Irrfahrten der Seele - Deutsche Oper Berlin

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Irrfahrten der Seele

Gespenster, Vampire und allerlei Unholde geisterten ab 1820 durch die Partituren der „Deutschen romantischen Oper“. Auch Richard Wagner griff tief in die Trickkiste des Übersinnlichen – aber anders als alle anderen

Lohengrin
Romantische Oper von Richard Wagner
Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Inszenierung: Kasper Holten
Mit Andreas Bauer Kanabas, Daniel Johansson, Camilla Nylund, John Lundgren, Anna Smirnova u. a.
12. Mai 2019

 

Deutschland war noch lange nicht vereinigt, als schon die Geister über seine Opernbühnen kamen und mit ihnen eine neue Gattung: die „Deutsche romantische Oper“. Vor den großen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts suchten Kunst und Kultur etwas Eigenes, spezifisch Deutsches, gerade auch in Abgrenzung zur europaweit gefeierten italienischen und französischen Oper. „Deutsch romantisch“ bedeutete auf den Opernbühnen vor allem: der Einbruch des Übersinnlichen in die Realität, die Konfrontation von Geisterreich und Menschenwelt. Louis Spohr etwa lässt 1825 einen Berggeist in heißer Opernliebe zu einer Frau entbrennen, bis nach etlichen Verwicklungen schließlich ein Urgeist den Berggeist zurück in die Unterwelt befiehlt. Die biedermeierliche Moral von der Geschicht’: Ein jeder, ob Mensch, ob Geist, bleibe in seinem Stande und lerne, sich dort zu bescheiden. Auch Heinrich Marschners Vampyr kann die ersehnte irdische Frau nicht erringen und fährt als Theaterbösewicht zurück in den Abgrund, während der Schlusschor jubelt: „Wer Gottesfurcht im frommen Herzen trägt, dem muss der Hölle dunkle Macht entweichen.“ Nach der erfolgreichen Abwehr des Teufels feiert man auch hier die glücklich bewahrte Idylle.

Richard Wagners Fliegender Holländer scheint diesen gespenstischen Brautwerbern durchaus verwandt – und wirft doch noch andere Fragen auf. Denn bei Wagner steht am Ende keine gefestigte biedermeierliche Gesellschaft. In seinen romantischen Opern werden die Menschen nicht von den Geistern befreit, im Gegenteil: In der Begegnung mit dem Übersinnlichen bricht in den Erdenbewohnern selbst Abgründiges auf. Die Figuren fallen ins Bodenlose, Tore öffnen sich zu den schwarzen Untiefen der eigenen Existenz, nichts ist mehr wie zuvor. Kein Kreis, der sich schließt. Eine Integration in die Gesellschaft kann es danach nicht geben: weder für den Geist noch für den, der in Kontakt mit ihm geriet.

Genau dieser Verlust der Ordnung und der inneren wie äußeren Sicherheiten macht Wagners romantische Opern bis heute interessant. Wir erleben keine bedrohlichen Bösewichte, sondern Wanderer zwischen den Welten. Holländer, Tannhäuser, Lohengrin: Sie suchen eine Heimat, einen Fixpunkt auf ihren Irrfahrten zwischen Himmel und Hölle, zwischen Venusberg und Minneburg (Tannhäuser), zwischen Gralsrittertum und brabantischem Fürstenhof (Lohengrin), zwischen ewiger Meerfahrt und heimeliger Spinnstube (Holländer). Diese äußeren Orte werden dabei zunehmend unwichtig, denn Erlösung – und das ist das zentrale Stichwort für Wagner – kann den einsamen Wanderern nur durch die bedingungslose Hingabe einer Frau zuteilwerden.

Dabei ist das Frauenbild zum Glück nicht so einseitig, wie es zunächst scheint. Denn bei Wagner sind Erlöserinnen auch Ausbrecherinnen, streben selbst nach mehr: Senta sucht im HOLLÄNDER nach einem Ausweg aus ihrer kleinkarierten, materialistischen Welt. Sie geht einen Weg, der nur im Selbstmord enden kann. Der Holländer erscheint ihr da zur rechten Zeit, mit der rechten Forderung: Treue bis zum Tod. Ähnliches gilt für Elisabeth in TANNHÄUSER und Elsa in LOHENGRIN – beide sehnen sich nach Möglichkeiten eines Lebens jenseits des moralisch korrekten, bürgerlichen Rahmens. Sie suchen den Helden aus der anderen Welt, den Revolutionär, den Anarchisten, der Energien freisetzt und seine Pranke schlägt in das satte Fleisch von Gesellschaft und Individuum.

Dass diese Helden letztlich alle scheitern, dass sie ebenso wenig „erlöst“ werden können wie die Frauenfiguren, auf die sie hoffen, das ist Richard Wagners Lebensthema. Die einmal aufgebrochenen Ängste bleiben. Wagners Geister, sie können nicht mit Tugend und Moral zurück in die Hölle geschickt werden.

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