Marc Albrecht … Mein Seelenort: Schlossgarten Charlottenburg

Marc Albrecht liebt den Park am Charlottenburger Schloss. Und die Musik der 1920er: Er dirigiert Franz Schrekers DER SCHATZGRÄBER, einen Opern-Hit der Weimarer Republik

Mein Seelenort ist der Schlossgarten Charlottenburg in Berlin. Diesen barocken Park direkt am Schloss finde ich beeindruckend. König Friedrich Wilhelm II. ließ sich hier einen Garten im englischen Stil anlegen. Wenn man ganz nach Norden durchgeht, zum Teehaus Belvedere, kommt ein etwas wilderer Bereich mit Schilf und vielen Wiesen, den liebe ich am meisten. Ich wohne in der Nähe, die Deutsche Oper Berlin ist auch nicht weit, dieser Garten ist sozusagen Teil meines kleinen Dorfes innerhalb der Stadt.

Hier ist mein Ruheort. Und den brauche ich auch dringend, um mich von den häufigen Reisen oder dem Studium der Partituren mal auszulüften. Denn wir Dirigenten sind bei der Vorbereitung Schreibtischtäter und Kopfarbeiter. Ich suche dann die Strukturen und Klangmischungen in den Werken, spiele einzelne Passagen am Klavier durch. Die Musik wird dabei immer reicher, je länger ich mich mit ihr beschäftige, mit jedem Durchgang kommt sozusagen mehr von der Musik ins Bewusstsein.

Wenn ich die Partitur schließlich innerlich hören kann, lässt sich der Strom der Musik oft gar nicht mehr abschalten. Auch nachts läuft im Kopf dann eben nochmal die ganze Oper ab. Schlaf halte ich aber inzwischen für überschätzt. Ich liege, ich schließe die Augen, der Körper ruht sich dann doch aus. Auch hier im Park gehe ich gern spazieren und höre im Kopf die Musik, die ich als nächstes dirigieren werde. An der Luft und in Bewegung ist das nochmal ein anderes Erlebnis, ich entdecke dabei immer wieder Neues.

Für die Musik der 1920er Jahre setze ich mich besonders gern ein. Vieles aus diesem aufregenden Jahrzehnt ist heute vollkommen zu Unrecht vergessen. Und vieles davon ist eng mit Berlin verbunden. Der Komponist Franz Schreker hat sogar hier in der Nähe des Parks gelebt, in der Hardenbergstraße. Seine Oper DER SCHATZGRÄBER, die wir jetzt aufführen, feierte im April 1922 an der Staatsoper ihre Berlin-Premiere und war seitdem hier nicht mehr zu sehen. Viele große Werke jener Zeit wurden in Berlin besonders gut aufgenommen. Alban Bergs WOZZECK erlebte Ende 1925 an der Lindenoper seine Uraufführung. DAS WUNDER DER HELIANE von Erich Wolfgang Korngold wurde zwar in Hamburg uraufgeführt, kam aber 1928 an die Städtische Oper, die Vorgängerin der Deutschen Oper Berlin, der große Bruno Walter dirigierte damals.

Weitblick: Der gebürtige Hannoveraner Albrecht setzt sich besonders für die Musik der 1920er ein, auch für das Werk von Korngold, Berg oder Zemlinsky © Jonas Holthaus
 

Und Schrekers SCHATZGRÄBER wurde ja übrigens ein Riesenerfolg in der Weimarer Republik. Die kurzweilige Oper erzählt eine Geschichte aus einem Märchenland in vier schnellen Akten, es geht um einen verschwundenen Goldschatz und eine unerfüllte Liebe. Schrekers Werk lief an immerhin rund 50 verschiedenen Opernhäusern im ganzen Land und ist damit eine der meistgespielten Opern des Jahrzehnts. Im Jahr 1933 kommen die Nationalsozialisten an die Macht und alles ist vorbei. Eine wunderbare, lebendige Musikszene kommt an ihr abruptes Ende. Auch Schrekers Oper wird als »entartete Kunst« eingestuft und dann vergessen. Ich finde es heute sehr faszinierend, die Opernwelt der Jahre zuvor in all ihrem Reichtum wieder aufleben zu lassen und dem Publikum neu vor Augen zu führen.

Aus der Oper der 1920er Jahre spricht auch die gewisse Ekstase jener Zeit, eine aufschäumende Energie, oft erotisch aufgeladen, häufig auch mit Nacktszenen – das war damals ein Novum in der Opernwelt und ist bis heute ungewöhnlich für das Musiktheater. Die Opern dieser Jahre haben meist keine Ouvertüren mehr, es geht gleich mitten hinein ins Leben der Figuren. Manchmal klingt es spätromantisch, manchmal auch sperrig, aber es funktioniert! Diese Stücke haben uns heute doch wieder mehr zu sagen. Die Kraft von Schrekers ungeheuer farbenreicher Musik teilt sich einfach mit!

Und sie passt perfekt in den Raum und die Akustik der Deutschen Oper Berlin. Hier war ich vor Jahren schon einmal Erster Gastdirigent und bin nun zu meiner Freude dem Haus wieder enger verbunden. Seit zwei Jahren lebe ich nun auch in Berlin, am Schlosspark. Meine Kinder finden es hier prima, im nördlichen Teil des Parks kann man dann auch mal einen Fußball herausholen. Hier fühle ich mich frei, die Welt steht offen. Vermutlich ist das ein wenig ähnlich wie mit der Musik der 1920er Jahre.

Albrecht war zuletzt Chefdirigent der Nationale Opera in Amsterdam, erhielt 2021 den Opus Klassik als „Dirigent des Jahres“ und lebt nun wieder in Berlin © Jonas Holthaus
 

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