Sechs Fragen an ... David Butt Philip - Deutsche Oper Berlin
Aus Libretto #3 (2024/25)
Sechs Fragen an ... David Butt Philip
David Butt Philip singt in Zemlinskys DER ZWERG die Titelrolle: einen Kleinwüchsigen, der mit seinem Gesang bezaubert, aber seine Gestalt nicht kennt
Kann man ohne Publikum wissen, ob man ein guter Sänger ist?
Ohne Feedback wird kein Sänger ein guter Sänger. Ich bin auf das Publikum angewiesen, ich brauche die Interaktion, dieses Sich-Spiegeln, von dem auch DER ZWERG erzählt.
Der Zwerg zerbricht am Ende. Hatten Sie schon mal Angst vor der Reaktion des Publikums?
Nein. Wenn ich auf der Bühne darüber nachdenke, was das Publikum gerade von mir hält, ist alles vorbei. Die Bühne ist ein Ort des Vertrauens; ich vertraue auf meine Sängerkollegen, auf die Musikerinnen, auf die Inszenierung, auf mich selbst. Für Zweifel sind die Proben da.
Was erzählt DER ZWERG über die Gegenwart?
Die Grausamkeit der Oper besteht darin, dass der Zwerg nichts von seiner Kleinwüchsigkeit weiß. In dieser Selbsttäuschung steckt etwas Universelles – in Zeiten von Social Media ist das sehr aktuell. Unsere Fremd- und Selbstwahrnehmung driften immer weiter auseinander.
Wie viel Abhängigkeit von der Geltung ist gesund?
Um die Wahrheit über mich zu erfahren, muss ich mich im anderen spiegeln. Aber ich darf mich nicht von seinem Urteil abhängig machen. Wenn ich zum Beispiel auf der Bühne versuche, mich der Erwartung des Publikums anzupassen, verliert meine Darstellung Wahrhaftigkeit. Das Publikum ist viel zu schlau, als dass ich es als Sänger hinters Licht führen könnte. Es bemerkt den Fake sofort.
Was ist musikalisch die größte Herausforderung an der Partie?
Die Partie ist extrem. Die Stimmlage ist extrem hoch, das Orchester extrem laut und die Rolle extrem vielseitig. Ich gehe mit ihr auf eine wunderbare Reise, die geht von: ganz sanft, zurückhaltend, lyrisch bis immer intensiver, frenetischer, verrückter, hochdramatisch. Aber mir liegt das, es kommt mir und meiner Stimme entgegen.
Wie kommt man als Sänger gegen ein solch großes Orchester an?
Wenn der Dirigent den Musikern erlauben würde, fortissimo zu spielen: gar nicht. Das ist bei Zemlinsky anders als bei Mozart, Verdi oder auch beim frühen Wagner, da kann man noch halbwegs Schritt halten, selbst wenn das Orchester in Fahrt kommt. Beim ZWERG sind wir Sänger und Sängerinnen auf einen guten Dirigenten angewiesen, der uns den nötigen Raum lässt.