Tod auf dem Catwalk - Deutsche Oper Berlin

Zu GIANNI

Tod auf dem Catwalk

Die Berliner Band Brandt Brauer Frick produziert analoge Electro-Musik mit Piano, Schlagzeug und Cello. Nun hat sich das Trio an eine Oper über den Modeschöpfer Versace gewagt: GIANNI feiert am ersten Oktober Premiere in der Deutschen Oper Berlin.

Dieses Essay von Erik Wenk ist der Beilage der Deutschen Oper Berlin zum Tagesspiegel, September 2016, entnommen. Erik Wenk, geboren in Berlin, hat Philosophie und Germanistik studiert. Als freier Autor schreibt er für den Tagesspiegel, die taz und den Eulenspiegel. Außerdem veröffentlicht er Texte und Comics auf seinem Blog elfenbeinbungalow.de und podcastet bei funkup.me.

Club oder Konzertsaal? Eine Frage, die beim Schmieden von Samstagabend-Plänen einer Gewissensentscheidung gleichkommt. Nicht so für Brandt Brauer Frick: Die Berliner Band fühlt sich in beiden Welten gleichermaßen zu Hause, lässt die Grenze zwischen ihnen verschwimmen. Sie würden „Klassik Punk“ machen, scherzt Jan Brauer. Vielleicht eher „Klassik Techno“, denn Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick machen elektronische Musik mit klassischen Instrumenten wie Klavier, Cello, Harfe und Tuba. Ihre repetitiven Beats, gespielt mit der Präzision einer Maschine, machen es für die meisten Hörer unmöglich zu unterscheiden, ob er gerade einem Menschen oder einem Computer lauscht. Wer sich so bewusst zwischen alle Stühle setzt, findet oft schwer ein Publikum. Doch das Gegenteil ist der Fall: Brandt Brauer Frick kommen mit ihrem Ansatz in beiden Lagern bestens an. Die 2008 gegründete Band – zum Teil erweitert durch ein zehnköpfiges, klassisches Ensemble – bespielte schon so unterschiedliche Locations wie das Glastonbury Festival, die Berliner Philharmonie, das Montreux Jazz Festival oder das Berghain, wo das Trio sein allererstes Konzert gab.


Brandt Brauer Frick

Wer ihren Proberaum in Neukölln betritt, denkt erst mal nicht an elektronische Musik: In dem großzügig mit Teppichen ausgestatteten Raum stehen ein Konzert-Flügel, Gitarren, Verstärker, Schlagzeug, ein Rhodes-Piano, sogar ein Notenständer. Eines ist klar: Brandt Brauer Frick sind keine digitalen Bedroom-Producer sondern definitiv eine Band. „Eine Zeitlang waren wir die lautesten hier“, sagt Brauer mit Blick auf den Wohnblock, in dem sich noch andere Proberäume und Tonstudios befinden. Es ist jedoch keine Club-Musik und schon gar kein Rock, den die Band in den letzten Wochen hier produziert hat, denn Brandt Brauer Frick haben sich an eine Oper gewagt: GIANNI, eine Oper in zwei Teilen, die lose auf dem Leben des Modezars Gianni Versace basiert und am 1. Oktober Premiere an der Deutschen Oper Berlin feiern wird. Natürlich wird das zusammen mit dem englischen Regisseur Martin Butler entwickelte Stück keine Oper im üblichen Sinne sein, schon allein wegen des „Voguings“, das einen wesentlichen Teil der Performance darstellen wird: Dieser in den achtziger Jahren in der New Yorker Schwulenszene entwickelte Tanzstil lehnt sich stark am Posieren und Schreiten von Models auf dem Laufsteg an, bis hin zu Breakdance-Bewegungen.

„Martin Butler brauchte eine Live-Band, die die Musik zu diesem Voguing machen könnte“, sagt Brauer. Anders als bei den bisherigen drei Alben von Brandt Brauer Frick, die sich irgendwo im Bermuda-Dreieck von Electro, Minimal Music und Jazz bewegen, wird die Musik zu GIANNI noch ein Stück extravaganter ausfallen, angereichert mit viel House und Breakbeats. „Wir hatten Lust darauf, weil wir das Gefühl hatten, uns da musikalisch austoben zu können“, sagt Paul Frick. Entsprechend der überkandidelten Modewelt, in der das Stück spielt, wird auch die Musik häufig „over the top“ sein, wie Frick verrät: „Wir haben das Wort Pathos ziemlich ernst genommen.“

