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Lorenzo Fioroni über Puccinis letzte Oper „Turandot“ - Deutsche Oper Berlin

Mit Lorenzo Fioroni sprach Katharina John

Lorenzo Fioroni über Puccinis letzte Oper „Turandot“

TURANDOT bezieht ihre theatrale Grundsituation aus einem orientalischen Märchen, das bis heute in vielfältigen Varianten in der europäischen Literatur und Musik aufgenommen wurde. Puccini wählte den Stoff, weil er sich nach Erneuerung sehnte. Inwiefern geht er mit dieser Oper andere Wege?
Frühere Werke Puccinis sind oftmals in einem realistischen Milieu angesiedelt und spielen in Puccinis eigener Gegenwart. Das ist bei TURANDOT nicht so: Hier bedient sich Puccini der Form der zeitlosen Parabel. Inhaltlich zieht er Bilanz seiner Auseinandersetzung mit dem großen Thema, das sich durch sein gesamtes Werk zieht, dem Verlangen, der Sucht und dem Bedürfnis nach Liebe! Je mehr ich mich mit TURANDOT beschäftige, als desto niederschmetternder, trauriger und auch hoffnungsloser empfinde ich diese Oper. Es herrscht eine grenzenlose Hysterie. Keine Figur ist in der Lage, eine Situation mit klarem Kopf zu bedenken. Alle – kleine Abstriche würde ich da nur bei den Ministern Ping, Pang, Pong, machen – sind manisch besessen und regelrecht getrieben von irgendeiner Idee. Jeder verfolgt nur seine eigenen Ziele.

TURANDOT – Puccini nennt seine Oper ein „lyrisches Drama“ – ist ja eine eigenwillige Kombination mit der Grundstruktur eines monumental-monströsen Märchens, Anteilen der Commedia dell’arte, die komische genauso wie entlarvend-kommentierende Elemente hinzufügt und Zügen individuellen psychologischen Erzählens, was vor allem im Melos der Musik hörbar wird. Mit was für einer Art Figuren hat man es hier zu tun?
Puccini sagte sinngemäß zu seinen Librettisten: „Machen wir also ein Märchen, gefiltert durch unser modernes Gehirn!“ Interessanterweise ist es aber so, dass die Figuren, die am ehesten wie Puppen oder Märchenfiguren wirken, weil sie in ihrer Anlage den Charakteren der Commedia dell’arte gleichen, am deutlichsten menschliche Züge zeigen – und das, obwohl ihre Puppenhaftigkeit noch durch die Musik unterstützt wird. Alle anderen verfolgen manisch eine ganz bestimmte Sache, aber die Minister, die springen, die betrachten eine Situation von außen, reflektieren und kommentieren diese zynisch oder ironisch. Auch musikalisch ist es so, dass sie immer wieder neue Motive erfinden. Anders als das restliche Personal sind sie keine egozentrierten Maniacs.

Ist diese Uneinheitlichkeit für Dich ein Problem oder eher ein Anreiz?
Das finde ich gerade reizvoll und formal sehr interessant. Natürlich ist TURANDOT ein sperriges Stück. Man kann das sicherlich so sehen, dass Puccini letztendlich mit diesem Werk gescheitert ist. Er hat sich offenbar etwas vorgestellt, was sich nicht realisieren ließ, oder was zumindest er nicht realisieren konnte. Das soll aber nicht heißen, dass diese Oper nicht aufführbar oder nicht trotzdem gut wäre. Ich sehe es so, dass die Apotheose der Liebe zum höchsten Glück, wie Puccini sie sich vorgestellt haben mag, nicht funktioniert. Seine Idee war die, dass jemand eine Liebeswärme ausstrahlt, die stark genug ist, einen anderen Menschen, der das Gefühl von Liebe gar nicht kennt und auch nicht erfahren will, von einem Moment auf den anderen zu „bekehren“. Einer der Hauptgründe dafür, warum diese „Bekehrung“ nicht nachvollziehbar ist, liegt meines Erachtens darin, dass sie auf dem Opfer Liùs gründet. Der Tod Liùs stellt das Paar Turandot und Calaf am Ende in einen monströsen und unheimlichen Schatten.

