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George Benjamin über „Written on Skin“ - Deutsche Oper Berlin

Aus dem Programmheft

George Benjamin über „Written on Skin“

Ein Text von Martin Grimp

Diese Mischung aus indirektem und „natürlicherem“ Schreiben spricht mich ungemein an. Dem haftet eine Fremdartigkeit an, die, wie ich finde, buchstäblich Platz schafft für die Musik. Die Sprache, die Martin Crimp gebraucht, ist von großer Simplizität – und damit wie geschaffen für Gesang – doch die Strukturen, die er durch diese linguistischen Idiome erschafft, besitzen eine beachtliche Komplexität, was mich ebenfalls sehr anspricht. Schlussendlich bin ich davon überzeugt, dass sich nicht ein einziges Wort in seinen Texten finden lässt, das nicht in irgendeiner Form ein immenses emotionales Gewicht besitzt.

 

Entstehung

Viele Aspekte der Architektur wurden in den Monaten, bevor Martin den Text schrieb, entwickelt. Den Vorschlag von Bernard Foccroulle (des damaligen Leiters des Festivals in Aix-en-Provence, des Auftraggebers für WRITTEN ON SKIN), einen Countertenor zu wählen, habe ich gerne angenommen, da die Idee von Duetten zwischen Counter und Sopran meiner Fantasie sehr entgegenkam.

Ebenso wie die Entscheidung, das Orchester auf sechzig Instrumente zu beschränken, damit ich mich bei meinen instrumentalen Entscheidungen auf das Wesentliche konzentrieren musste. Es war besonders anregend, mit einem so feinsinnigen und erfahrenen Dramaturgen wie Martin Crimp zusammenzuarbeiten.

Mit seiner ausdrücklichen Unterstützung habe ich oft die natürliche rhythmische Sprache seines Textes unterwandert und sogar die sich wiederholenden metrischen Muster ignoriert, die seine Sprache manchmal nahelegt. Meine ersten Skizzen für jegliche Passagen betrafen oft und vor allem anderen die Abstände und die zeitliche Planung der Worte, und immer wurden diese Entscheidungen von der dargestellten dramatischen Situation bestimmt.

 

Formale Anlage

Was die genaue dramatische Form betrifft, so war dies letztlich Martin Crimps Aufgabe – und ich habe mich der Herausforderungen, die er mir stellte, mit Freuden angenommen. Ich wollte unbedingt jeder Szene eine ganz eigene Atmosphäre, einen ganz eigenen Ton und eine ganz eigene Sprache geben – mit einem quasi filmischen Schnitt dazwischen. Es gibt zwar zahlreiche kurze Passagen nur für das Orchester, aber sie bilden keine konventionellen Interludien zwischen den Szenen; die meisten sind sogar innerhalb der Szenen selbst platziert.

In einer Komposition dieser Größe ist eine der Hauptaufgaben, ausreichende Vielfalt der Erfindung und des Ausdrucks zu realisieren und gleichzeitig einen durchgehenden Spannungsbogen über die gesamte Struktur hinweg zu wahren. Dies bedeutet, dass man eine größere Heterogenität in Technik und Idiom riskieren muss als in einem kleineren abstrakten Werk, während man im großen Zusammenhang die rhythmische und harmonische Verklammerung eisern im Griff halten muss.

 

Handlungszeit

Was die chronologische Zeit betrifft, so bewohnt diese Oper ein seltsames hybrides Territorium – sowohl das 21. Jahrhundert als auch das Mittelalter. Was das gemeinsame Zeitempfinden der Protagonisten auf der Bühne betrifft, so „hören“ diese sich gegenseitig die meiste Zeit nicht und scheinen in getrennten Welten zu leben – daher der häufige Einsatz von gegensätzlichen Tonhöhen und Metren. Momente gelingender Kommunikation – insbesondere die Liebesszene am Ende des ersten Teils – sind selten. Und da die drei Hauptfiguren im weiteren Verlauf der Geschichte auch ihre eigenen Rollen erzählen, sind wir, so glaube ich, weit entfernt von dem Zeitgefühl, das man mit einer mehr naturalistischen Oper verbindet.

 

Orchesterbesetzung

In meiner Instrumentierung werden einige stärker besetzte Instrumentengruppen (vier Klarinetten, vier Trompeten und vier Schlagzeuger) durch leicht reduzierte Streicher (8.6.6.6.4) ausgeglichen. Und dann gibt es noch die beiden zusätzlichen Akteure – eine Bassgambe und eine Glasharmonika, beides Instrumente, die mir besonders am Herzen liegen und die für besondere Momente in der Oper reserviert sind.

Für mich ist der Klang der Gambe nicht „fern“ – sie ist einfach eine wunderbare klangliche Ressource, hoch resonant und überaus reich an Obertönen. Ich habe versucht, diese Eigenschaften hervorzuheben, indem ich den Klang der Gambe mit einem Geflecht aus gedämpften Blechbläsern „umhüllt“ habe, die alle fortissimo spielen und doch pianissimo klingen, wobei das kräftige Spielen ihren Klang zum Flirren bringt ...

