Im Dienste der Kunst - Deutsche Oper Berlin

60 Jahre Deutsche Oper Berlin

Im Dienste der Kunst

Im Saal spielt die Musik die Hauptrolle, im Foyer die Menschen. Laura Fogarasi-Ludloff liebt die Deutsche Oper Berlin. Als Architektin und als Opernfan

Laura Fogarasi-Ludloff
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Laura Fogarasi-Ludloff ist Vorstandsmitglied des Bundes Deutscher Architekten Berlin. Als Mitgründerin des Architekturbüros Ludloff Ludloff hat sie international ausgezeichnete Gebäude realisiert.

Ich bin absolut begeistert vom Gebäude der Deutschen Oper Berlin. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich eine besondere Beziehung zu Opernhäusern habe: Mein Vater war Opernsänger und so bin ich von klein auf mit der Musik und den Orten, an denen sie aufgeführt wird, großgeworden. Unter diesen Orten nimmt die Deutsche Oper Berlin eine besondere Stellung ein. Sie ist ein Musterbeispiel für gebaute Demokratie, ein offenes Haus, das die Besucher einlädt. Wenn man sich dem Gebäude von Westen nähert, ermöglicht die Fensterfront einen direkten Blick von außen ins Innere. Man kann als Passant die Besucher sehen, hier wird nichts abgeschirmt, kein hermetischer Raum erzeugt. Gleichzeitig verortet man sich als Besucher durch einen Blick nach draußen in der Stadt, durch die Entgrenzung des Raums, wie in einem Foyer der Stadt.

Der wichtigste Ort in einer Oper ist der Saal, ohne Zweifel. Hier hat Bornemann einen radikal neuen Weg eingeschlagen. Das Gebäude folgt konsequent der Idee der gleichberechtigten Opernrezeption: Bühne und Zuschauerraum ordnen sich dem Spiel und der musikalischen Aufführung unter. Die Sicht und das Klangerlebnis sind von allen Plätzen nahezu gleich gut – eine revolutionäre Entscheidung und eine technische Meisterleistung. Insbesondere die Akustik auf diese Art zu optimieren, ist alles andere als einfach. Man baute aufwendige Modelle, um die Klangsituation zu simulieren.

Architekten stellten sich übrigens nicht immer so in den Dienst der Kunst. Heutzutage mag es sonderlich klingen, aber historische Theater waren nicht darauf ausgerichtet, dass auf der Bühne das Wichtigste passierte. Vielmehr sollten sich die Zuschauer im Saal in erster Linie gegenseitig sehen können. Diese kommunikative Funktion hat Bornemann ins Foyer verlagert. Hier kommen alle Zuschauer zusammen, egal welche Tickets sie erworben haben – und zwar nicht als Passanten oder passive Konsumenten, sondern als selbstbewusste Akteure. Die verschiedenen Niveaus ermöglichen Blickbeziehungen, man kann in unterschiedlichen Gruppengrößen zueinander finden. Man kann stehen, sitzen, lehnen. Das ist nicht selbstverständlich! Ich spüre diese Freiheit jedes Mal selbst, wenn ich das Haus betrete und die Kunstwerke betrachte. Kunst am Bau gibt es natürlich häufig, hier aber empfinde ich die Arbeiten von Arp und Armitage als besonders gelungen.

Ich würde übrigens widersprechen, wenn man dem Gebäude seinen Willen zur Repräsentation und Feierlichkeit gänzlich abspricht. Bei der immer wieder als zu nüchtern kritisierten Waschbetonfassade handelt es sich eben nicht um ein Alltagselement. Wir haben es mit einer architektonischen Entscheidung zu tun, die dieses Material zelebriert. Bornemann hat ausgesucht große Weißkiesel gewählt, der Maßstabssprung verfremdet das vermeintlich banale Material, der gesamte Entwurf besticht durch bewussten Gestaltungswillen. Es ist interessant zu beobachten, wie sich die Rezeption dieser Fassade über die Jahre entwickelt hat. Zum Zeitpunkt der Eröffnung war Waschbeton, wenn auch als Fassade einer Oper umstritten, ein zeitgemäßer Baustoff. Später ist er dann völlig aus der Zeit gefallen, nur um seit etwa zehn Jahren eine Renaissance zu erleben. Gerade unter jüngeren Leuten ist der Brutalismus ja wieder extrem »hip«. Man könnte also sagen, dass die Deutsche Oper Berlin Glück gehabt hat. Nach 60 Jahren ist ihre Gestaltung vielleicht so angesagt wie nie zuvor. Ich glaube, viele Menschen entdecken in diesen zunehmend rarer werdenden Gebäuden eine gestalterische Radikalität und einen Formwillen. Sie erkennen, dass dies nicht nur eine Architektur des Wiederaufbaus oder der reinen Zweckerfüllung war, sondern die konsequente Suche nach einem Neubeginn.

Eine solche Architektur übernimmt Verantwortung für den Stadtraum, der sie umgibt. Schauen Sie sich nur die drei wichtigen Bornemann-Bauten in Berlin an, die Deutsche Oper, die Freie Volksbühne und die Amerika-Gedenkbibliothek. Jedes dieser Gebäude ist völlig anders, weil es auf die vorhandene Umgebung reagiert, mit ihr kommuniziert, sie teilweise sogar antizipiert. Das macht diese Architektur zeitlos – und das ist auch nach so vielen Jahren noch bewundernswert.

— Text: Tilman Mühlenberg

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