Welche Aspekte TURANDOTS werden im Vordergrund Deiner Beschäftigung mit dieser Oper und Deiner Inszenierung stehen?
Es geht um die Anwendung von Grausamkeit und auch um den Zweck der Grausamkeit, der hier zum Selbstzweck wird. Der Staat, zu deren Führungskaste Turandot gehört, benutzt Grausamkeit nicht dazu, um politische Ziele zu verfolgen, ihre Anwendung scheint sich in der puren Ausübung um ihrer selbst willen zu erschöpfen. Das Thema Hysterie lässt sich noch einmal differenzieren in die Hysterie von Massen und die Hysterie des Einzelnen: Calaf z.B. verfolgt nur ein einziges Ziel: Das formuliert er auch so: „Gehe die Welt zugrunde, ich will Turandot!“ Man erwartet eigentlich, dass die beiden völlig selbstvergessen aufeinander zustürmen, sich haben wollen und sich dann in einer tragischen, romantischen Liebe selbst zerstören – à la Tristan und Isolde. Bei TURANDOT wird dieses Muster aber umgekehrt: Auch diese Liebe kann nur dadurch ausgelebt werden oder zum Ziel kommen, dass es Zerstörung gibt. Diese Zerstörung betrifft hier aber nicht die Liebenden, sondern ihre Umgebung! Es muss Opfer geben, man opfert sich aber nicht selber, bringt sich nicht um und stirbt auch nicht den Liebestod, sondern lässt jemand anderen für die eigene Liebe sterben; z.B. Liù, die von allen Figuren noch am ehesten die Liebe im Sinne einer Fähigkeit zur Selbstaufgabe verkörpert. Ausgerechnet sie wird regelrecht ausgelöscht.

Fungiert Grausamkeit als Mittel zur Kommunikation?
Ja, genau. Ich stelle mir das so vor, dass man den sinnlichen Reiz von Gewalt als Auslöser benötigt, um sich selbst in Erregung zu versetzen, sich spüren zu können. Auf diesen Zweck zielt die Anwendung von Grausamkeit. Es ist offensichtlich, dass Turandot die Misshandlung einer Frau aus ihrer Familie als prägend erlebt hat. Sie ist mit der Erfahrung von Grausamkeit aufgewachsen und kennt selbst nichts anderes. Puccinis Musik zu Turandots Selbstbekenntnis ist hier so grandios wie psychologisch genau: Sie fließt dahin wie eine Art halluzinatorisches Wiegenlied, mit dem die Prinzessin sich selbsthypnotisch ihrer vermeintlichen Bestimmung versichert und gleichzeitig gleichsam in ihr eigenes Kinderbettchen zurückkehrt. Calaf hat einen ähnlichen Hintergrund, auch sein Vater ist ein Herrscher, ein abgesetzter Herrscher auf der Flucht … Auch hier war Gewalt im Spiel, auf welcher Seite auch immer. Die Unbarmherzigkeit im Wesen Turandots, ihre Unfähigkeit, eine menschliche Regung zu zeigen, das sind Züge, die ich auch bei Calaf sehe. Beide gehen mit einem „Tunnelblick“ durch ihr Leben, verfolgen nur noch ein Ziel, obwohl die Menschen um sie herum permanent versuchen, ihre Entscheidungen zu beeinflussen: Nicht nur ihr Vater, sondern das ganze Volk will, dass Turandot sich ändert und ihre Haltung aufgibt. Bei Calaf stoßen weder die Bitten seines Vaters noch das Weinen Liùs auf eine nennenswerte Reaktion. Im Gegenteil: Als Liù und Timur ihn um Mitleid bitten, ist Calaf es, der meint, selbst Mitleid verdient zu haben.

Du hast vorhin nicht nur die Hysterie der einzelnen Figuren erwähnt, sondern auch von der Hysterie der Masse gesprochen. Welche Rolle spielt das Volk, welche Funktion hat es im Gesamtzusammenhang, was sagt seine Haltung über die Situation aus?
Es ist abgestumpft von einer schlechten Regierung und nicht mehr fähig, zu einer Meinung wirklich zu stehen. Bei jedem neuen Sinnesreiz wechselt es hilflos seine Stimmung, auf Angst folgt Sensationsgier. Man bekommt eine entmündigte, infantilisierte und verwahrloste Gesellschaft vorgeführt, deren Situation sich mit der eines Kindes vergleichen lässt, um das man sich nicht gekümmert hat: Es kann sich nicht entwickeln, bleibt dumm und unmündig. Ich stelle mir die Untertanen Turandots als eine Masse von Augen vor, deren Blick und Begehren sich immer auf die Prinzessin richtet. Von ihr kommt alles, von ihr erwartet man alles – auch das regelmäßige Schauspiel der Grausamkeit! Diese Erwartungshaltung erzeugt bei Turandot wiederum einen ungeheuren Erwartungsdruck, der auf ihr lastet. Insofern lässt sich auch nachvollziehen, dass sie sich einen Panzer zugelegt hat.

