Sieben Fragen an ... Adela Zaharia - Deutsche Oper Berlin

Aus Libretto #8 (2023)

Sieben Fragen an ... Adela Zaharia

Sopranistin Adela Zaharia spielt in LUCIA DI LAMMERMOOR eine Frau ohne Möglichkeiten – und singt eine der berühmtesten Wahnsinnsarien der Opernwelt

Wie singen sie den Kontrollverlust, ohne die Kontrolle zu verlieren?
Das ist vielleicht das Schwierigste an dieser Partie. Es gibt diese Szene am Beginn des zweiten Aktes: Lucia wird von ihrem Bruder vorgegaukelt, dass ihr geliebter Edgardo sie verlassen hat, völlig verzweifelt unterschreibt sie den erzwungenen Heiratsvertrag mit Arturo. Da muss ich aufpassen, denn an manchen Abenden bin ich hier den Tränen nahe.

Wie finden Sie von Lucia wieder zurück zur Wirklichkeit, zu Adela?
Es fühlt sich jedes Mal ein wenig so an, als würde ich selbst auf der Bühne sterben. Nach der Vorstellung brauche ich Ruhe, möchte alleine sein. Es ist eine Art Trauerprozess, durch den ich hindurchmuss. Aber es ist eine warme Trauer, ein kathartisches Gefühl.

Der Koloraturgesang lässt Sängerinnen Raum für Improvisation. Wie viel eigene Ideen bringen Sie mit in die Partie?
Es ist ein schmaler Grat: Bei der Ausgestaltung der Koloraturen lasse ich mich von den großen Sängerinnen der Operngeschichte inspirieren, ebenso von Dirigenten und Gesangslehrern, mit denen ich zusammenarbeite. Ich finde es allerdings extrem frustrierend, Sängerinnen zu hören, denen es nur darum geht, mit ihrer Stimme zu glänzen. Es heißt dann oft, dies gehöre nun einmal zum Belcanto. Nein: Bei allem Ausstellen von Virtuosität und Können muss der Gesang auch im Belcanto die Emotion der Szene und der Musik transportieren. Es geht um die Musik und nicht um Dein Ego! Daran orientiere ich mich.

Haben Sie ein Rezept, um sich in einen extremen Charakter wie Lucia hineinzuversetzen?
Für mich geht beim Gesang und beim Schauspiel um Einfühlung. Ich kann eine Partie technisch perfekt beherrschen, ich kann Gesten, Bewegungen, Körperhaltungen studieren und reproduzieren – und dennoch auf der Bühne unglaubwürdig und leer wirken. Ich kann aber auch einfach dastehen, fast nichts tun und das Publikum berühren. Das funktioniert nur, wenn ich mich wirklich auf eine Rolle einlasse, versuche zu fühlen, was sie fühlt. Alles andere ist Imitation.

Die Wahnsinnsarie gilt als eine der schwierigsten Szenen der Opernwelt. Wie bereiten Sie sich technisch vor?
Ich lese immer zuerst die Partitur und lerne meine Rollen »come scritto«, also so wie der Komponist sie notiert hat. Erst danach höre ich mir bekannte Einspielungen an und übernehme hier und da vielleicht eine Kadenz. Es ist eine Art Forschungsarbeit: Ich muss immer verstehen, warum ich eine bestimmte Tonfolge singe, es muss für mich Sinn ergeben.

LUCIA DI LAMMERMOOR ist eine beliebtesten Belcanto-Opern überhaupt, und dennoch scheint das Publikum vor allem der Wahnsinnsarie entgegenzufiebern. Geht es Ihnen ähnlich?
Dafür bleibt keine Zeit. Während der ersten Hälfte stehe ich fast durchgehend auf der Bühne, singe fünf Nummern direkt hintereinander – eine Tour de Force. Ich muss die Pause nutzen, um mich körperlich und geistig zu resetten und in diese vollkommen andere Stimmung der Wahnsinnsszene hineinzufinden. Meist liege ich einfach nur auf dem Boden und versuche, mich zu entspannen und zu fokussieren.   

Lucia wird zum Spielball in einer männerdominierten Welt. Was nehmen Sie persönlich aus ihrem Schicksal mit?
Wenn ich auf Lucia schaue, dann blicke ich anders auf meine eigenen Freiheiten. Ich bin dankbar für die Kämpfe, die andere für mich gefochten haben. In einer Gesellschaft, wie sie LUCIA DI LAMMERMOOR zeigt, gibt es nur Verlierer: Zuallererst natürlich die Frauen, unterdrückt und unfrei, unfähig, jemals ihre Träume zu verwirklichen. Aber ich bin überzeugt, dass auch die Unterdrücker irgendwann das schlechte Gewissen einholt. Gleichzeitig erinnert mich Lucias Geschichte daran, dass in Teilen der Welt nach wie vor große Ungerechtigkeit herrscht, dass dieser Weg weiter gegangen werden muss.

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