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Himmelfahrt einer Ikone - Deutsche Oper Berlin

Himmelfahrt einer Ikone

Ottorino Respighi erzählt in LA FIAMMA von einer Hexenverfolgung. Hundert Jahre später gelten Hexen als Heldinnen

Neun Millionen Hexen seien alleine in Deutschland zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert verbrannt worden. Dies ist nur einer der vielen Mythen, die erstaunlich lange durch Medien und Öffentlichkeit geisterten – und das, obwohl die moderne Wissenschaft sie längst als falsch zurückgewiesen hatte. Tatsächlich waren es um die 50.000 Hinrichtungen in ganz Europa, die wenigsten davon auf dem Scheiterhaufen. Grund war nicht etwa ein aufkeimender Humanismus in der frühen Strafverfolgung, öffentliche Verbrennungen waren schlicht zu aufwendig.

Der Historiker Wolfgang Behringer kennt die vielen Irrtümer, die sich beharrlich halten, auch was die treibende Kraft hinter dem Hexenwahn angeht. Die wenigsten Prozesse wurden von der Kirche geführt. Die meisten Fanale waren weltlich, Ausbrüche lokaler Hysterie, oft entwickelten sich regelrechte Massenpsychosen, versetzten ganze Landstriche in Angst und Schrecken und hinterließen eine traumatisierte Bevölkerung. Beim Versuch, aus dem Hexennarrativ Profit zu schlagen, nahmen es spätere Generationen mit der historischen Korrektheit selten genau – es entstand ein langes Gezerre um Deutungshoheit.

Auch Ottorino Respighi und sein Librettist Claudio Guastalla drehen für LA FIAMMA an der Wahrheit und verlagern das Geschehen um einen norwegischen Hexenprozess von 1590 nach Ravenna, ins 7. Jahrhundert. Dass damals keine Hexenprozesse stattfanden, und schon gar nicht im byzantinischen Italien? Geschenkt. Das Drama um Liebe und Hexerei wird so in ein größeres Ambiente gerückt, in einen Konflikt zwischen Christentum und Heidentum, zwischen Orthodoxie und Häresie. Aus der Norwegerin Anne Pedersdotter wird die Heldin Silvana, die allein durch ihren Namen etymologisch (lat.: silva = der Wald, Freundin des Waldes) mit einer archaischen Wildheit verbunden ist, in der das Obskure, das Magische lauert. Auch der Titel verweist in seiner Mehrdeutigkeit auf die Flamme der Liebe, die leidenschaftlich brennt und verschlingen kann, auf die Hexenkraft, derer sich die Protagonistin bedient haben soll, und auf den grausamen Tod durch das Feuer.

Selbstbewusste weibliche Sexualität stellt in einer Gesellschaft, wie LA FIAMMA sie zeichnet, eine Gefahr für die geistliche Askese dar. In der Überspitzung zum Phaidra-Motiv (der verbotenen Liebe einer Frau zu ihrem Stiefsohn) bekommt Silvanas Figur gar etwas Diabolisches, indem sie ihre männlichen Opfer bewusst verhext. Wenngleich die Heldin als Leidtragende einer religiösen, patriarchalen Rechtsprechung zum Tode verurteilt wird, so erzählen ihr sexuelles Erwachen, ihr Geständnis, ihre Hexenwerdung auch die Geschichte einer Emanzipation.

Geschichten, Mythen und Erzählungen sind voller Hexen – und entsprechend schillernd ist ihre Vielfalt: »Sie sprengen jegliche Grenzen und brechen so schnell aus den Kategorien aus, wie wir sie aufstellen. Sie verändern sich ständig und mit uns, wie ein Spiegel all unserer Entwürfe des Frauseins«, so die Altphilologin Madeline Miller.

Simone Signoret in dem Kinofilm »Die Hexen von Salem« von Raymond Rouleau, 1957. Das Drehbuch stammt von Jean-Paul Sartre, nach Vorlage des Theaterstücks »The Crucible« (Hexenjagd) von Arthur Miller © Pathé Production / DEFA
 

Im Raum zwischen Realität und Fiktion liegt ihr Potenzial: Hexen faszinieren als narrative Figuren, als diskursive Projektionsflächen, von der buckligen Schurkin bis zur bildhübschen Kämpferin für das Gute, von der Frau auf dem Scheiterhaufen bis zur feministischen Ikone. In beständiger popkultureller Renaissance wandeln Hexen durch Filme und Serien: als smarte Sympathieträgerin wie Hermine Granger in »Harry Potter« oder als dunkle Außenseiterin wie Wednesday in der gleichnamigen Netflix-Serie.

Es waren radikalfeministische Gruppierungen in den USA, die die Figur der Hexe in den späten Sechzigerjahren für sich entdeckten und umdeuteten. Als »Women’s International Terrorist Conspiracy from Hell«, kurz W.I.T.C.H., zog 1968 erstmals eine Gruppe von Feministinnen in schwarzen Umhängen und Spitzhüten über die Wall Street und belegte die Börse mit einem Fluch. Denn, so die Überzeugung der Aktivistinnen, um das Patriarchat zu überwinden, müsse man ihm den Nährboden entziehen und den Kapitalismus bekämpfen – skurrilerweise fiel der Dow Jones am nächsten Tag. In den folgenden Jahren machte die Gruppe immer wieder mit Performances auf sich aufmerksam, bei denen sie ganze Industriezweige symbolisch verfluchte. Seitdem tauchen als Hexen verkleidete Frauen immer wieder auf feministischen Demonstrationen auf, so auch 2016 während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs von Donald Trump.

Über den Umweg der Straße gelangte der moderne Feminismus ab den Siebzigerjahren an die Universitäten und die Hexe landete als kulturanthropologisches Phänomen auf den Lehrplänen der Seminare, wurde nach und nach zum Vorbild für selbstbestimmte Frauen. Ihrem 2018 erschienenen Buch »Hexen: Die unbesiegte Macht der Frauen«, in Frankreich ein Bestseller, stellt Mona Chollet ein Zitat aus dem Manifest der W.I.T.C.H.-Bewegung voran: »Du musst nicht WITCH-Anhängerin sein. Wenn du eine Frau bist und es wagst, in dich selbst hineinzusehen, bist du eine Hexe.« Die Hexenwerdung einer neuen Generation von Frauen, das wussten bereits die Aktivistinnen der ersten Stunde, durfte nicht an religiöse Praktiken geknüpft sein. Die Figur war immer schon angelegt als Einladung, als ein möglichst anschlussfähiges Modell für selbstreflektierte Weiblichkeit. In ihrer unbestimmten Freiheit liegt ein Schlüssel für ihren Erfolg.

Dieser Weltlichkeit entgegen steht eine relativ junge Bewegung, die die Ethnologin Victoria Hegner in ihrer 2021 erschienenen Studie »Hexen der Großstadt« am Beispiel des Ortes beschreibt, der die größte Hexendichte Mitteleuropas für sich reklamiert: Berlin. Hegner begleitet Frauen, die das feministische Emanzipationsprojekt des Hexentums bewusst wieder mit religiösen Praktiken, Ritualen und Magie auf laden, sich als neuheidnische Hexen definieren und ihre neue Religion offen praktizieren.

»Nach allem, was wir wissen, wäre es also gut möglich, dass direkt neben euch eine Hexe wohnt«, schrieb Roald Dahl in »Hexen hexen«. Dem könnte man hinzufügen: Möglicherweise sitzt auch in LA FIAMMA eine neben Ihnen.

Tilman Mühlenberg, Samira El Ouassil

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