Die Minister – Ping, Pang, Pong – hast Du als Wesen mit teilweise menschlichen Zügen von der eindimensionalen Daseinsperspektive der anderen Figuren ausgenommen. Wo siedelst Du sie an?
Das sind Opportunisten. Sie durchschauen, was vor sich geht, machen aber mit, weil sie persönlich davon profitieren können. In ihren Äußerungen könnten diese Figuren auch so etwas wie das Gewissen der Protagonisten darstellen. Besonders in ihrem Verhältnis zu Calaf, den sie massiv in seinen Entscheidungen zu beeinflussen versuchen. Sie sind eine Art „Staatsschauspieler“, die das System immer wieder stützen. „The show must go on!“. Wenn sie sich bei der Verwandlungsmusik im zweiten Akt für ihren nächsten Auftritt schminken, hört man einen österreichischen Marsch („Wir sind vom k.u.k Infanterie-Regiment“), der schief harmonisiert ist. Hier entlarvt die Musik die lächerliche Fratze der Macht und die Hohlheit eines Systems, dessen Aufrechterhaltung immer wieder neu behauptet wird, das sich aber nie verändert.

Ein Rätsel ist eine spielerische Aufgabe mit Wettkampfcharakter, deren Reiz darin besteht, dass es nicht gelöst werden muss, aber gelöst werden kann. Der Ausgang ist offen. Wenn Turandot ihre Rätsel stellt, riskiert sie also ganz bewusst die Möglichkeit, besiegt zu werden. Sie bricht den Kontakt mit den verhassten Männern nicht ab, sondern kommuniziert über das Vehikel des Rätsels. Was könnte ihr Motiv dafür sein?
Man könnte das Rätsel als ein Kommunikationsmittel sehen, als Turandots Weise, trotz ihrer prinzipiellen Ablehnung, doch mit Männern in Kontakt treten zu wollen. Die Rätselfragen endeten bisher ja immer mit dem Tod der Kandidaten. Ihre Hinrichtung ist für Turandot der Vollzug des Liebesaktes, der sinnliche, äußerst erregende Höhepunkt ihrer Kommunikation mit dem jeweiligen Mann. In Puccinis Dramaturgie befindet sich an der Stelle der Rätselszene sonst immer das Liebesduett. In TURANDOT gibt es das nicht. Hier gibt es statt des Liebesduetts ein Verhör. Auch den Verlauf der Rätselsituation könnte man mit einem Liebesakt vergleichen, der stufenweise zum Höhepunkt, zum Orgasmus der Hinrichtung führt. Die Musik legt diesen Gedanken jedenfalls nahe. Mit Calaf verhält es sich anders. In dem Moment, in dem Turandot behauptet, nie einen Mann haben zu wollen, widerspricht die Musik ihren Worten. Hier hat Puccini eine Musik komponiert, die man als einen verzweifelten Schrei nach Zuwendung verstehen muss. Danach inszeniert übrigens Calaf nach ihrem Vorbild eine eigene Rätselszene. Das müsste er ja nicht. Sie soll ihm seinen Namen nennen. Die Frage nach dem Namen ist die Frage nach der Identität, dem Wesen eines Menschen. Es geht darum, jemanden zu „erkennen“. Und genau dies offenbart er ihr durch das Rätsel, sie lernt sein (grausames) Wesen kennen. Damit zeigt er Turandot – wohl unbewusst – welche Möglichkeiten er selbst zur Grausamkeit hat, denn er bewirkt mit seiner Frage, dass sie um sich schlägt und bereit ist, alle umzubringen, die zur Lösung des Rätsels nichts beitragen können. In beiden Rätselszenen geht es um Leben und Tod. In der ersten ist der Kopf Calafs in Gefahr, der übertrumpft sie mit seiner Inszenierung aber noch, indem er – die Grausamkeit Turandots miteinkalkulierend – alle in Gefahr bringt, die nicht in der Lage sind, seinen Namen herauszufinden. Calaf führt hier keine andere Kommunikationsebene, z.B.die der Menschlichkeit, der Liebe ein, er deeskaliert nicht, sondern spinnt den Faden des grausamen Spiels weiter. Es muss offenbar Blut fließen! Am Ende scheint mir, dass Turandot und Calaf das, was sie unter Liebe verstehen nur realisieren können angesichts begangener Grausamkeit und im anderen genau dieses Potential der Grausamkeit erkennen. Beide sind dazu fähig und das verbindet sie. Eine erschreckende und gleichzeitig faszinierende Verwirrung von Gefühlen.

Erschienen ist dieses Gespräch in der Beilage der Deutschen Oper Berlin beim Tagesspiegel, Nr. 5 (2008).

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