Tenorales Glitzern - Deutsche Oper Berlin
Ein Kurzporträt von Kai Luehrs-Kaiser
Tenorales Glitzern
Piotr Beczala kehrt als Rodolfo in „La Bohème“ nach Berlin zurück
Das wird aber auch Zeit! Wann Piotr Beczala, inzwischen 50-jähriger Tenor aus dem polnischen Czechowice-Dziedzice, zuletzt in Berlin gesungen hat, das wäre einmal einen Forschungsauftrag wert... Es ist zu lange her. Inzwischen ist er sogar ins Wagner-Fach gewechselt, hat mit Anna Netrebko in Dresden bei Christian Thielemann seinen ersten „Lohengrin“ gesungen und zählt mit Fug und Recht zu den vier, fünf besten Tenören der Welt. Eine schmelzende Stimme von seltener Rundheit und Schönheit. Und mit leichtem Glitzern drin, das an slawische Tenöre wie Sándor Kónya und Jan Kiepura erinnert.
Wenn er in Berlin zu seiner alten Rolle des Rodolfo in „La Bohème“in der klassischen Inszenierung von Götz Friedrich zurückkehrt, trägt er eine Facettenach, die er hier noch nicht zeigen konnte. An der DeutschenOper Berlin debütierte er 1998 als Tamino, um später als „Rigoletto“- Herzog und als Alfredo in „La Traviata“ zu brillieren. Sein steiler Aufstieg lässt sich daranablesen, dass er hier sogar mal die Mini-Rolle des italienischen Sängers im „Rosenkavalier“ sang – eine höchst undankbare Aufgabe, zu der man ihn heute wohl kaum noch überreden könnte.
Ausgebildet in Katowice, war Beczala längere Zeit an der Oper Linz fest engagiert, bevor er seine internationale Karriere begann. Er gehört heute zum Tafelsilber in Mailand, Paris, München und New York und ist ein Tenor mit munterer Positivität; ganz pluderige, puffärmelige Polsterei. Schöner geht es nicht!
Seine Geläufigkeit und schöngeistige Beweglichkeit reicht locker aus, um – demnächst in Zürich – noch immer einen Prinzen Sou-Chong im „Land des Lächelns“, einen Hoffmann oder Werther mit Jugend auszustatten. Kurz: Beczala ist so gut geworden, dass er gerade in „La Bohème“ heute nicht seinesgleichen hat. Ewig wird er die Rolle nicht singen...
Für die Beilage der Deutschen Oper Berlin in der Berliner Morgenpost, Dezember 2016.