Ich habe die Glasharmonika als harmonische Ressource benutzt, um komplexe Akkorde zu spielen (wofür sie eigentlich nicht ausgelegt ist). Die Spannung zwischen Fingern und Glas erzeugt eine einzigartig instabile und zerbrechliche Klangfülle, fast elektronisch – wenn auch sensibler und unvorhersehbarer.

 

Stimmbehandlung

Obwohl die Gesangsstimmen stets Vorrang haben – und daher der instrumentale Hintergrund oft diskret gehalten ist – wollte ich eine sehr breite Palette orchestraler Farben aufzeigen, auch um die Welt des mittelalterlichen Illustrators heraufzubeschwören.

Große Intervalle sind die Ausnahme, aber sie werden sowohl in ruhigen als auch in erregten Situationen eingesetzt. Die üblichen disjunkten Intervalle – kleine Septime und kleine None – der postseriellen Musik sind für mich in den letzten Jahrzehnten in der zeitgenössischen Musik viel zu omnipräsent geblieben, und so setze ich sie sparsam ein. Die noch größeren Intervalle – von großer Dezime und reiner Duodezime – werden in der Gesangsstimme häufiger verwendet, insbesondere für Agnès. Es gibt ein fast willkürliches Element, das einen großen Einfluss auf den Gebrauch der Stimmlagen hatte, und das sind die Vokale meiner Muttersprache.

Ich versuche fast ausnahmslos, hohe Töne den offenen Vokalen vorzubehalten. Ein wichtiger Teil für meinen Ansatz, für die Stimme zu schreiben, ist die wahrnehmbare Integration des Gesangs in die umgebende Orchesterharmonie. Mein Anspruch ist es, dass dies sowohl für die Sänger*innen als auch für das Publikum sehr deutlich wird. Für die Gesangspartien ist daher meist eine Begleitung von einfacherer harmonischer Kontinuität vorgesehen, als wenn das Orchester allein spielt.

 

Harmonik – Klangfarbe – Rhythmus

Harmonische Mittel? Das war schon immer meine Obsession, noch bevor ich bei Messiaen in Paris studierte ...

Jede Szene besitzt eine spezifische Harmonik und Klangfarbe sowie eine klare rhythmische Untermalung. Obwohl es keine spezifischen Leitmotive gibt, tauchen bestimmte Harmonien immer wieder auf. Diese durchgängige harmonische Gestaltung trägt – so hoffe ich – dazu bei, ein Gefühl von Kohärenz und Spannung über die gesamte Dauer der Oper aufrechtzuerhalten, wodurch die Einteilung in Szenen untergraben wird.

Einige der Prinzipien des harmonischen Plans, auf dem das Werk basiert, stehen im Zusammenhang mit Tonhöhengruppierung. Vieles von der Musik des Jungen ist verbunden mit einem in sich reichen Heptachord, der häufig mit bestimmten Klangfarben verbunden ist: Harfe, gestrichene Kuhglocken, Viola da Gamba, tiefe Trompeten mit Übungsdämpfern. Dann gibt es einen Hexachord, der mit der Musik des Protectors verbunden ist und normalerweise mit den warmen Tönen des Cellos, der Hörner und Fagotte orchestriert wird. Diese Tongruppierungen modulieren innerhalb bestimmter Grenzen und bei der Wahl dieser Technik wurde ich von Berg, Boulez und meinem großen Freund Oliver Knussen beeinflusst.

Durch den Gebrauch der erzählenden Rede erkennt Martin Crimp in seinen Texten die Künstlichkeit des Mediums Oper – insbesondere, wie dieses im 21. Jahrhundert erscheint – an und macht sie sich vielmehr zunutze, als dass er sie verschleiert. Die Überschneidung von Texten erfüllt in meiner Vertonung einen ähnlichen Zweck – sie geht dem Naturalismus aus dem Weg und ermöglicht ein viel flexibleres Tempo der stimmlichen Gestaltung und des dramatischen Kontextes. Gleichzeitig ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, dass die Geschichte klar und verständlich erzählt wird, da sonst Verwirrung entstehen würde.

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DEZ

Advents-Verlosung: Das 22. Fensterchen

Am 7. März 2025 feiert der erste Teil von Tobias Kratzers Strauss-Trilogie ARABELLA im Rahmen unserer „Richard Strauss im März“-Wochen seine Wiederaufnahme mit u. a. Jennifer Davis als Arabella, Heidi Stober als Zdenka/Zdenko, Thomas Johannes Mayer als Mandryka, Daniel O'Hearn als Matteo und wie in der Premierenserie mit Doris Soffel und Albert Pesendorfer als Ehepaar Waldner. Heute verlosen wir unsere DVD, die erst ab 14. Februar 2025 überhaupt im Handel erhältlich sein wird. Wir danken NAXOS aufs Herzlichste dafür, dass wir die ganz besondere Möglichkeit wahrnehmen dürfen, für Sie beinahe acht Wochen vor dem offiziellen Verkaufsstart ARABELLA in unseren Los-Topf zu geben.

