Sechs Fragen an ... Asmik Grigorian - Deutsche Oper Berlin
Sechs Fragen an ... Asmik Grigorian
Kaum zu glauben: Sopranistin Asmik Grigorian gibt in Puccinis MADAMA BUTTERFLY ihr Debüt an der Deutschen Oper Berlin
Asmik Grigorian, ist die Liebe der Cio-Cio-San heute noch vorstellbar?
Manche Dinge verändern sich nicht. So zum Beispiel die Macht der großen Emotionen. Die Oper war schon immer ein Genre, das die Wirkmacht des Fühlens in den Vordergrund stellt. Den eigenen Gefühlen Raum zu geben, ist nie »out of fashion«.
Und Madama Butterfly geht für ihre Liebe sogar in den Tod.
Aber nicht für Pinkerton! Es gibt wenig Dinge, die die Jahrtausende überdauern, aber die bedingungslose Liebe zum eigenen Kind ist eins davon. Als Cio-Cio-San begreift, dass Pinkerton nicht zu ihr zurückgekommen ist, um sie zu heiraten, sondern um ihr das Kind zu nehmen, bringt sie sich um. Ein Opfer, das man wohl für niemanden, außer für das eigene Kind aufbringen würde.
Welches Verhältnis hatten Sie zu Ihrer Mutter?
Meine Mutter war Opernsängerin, sie sang die Madama Butterfly, während sie mit mir schwanger war. Ich kam also schon vor meiner Geburt mit der Rolle in Kontakt. Als Kind wurde ich in der Oper als »das Kind« besetzt. Für mich ist es also eine emotionale Partie, weil sie direkt mit meiner Biographie verbunden ist.
Wie spiegelt sich Cio-Cio-Sans Radikalität in der Musik wider?
Der erste Akt unterscheidet sich musikalisch stark von den beiden anderen Akten. Er ist etwas höher, leichter, lyrischer, im Verlauf der Oper wird der Ton dramatischer. Das zeigt auch die Entwicklung der Figur. Zu Beginn ist sie hoffnungsvoll, später zunehmend verzweifelt. Wenn mir der erste Akt leicht fällt, wird es später doch schwieriger. Die sängerische und spielerische Bandbreite ist bei MADAMA BUTTERFLY besonders groß. Diese Vielfalt macht die Rolle zu einer der schönsten, komplexesten Sopranrollen der Oper. Ich habe die Partie 2007 das erste Mal gesungen, seit 2013 singe ich sie regelmäßig. Sie ist in ihrer Unbedingtheit so vielseitig, dass es immer anspruchsvoll und überraschend bleibt.
Cio-Cio-San ist Japanerin. Puccinis Oper italienisch. Ein Widerspruch?
Puccinis Exotismus ist sicher relevant, vor allem aber spannt er die Geschichte auf. Während die Art und Weise, wie hier Gefühle ausgedrückt werden, auf die italienische Kultur zurückgreift, bleibt die »Butterfly« selbst eher verschlossen, was an japanischen Ausdrucksformen orientiert ist. Die Größe der Gefühle aber bleibt gleich – nur wie sie gezeigt werden, ist unterschiedlich. Aber zum Glück sind Gefühle universell. Die dramatische Dimension von Liebe und Abhängigkeit bleiben leider aktuell.
Freuen Sie sich auf die Deutsche Oper Berlin?
Tatsächlich führte mich eines meiner ersten Engagements außerhalb von Litauen an die Komische Oper Berlin. Später habe ich mehrfach an der Staatsoper Berlin gesungen. Dass ich nun ausgerechnet mit der MADAMA BUTTERFLY mein Operndebüt auf der großen Bühne der Deutschen Oper Berlin geben darf, ist für mich ein besonderer Glücksfall. Bisher war ich hier nur für die AIDS-Gala.