella und ist verzweifelt, als er die Hoffnungslosigkeit seiner Liebe erkennt. Zdenka fasst einen Plan: Sie fingiert einen Brief Arabellas, in dem sie Matteo eine gemeinsame Liebesnacht verspricht. Doch stattdessen will sie selbst im Dunkel des Hotelzimmers auf ihn warten. Mandryka erfährt von Arabellas angeblicher Untreue und begibt sich mit den Ballgästen ins Hotel, um Arabella in flagranti zu überraschen. Die nichtsahnende Arabella ist von Mandrykas Misstrauen zunächst tief gekränkt. Doch als sich die Verwechslung klärt, verzeiht sie ihm. Die beiden werden ein Paar, ebenso wie Zdenka und Matteo.

Die opulente, vielstimmig funkelnde Orchestersprache von Richard Strauss und das historische Wiener Setting haben schon bei der Uraufführung von ARABELLA 1933 dazu geführt, dass diese letzte gemeinsame Arbeit von Strauss und Hugo von Hofmannsthal als operettenhafte Verwechslungskomödie missverstanden wurde. Für Tobias Kratzer, der an der Deutschen Oper Berlin bereits sehr erfolgreich Alexander von Zemlinskys DER ZWERG inszenierte, markiert Strauss’ Oper jedoch die Bruchstelle zweier Weltbilder: Auf der einen Seite das traditionelle Rollenbild von Mann und Frau, wie es sich unter anderem in Arabellas berühmtem Solo: „Und du sollst mein Gebieter sein“ ausdrückt. Auf der anderen Seite steht jedoch eine moderne Vorstellung des gesellschaftlichen Miteinanders, für die beispielsweise Zdenka in ihrem Infragestellen geschlechtlicher Identitäten steht. In seiner Arbeit leuchtet Kratzer diesen Zweispalt in den zahlreichen Charakterporträts der ARABELLA aus und verfolgt das Spannungsverhältnis dieser Rollenverständnisse vom Wien des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. In der Kategorie Raum wurden Manuel Braun, Jonas Dahl und Rainer Sellmaier für diese Produktion mit dem renommierten Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2023 geehrt.

Unter der Stabführung von Sir Donald Runnicles erleben Sie in dieser Aufzeichnung u. a. Albert Pesendorfer, Doris Soffel, Sara Jakubiak, Elena Tsallagova, Russell Braun, Robert Watson, Thomas Blondelle, Kyle Miller, Tyler Zimmerman, Hye-Young Moon, Lexi Hutton, Jörg Schörner u. a. sowie Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin. Es wurden die Vorstellungen am 18. und 23. März 2023 von rbb Kultur und Naxos für diese DVD aufgezeichnet.

Wir danken dem Label Naxos für die großartige Zusammenarbeit der letzten Jahre, die Aufnahmen von DER ZWERG, DAS WUNDER DER HELIANE, FRANCESCA DA RIMINI, DER RING DES NIBELUNGEN, DER SCHATZGRÄBER, DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG sowie ANTIKRIST dokumentieren. Im Laufe des Jahres 2025 erscheinen Richard Strauss‘ ARABELLA und INTERMEZZO.



Einsendeschluss: 22. Dezember 2024. Die Gewinner*innen werden am 23. Dezember 2024 per E-Mail informiert. Die DVDs gehen anschließend auf dem Postweg zu. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.