Im heutigen Adventskalender-Fensterchen verlosen wir 2 Mal eine DVD von ARABELLA – eine lyrische Komödie in drei Aufzügen von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Wenn Sie eine der zwei DVDs gewinnen möchten, schreiben Sie bitte heute eine E-Mail mit dem Betreff „Das 22. Fensterchen“ an advent@deutscheoperberlin.de.

Wien, um 1860. Der verarmte Graf Waldner lebt mit seiner Familie in einem Wiener Hotel. Der einzige Ausweg aus seiner prekären Lage ist eine reiche Heirat für eine seiner beiden Töchter. Doch reichen die Mittel der Familie nur, um die ältere der beiden, Arabella, standesgemäß zu präsentieren. Damit die finanzielle Notlage der Familie nicht auffällt, wird Zdenka, die jüngere Schwester, als Junge verkleidet. Zwar interessieren sich etliche Männer für Arabella, doch sie ist entschlossen, solange zu wartet, bis „der Richtige“ für sie auftaucht. Als der reiche Provinzadlige Mandryka erscheint, fühlen beide auf Anhieb, dass sie füreinander bestimmt sind. Arabella bittet sich lediglich aus, auf dem anstehenden Faschingsball ihren Junggesellinnen-Abschied feiern zu dürfen. Auf dem Ball verabschiedet sich Arabella von ihren Verehrern. Dort ist auch der junge Offizier Matteo, in den Zdenka heimlich verliebt ist und mit dem sie unter dem Deckmantel ihrer Verkleidung als Junge eine Freundschaft geknüpft hat. Matteo jedoch begehrt Arabella und ist verzweifelt, als er die Hoffnungslosigkeit seiner Liebe erkennt. Zdenka fasst einen Plan: Sie fingiert einen Brief Arabellas, in dem sie Matteo eine gemeinsame Liebesnacht verspricht. Doch stattdessen will sie selbst im Dunkel des Hotelzimmers auf ihn warten. Mandryka erfährt von Arabellas angeblicher Untreue und begibt sich mit den Ballgästen ins Hotel, um Arabella in flagranti zu überraschen. Die nichtsahnende Arabella ist von Mandrykas Misstrauen zunächst tief gekränkt. Doch als sich die Verwechslung klärt, verzeiht sie ihm. Die beiden werden ein Paar, ebenso wie Zdenka und Matteo.

Die opulente, vielstimmig funkelnde Orchestersprache von Richard Strauss und das historische Wiener Setting haben schon bei der Uraufführung von ARABELLA 1933 dazu geführt, dass diese letzte gemeinsame Arbeit von Strauss und Hugo von Hofmannsthal als operettenhafte Verwechslungskomödie missverstanden wurde. Für Tobias Kratzer, der an der Deutschen Oper Berlin bereits sehr erfolgreich Alexander von Zemlinskys DER ZWERG inszenierte, markiert Strauss’ Oper jedoch die Bruchstelle zweier Weltbilder: Auf der einen Seite das traditionelle Rollenbild von Mann und Frau, wie es sich unter anderem in Arabellas berühmtem Solo: „Und du sollst mein Gebieter sein“ ausdrückt. Auf der anderen Seite steht jedoch eine moderne Vorstellung des gesellschaftlichen Miteinanders, für die beispielsweise Zdenka in ihrem Infragestellen geschlechtlicher Identitäten steht. In seiner Arbeit leuchtet Kratzer diesen Zweispalt in den zahlreichen Charakterporträts der ARABELLA aus und verfolgt das Spannungsverhältnis dieser Rollenverständnisse vom Wien des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. In der Kategorie Raum wurden Manuel Braun, Jonas Dahl und Rainer Sellmaier für diese Produktion mit dem renommierten Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2023 geehrt.

Unter der Stabführung von Sir Donald Runnicles erleben Sie in dieser Aufzeichnung u. a. Albert Pesendorfer, Doris Soffel, Sara Jakubiak, Elena Tsallagova, Russell Braun, Robert Watson, Thomas Blondelle, Kyle Miller, Tyler Zimmerman, Hye-Young Moon, Lexi Hutton, Jörg Schörner u. a. sowie Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin. Es wurden die Vorstellungen am 18. und 23. März 2023 von rbb Kultur und Naxos für diese DVD aufgezeichnet.

Wir danken dem Label Naxos für die großartige Zusammenarbeit der letzten Jahre, die Aufnahmen von DER ZWERG, DAS WUNDER DER HELIANE, FRANCESCA DA RIMINI, DER RING DES NIBELUNGEN, DER SCHATZGRÄBER, DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG sowie ANTIKRIST dokumentieren. Im Laufe des Jahres 2025 erscheinen Richard Strauss‘ ARABELLA und INTERMEZZO.



Einsendeschluss: 22. Dezember 2024. Die Gewinner*innen werden am 23. Dezember 2024 per E-Mail informiert. Die DVDs gehen anschließend auf dem Postweg zu. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.