Sieben Fragen an ... Hulkar Sabirova - Deutsche Oper Berlin
Sieben Fragen an ... Hulkar Sabirova
Hulkar Sabirova über ihr Rollendebüt als Aida, die Magie in Verdis Musik und eine Inszenierung, die das Publikum mitten ins Geschehen zieht
Im Mai singen Sie erstmals die Aida. Was bedeutet diese Partie für Sie?
Für mich ist AIDA eine der schönsten Opern überhaupt. Verdis Melodien gehen im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut, man kann sich ihnen nicht verschließen. AIDA war eine der ersten Opern, die ich als Kind gehört habe, sie hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mit zwölf oder dreizehn Jahren eine Aufnahme hatte und sie immer wieder hören wollte. Dass ich diese Partie jetzt selbst singen darf, ist ein großes Geschenk. Es macht etwas mit einem, wenn man Teil von etwas so Wunderschönem sein darf, wenn man als Sängerin physisch mit dieser Musik verschmilzt.
Wann wussten Sie, dass Sie bereit für diese Rolle sind?
Aida ist keine Rolle, die man einfach so übernimmt – sie verlangt eine enorme technische Reife. Ich bin mit Verdi langsam gewachsen, habe vorher Leonora in LA FORZA DEL DESTINO und den Sopran-Part im VERDI-REQUIEM gesungen, das war eine gute Vorbereitung. Die Aida ist eine der anspruchsvollsten Sopranrollen überhaupt, weil sie eine große dramatische Kraft, aber auch viel Zartheit einfordert. Man muss zwischen diesen beiden Polen balancieren können.
Wie nähern Sie sich einer neuen Rolle?
Zuerst singe ich sie komplett durch – einfach, um ein Gefühl für die Musik zu bekommen. Dann erarbeite ich mir die technisch besonders anspruchsvollen Stellen. Erst dann kommt der wichtigste Schritt: Ich gehe in den Text, frage mich, was ich mit dieser Rolle erzählen will. Was bedeutet sie für mich ganz persönlich? Welche Farben möchte ich hineinbringen? Ich erlebe das Singen auf der Bühne wie eine Beichte, ein persönliches Bekenntnis.
Gibt es Momente, die Sie besonders berühren?
Ja, »O patria mia«, wenn Aida an ihre Heimat denkt, ihre Sehnsucht ausdrückt. Ich lebe seit zwanzig Jahren in Deutschland, aber meine Kindheit in Usbekistan hat mich geprägt. Die Erinnerungen an Orte, an Gerüche, an Farben – die sind tief in mir. Natürlich bin ich nicht in Aidas Situation, denn sie kann nie wieder zurück. Aber das Gefühl von Sehnsucht nach einem Ort, den man geliebt hat, das kenne ich.
Das klingt nach einem sehr persönlichen Zugang. Wie sehr beeinflussen andere Interpretationen Ihre eigene Aida?
Natürlich kenne ich die Aufnahmen von Leontyne Price, Montserrat Caballé oder Aprile Millo – das sind Legenden, die mich geprägt haben. Es sind oft Kleinigkeiten, die hängenbleiben, etwa eine kurze Phrase von Caballé, bei der ich immer Gänsehaut bekomme. Aber am Ende geht es nicht darum, jemanden zu kopieren. Jede Stimme ist anders, jede Farbe, jede Persönlichkeit. Mein Ziel ist immer, die Partie so persönlich wie möglich zu machen. Das Publikum soll nicht die Aida hören, sondern meine Aida.
Aida ist eine Frau, die zwischen Identität, Heimat und familiärem Zwang gefangen ist. Ist diese Geschichte heute noch relevant?
Unbedingt. Wir leben wir in einer privilegierten Welt, aber es gibt viele Frauen, die keine Wahl haben, die sich zwischen Familie und persönlicher Freiheit entscheiden müssen – oder noch schlimmer: die gar nicht erst gefragt werden, die gar keine Möglichkeit haben, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Ich glaube, das wird sich nie ändern, solange es Menschen gibt. Und genau deshalb bleibt diese Oper so berührend.
Die Inszenierung von Benedikt von Peter bespielt den gesamten Zuschauerraum. Der Chor sitzt im Publikum, ein Steg ragt von der Bühne bis in die achte Reihe. Wie erleben Sie das?
Ich liebe diese Inszenierung! Jedes Mal, wenn sie auf dem Spielplan steht, gehe ich mindestens zweimal rein. Und ich nehme alle meine Freunde mit, weil ich finde, das muss man erlebt haben. Der Moment, wenn man im Publikum sitzt und plötzlich jemand direkt neben einem zu singen beginnt – Gänsehaut! Deshalb freue ich mich so sehr darauf, dieses Spektakel nun von der Bühne aus zu erleben: Dieses direkte Hineingehen ins Publikum, diese Nähe, das habe ich so noch nie erlebt. Und dann der Klang, wenn der Chor von vorne singt – ich stelle mir das unglaublich intensiv vor.