Die unbegreifliche Seele - Deutsche Oper Berlin
Die unbegreifliche Seele
Zur Wiederaufnahme von Marco Arturo Marellis Inszenierung „Pelléas und Mélisande“ am 9. September 2015.
Im zauberhaften Märchenland Allemonde spielt die einzige vollendete Oper von Claude Debussy „Pelléas und Mélisande“. Auf der Herrscherfamilie um König Arkel lastet ein Fluch. Die Angehörigen von vier Generationen leiden unter Krankheit, Tod, Starre und gegenseitigem Nichtverstehen. Golaud, der Thronfolger, versucht, dem Stillstand zu entkommen und heiratet eine Fremde: Mélisande, die er verstört
im Wald gefunden hat. An sie knüpft sich aller Hoffnung. Aber auch sein Bruder Pelléas verstrickt sich in
die Liebe zu seiner rätselhaften Schwägerin. Indifferent und unglücklich steht sie zwischen beiden Männern. Der Dreieckskonflikt entlädt sich in brutaler Gewalt gegen die schwangere Mélisande und kulminiert im Brudermord.

„Pelléas und Mélisande“ gilt bis heute als Inbegriff des Geheimnisvollen und Rätselhaften auf der Opernbühne. Das Faszinosum der unbegreiflichen menschlichen Seele war im Zeitalter Sigmund Freuds ein zentrales, gesellschaftlichesThema, das sich auch in der Literatur spiegelt – Autoren, wie der Belgier Maurice Maeterlinck, nahmen seine Impulse in ihr literarisches Schaffen auf. Das charakteristische Merkmal von Maeterlincks Sprache, sein Vermögen, mit denselben Wörtern unterschiedlichste Bedeutungen auszudrücken, fand zahlreiche Bewunderer. So auchDebussy, der 1893 am Pariser Theater Bouffes-Parisiens die Uraufführung des Dramas miterlebt hatte und danach vom Autor die Erlaubnis zur Vertonung erbat.
Debussy beschreibt mittels einer neuen Klangfarbentechnik und mit der zentralen musikalischen Metapher des Meeres die seelischen Zustände und Konflikte der Menschen. Die Musik beleuchtet das selbstzerstörerische Gewaltpotenzial der Figuren, ihre inneren Ängste, Sehnsüchte und Blockaden, schafft aber auch ein ergreifendes und modernes Bild für die große, poetische Liebe zwischen Pelléas und Mélisande.
Die Inszenierung des Regisseurs und Bühnenbildners Marco Arturo Marelli versetzt die Figuren in einen spektakulären, von Wasser überschwemmten Fluchtraum. Nicht eine historische Sichtweise, sondern der Blick der Gegenwart und eine konstruktiv-kritische Lebenssicht prägen die szenische Umsetzung des Werkes und ließen das Wasser, als Symbol für das Unbewusste, auch zum bildstarken Zentralelement der Inszenierung werden.