Wer überwacht die Überwacher?

Die Autorin und Regisseurin Christiane Mudra übersetzt journalistische Langzeitrecherchen in packende Theaterabende. Zusammen mit der Komponistin Dariya Maminova bringt sie mit BETA nun ein Musiktheater über die Macht der Tech-Giganten auf die Bühne

Frau Mudra, wie verhält sich das investigative Theater zum investigativen Journalismus?

Beide bauen auf die gleichen Rechercheprinzipien. Für mich sind Tiefe und Gründlichkeit der Recherche das Entscheidende. Das investigative Theater übersetzt die Rechercheergebnisse in eine sinnliche Form, macht sie erfahrbar. Ich möchte nachhaltig sensibilisieren, damit die Auseinandersetzung nicht mit dem Schlussapplaus endet.

Wie bringen Sie eine Recherche auf die Bühne?

Es gilt, eine Balance zu finden. Wie viel Information verträgt das Publikum an einem Abend, wieviel braucht es, um dem Thema gerecht zu werden? Für BETA spreche ich mit vielen Expert*innen, weil mich Ambivalenzen interessieren. Ich nutze Leaks, lese Studien, EU-Gesetze und vieles mehr. Das muss für die Bühne aufbereitet werden.

Brauchen die Zuschauer*innen Vorwissen für Ihre Inszenierungen?

Ich versuche immer, eine dramaturgische Form zu finden, die alle anspricht. Komplexe Zusammenhänge müssen gebündelt werden, ohne Tatsachen zu verfälschen. Durch die riesigen Entwicklungssprünge im KI-Bereich werden wir bei BETA sicher bis zuletzt Anpassungen vornehmen.

Mudra in Berlin-Kreuzberg © Jörg Brüggemann, Ostkreuz
 

Würden Sie mit einem Text nicht mehr Menschen erreichen?

Ich würde behaupten, dass es in puncto Nachhaltigkeit der Erfahrung und der Erinnerung um Qualität versus Quantität geht. Was ich nur gelesen habe, vergesse ich oft erschreckend schnell. Erlebnisse prägen sich besser ein.

Gibt es Erlebnisse, die nur das Theater schaffen kann?

Ich glaube schon. Vor einigen Jahren habe ich ein Stück über Massenüberwachung inszeniert. Jede*r Teilnehmer*in wurde alleine auf eine Art Schnitzeljagd geschickt, auf der sie Informationen zu Überwachungsskandalen erhielten. Währenddessen bekamen sie Anrufe und wurden observiert. Schließlich wurden sie in einem Verhör mit einer für sie angefertigten Akte konfrontiert. Dafür haben wir ihre digitalen Spuren gesammelt, z.B. auf Facebook. Für das Publikum war das eine prägende Erfahrung – darum geht es mir. Auch in BETA werden die Zuschauer*innen eine aktive Rolle haben.

In BETA treffen ein Unternehmer, eine Politikerin und eine Hackerin aufeinander. Warum diese drei Figuren?

Sie dienen der Verdichtung. Viele technologische Entwicklungen haben einen hohen Abstraktionsgrad, es geht z.B. um Algorithmen. Ich möchte zeigen, dass diese abstrakten Prozesse reale Auswirkungen haben. Thematisiert werden auch Figuren wie Peter Thiel, Mark Zuckerberg oder Elon Musk. Mit ihren Konzernen schaffen sie Fakten, sind dem Gesetzgeber immer einen Schritt voraus. Auch hier frage ich, welche Ziele sie verfolgen und welche Rolle wir dabei spielen.

Und welche Rolle spielen wir als Publikum denn?

BETA steht für die Betaversion, die Vorabversion eines technischen Produkts, die an den Nutzern getestet wird. In gewisser Weise sind wir alle Betatester, denn die Auswirkungen der technischen Revolution auf unsere Gesellschaft kennen wir nicht. Wir müssen den Blick viel mehr auf Themen wie Datenschutz, Privatsphäre und Bürgerrechte lenken. Der digitale Raum ist nicht weniger wichtig als der analoge.

 

Interview von Samira El Ouassil. Die Podcasterin und Autorin wurde für ihre medienkritischen Kolumnen mehrfach ausgezeichnet.

 

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