Klassischen Opern-Gesang wird es dabei ebenso geben wie verzerrte Stimmen: „Es wird in verschiedenster Art gesungen, geflüstert, gerappt und gecroont, es gibt auch ein oder zwei Stellen mit Autotune“, sagt Frick. „Die vier Sänger haben ein wahnsinniges Spektrum an Fähigkeiten. Der Sänger Alexander Geist zum Beispiel singt normalerweise eine Art Achtzigerjahre-Glam-Pop und ist auch tatsächlich einer der glamourösesten und umwerfendsten Menschen, die wir je getroffen haben. Dazu passt, dass er auch mit Romy Haag auftritt.“

Brandt Brauer Fricks erstes Album „You Make Me Real“ erschien 2010 auf dem Berliner Elektronik- Label !K7, Auftritte rund um den Globus folgten. In rund 50 Ländern seien sie schon aufgetreten, rechnet Brauer nach: „Wir sind noch nirgendwo richtig berühmt, aber in ganz vielen Ländern ein bisschen.“ Statt bunter Kostüme trugen Brandt Brauer Frick nun Anzug mit Krawatte. Den Schlips lässt Brandt beim Schlagzeugspielen aber mittlerweile weg: „Der verheddert sich immer mit den Drumsticks.“

Waren Brandt Brauer Fricks erste Arbeiten noch instrumental geprägt, nähert sich die Band spätestens seit ihrem letzten Album „Miami“ von 2013 verstärkt songorientierten Stücken mit Gesang an. Eine Entwicklung, die sich auch in GIANNI niederschlägt: „Es war sehr interessant für uns, weil die Sänger schon mit den Gesangsmelodien ankamen“, sagt Frick.

Auch inhaltlich war die Band von dem Projekt angetan: In GIANNI geht es um Schein und Sein der Modewelt, ihre Mechanismen, ihre Versprechen, ihre Brutalität. „In der Geschichte von Versace steckt einiges drin“, sagt Frick über den Designer, der vom Schneider aus dem armen Kalabrien zu einer der schillerndsten Figuren der Modewelt aufstieg. Dabei werde es gar nicht so sehr um Versace selbst gehen, sondern eher um den Callboy und Serienmörder Andrew Cunanan, der den Modeschöpfer 1997 vor seiner Villa erschoss. „Es ist eine tragische Figur, die eigentlich clever ist, aber sich an dieser Modewelt aufreibt“, so Frick. „Wir haben das Ganze als griechische Tragödie interpretiert.“

Das Leben Gianni Versaces ist der Stoff, aus dem große Tragödien gewebt werden: Aus kleinsten Verhältnissen stammend, wurde er zu einem der wichtigsten Designer der achtziger und neunziger Jahre und befriedigte den wiedererwachten Hunger seiner Zeit nach Stil und Luxus, bevor er am 15. Juli 1997 in Miami von dem Callboy und Serienmörder Andrew Cunanan auf offener Straße erschossen wurde. Das Musiktheaterprojekt GIANNI verfolgt episodenhaft die Lebensläufe von Täter und Opfer im Rahmen einer Voguing-Show.
 

Nicht unpassend, schließlich waren Versaces Kreationen von antiken Motiven beeinflusst. Dementsprechend pompös und klassisch werden auch die Kostüme bei GIANNI sein: „Viel Gold, viel Prunk, viele Masken“, verrät Brauer. Brandt Brauer Frick werden zwar ebenfalls mit auf der Bühne stehen, aber in dezenterer Aufmachung: „Schlicht spektakulär“, so Brauer.

Brandt Brauer Frick befinden sich derzeit in einer hochproduktiven Phase: Die Band wird kurz nach der Premiere von GIANNI ihr neues Album „Joy“ herausbringen. Von der Oper wird es weniger inspiriert sein, eher von Krautrock-Bands wie Can, Punk, New Wave und den achtziger Jahren im Allgemeinen. „Es wird poppiger aber auch verstörender als unsere bisherigen Alben sein“, sagt Frick. Nachdem es auf „Miami“ bereits einige Gastsänger gab, wird die Band diesmal mit einem einzigen Sänger zusammenarbeiten, dem kanadischen Lo-Fi-Musiker Beaver Sheppard. Längst schon sind Brandt Brauer Frick dem Label „Techno mit klassischen Instrumenten“ entwachsen, dafür ist der kreative Hunger der Band zu groß. Auch mit GIANNI gehen sie ein künstlerisches Risiko ein, dessen sind sie sich bewusst, doch das gehört zur Philosophie der Band: „Wenn nichts riskiert wird, kann es einen nicht wirklich berühren“, so Frick. Und Brandt Brauer Frick wollen alles, nur nicht langweilen.

 

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