María José Siri - Deutsche Oper Berlin
5 Fragen an ...
María José Siri
María José Siri singt in Puccinis MANON LESCAUT die Titelrolle, eine Klosterschülerin, die zur Ausgestoßenen wird. Hier erzählt die uruguayische Sopranistin, was Sie an der Rolle fasziniert – und was sie leider niemals lernen wird
Manon Lescaut
Dramma lirico in vier Akten von Giacomo Puccini
Musikalische Leitung: Sir Simon Rattle
Inszenierung: Gilbert Deflo
Mit María José Siri, Thomas Lehman, Jorge de León, Stephen Bronk, Gideon Poppe u. a.
9., 12., 15. Juni 2019
Frau Siri, Manon Lescaut besinnt sich erst kurz vor ihrem Ende. Müssen wir immer erst leiden, um zu wachsen?
Als Manon alles verliert, als sie einen tiefen Schmerz spürt, erkennt sie zum ersten Mal den Kern ihrer Existenz. Sie fragt sich: Wer bin ich? Was ist mir wichtig? Leiden ist immer ein Teil von Wachstum. Wenn alles positiv ist, schätzen wir oft nicht, was wir haben – die Werte unseres Lebens erkennen wir manchmal erst, wenn wir Probleme bekommen. Es ist traurig, aber wir lernen vieles nur durch Schmerz. Leid hilft, unser Herz und unseren Geist zu entwickeln.
Endscheiden Sie: Ein Leben ohne Leid oder eins ohne Lernen?
Eins ohne Leid, auf jeden Fall. Wir wurden nicht geboren, um zu leiden. Niemand will leiden!
Was fasziniert Sie an Manon?
Manon nimmt sich alles, was sie haben will – aber so funktioniert das natürlich im richtigen Leben nicht! Puccini schildert uns ihre Entwicklung vom Mädchen zur Rebellin zur juwelenumflorten Prinzessin, als eine Figur, die keine echten Krisen durchlebt. Sie wird zur Kriminellen, weil sie nie gelernt hat, dass ihr Handeln Konsequenzen hat. Insofern ist Manon ein faszinierender Spiegel. Ihre Geschichte kann immer noch genauso passieren.
Was haben Sie während der Arbeit an der Rolle gelernt?
Jeder Sänger fühlt sich an irgendeinem Punkt einem Charakter nahe – und mit Manon habe ich etwas über die Leidenschaft gelernt. Früher ist sie mir einfach passiert. Durch Manon habe ich mich bewusst mit Leidenschaft auseinandergesetzt. Manon folgt ihrem Begehren und verliert dabei ihren Kopf. Ich selbst kann in meinem Leben eine wundervolle Leidenschaft ausleben: das Singen. Aber ich schalte immer mein Hirn ein. Keine Ahnung, wo ich wäre, wenn ich allen Leidenschaften gefolgt wäre, so wie Manon!
Was werden Sie leider niemals lernen?
Ich habe wahnsinnige Höhenangst! Ich werde niemals die hohen Bäume in einem Kletterpark erklimmen – oder über eine dieser durchsichtigen Brücken kriechen, bei denen es scheint, als würde man über den Abgrund gehen. Selbst wenn mir jemand zehn Millionen bieten wurde: nein.