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Venedig sehen und sterben - Deutsche Oper Berlin

Ein Essay von Michael Horst

Venedig sehen und sterben

Oper, Film und Literatur haben den Mythos der Lagunenstadt als Ort von Tod und Verfall geprägt

Michael Horst arbeitet als Musikjournalist und Autor für Radio und Printmedien in Berlin. 2012 erschien in der Reihe „Opernführer kompakt“ des Henschel-Verlags, Leipzig, sein Band über Puccinis TOSCA; im März 2015 folgte in derselben Reihe ein Band über Puccinis TURANDOT.

Der frühere Bürgermeister von Venedig, Massimo Cacciari, als studierter Philosoph ein literarisch hochgebildeter Mensch, hat vor einigen Jahren ein trotziges neues Schlagwort verkündet: „Thomas Mann vergessen!“ Oder genauer gesagt: Nicht mehr länger die Lagunenstadt stets und ständig mit Verfall, Krankheit und Tod in Verbindung bringen – wie es durch Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“ für Besucher aus nördlichen Gefilden geradezu sprichwörtlich geworden ist. Dass für diese unheilvolle Symbolik ein Landsmann Cacciaris, der Regisseur Luchino Visconti, nicht weniger verantwortlich war, blieb unerwähnt; dabei haben sich erst durch dessen Verfilmung der Mann‘schen Novelle ein für allemal auch die Bilder im visuellen Gedächtnis eingebrannt, die den morbiden Charme der Serenissima beschwören.

Abzusehen war das alles nicht, als Thomas Mann im Frühsommer 1911 mit seiner Frau Katia erholungsuchend nach Venedig reiste und im exklusiven Hotel des Bains auf dem Lido abstieg. Venedig war – seit seinem ersten Besuch als 21-Jähriger – Manns erklärte Lieblingsstadt geworden; wie überhaupt die „besseren Kreise“ aus den Ländern Mitteleuropas nur allzu gern hierher kamen – vor allem zum Kuren auf dem Lido. Doch zugleich beschrieb Mann die Lagunenstadt als „das Excentrischste und Exotischste, was ich kenne“. Kein Wunder, denn schon damals, Ende des 19. Jahrhunderts, wirkte das besondere Flair Venedigs auf Künstler, Weltenbummler und Zivilisationsflüchtlinge aus dem Norden auf mehrfache Weise faszinierend. Wer am Bahnhof S. Lucia den Zug verließ und am Canal Grande den Vaporetto bestieg, der tauchte ein in eine gänzlich entschleunigte Welt, wo die Sinne wieder Zeit hatten, all das Schöne um sich herum, die Pracht der Paläste, die Eleganz der Gondeln zu genießen.

Nur dass die Schönheit gewaltig blätterte. Das hatte schon Lord Byron bemerkt, der um 1830 nach Venedig kam: „Still rudert, ohne Sang, der Gondolier, / Die Prachtpaläste bröckeln hin ins Meer, / Und selten schallt Musik mehr im Revier.“ Und auch der deutsche Romantiker und passionierte Italienreisende August von Platen dichtete in einem seiner „Sonette aus Venedig“: „Es scheint ein langes, ew’ges Ach zu wohnen / In diesen Lüften, die sich leise regen, / Aus jenen Hallen weht es mir entgegen, / Wo Scherz und Jubel sonst gepflegt zu thronen.“ Einst – und damit meinte Platen das 18. Jahrhundert – hatten hier tatsächlich „Scherz und Jubel“ triumphiert; der venezianische Karneval war zum Inbegriff der moralischen Zügellosigkeit geworden. Heerscharen von Kurtisanen boten sich den vielen Gästen aus fremden Ländern an. Und in keiner anderen Stadt als Venedig hätte Casanova derartig leicht seine erotischen Eroberungen adeliger Damen, koketter Dienstmädchen oder lüsterner Nonnen machen können. Mit dieser Form der Dekadenz war es jedoch spätestens mit dem gewaltsamen Ende der Republik Venedig durch Napoleon 1797 vorbei; an ihre Stelle trat jene Form von Dekadenz, die sich aus den bröckelnden Fassaden der Paläste und dem fauligen Geruch der Kanäle speiste. Hinzu kam das stille Wasser der Lagune, das durch seine Spiegelungen der Serenissima etwas Zwei-Gesichtiges, wenn nicht gar Zwei-Deutiges gab – insgesamt also eine Mischung aus Trauer, Ekel und Faszination, zwischen denen sich die Poeten unter den Venedig-Reisenden hin- und hergerissen sahen. Und zu denen gehörten Henry James und Hermann Hesse ebenso wie Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal und Friedrich Nietzsche.

Auch Thomas Mann ließ sich „infizieren“, so dass aus der [wahren] Begegnung mit einem bildhübschen polnischen Jüngling eine [fiktive] Novelle erwuchs, in der das Cholera-verseuchte Venedig die perfekte Kulisse für eine menschliche Tragödie bietet: die Verführung des hochgeehrten Poeten Gustav von Aschenbach durch das Dionysische, wie es sich in der rauschhafterotischen Zuneigung zu dem hübschen Tadzio widerspiegelt. Dass dieser Aschenbach nicht nur den Vornamen, sondern auch die Gesichtszüge des just 1911 in Wien verstorbenen Komponisten Gustav Mahler trägt, ist typisch für Manns Arbeitsstil, aus Mosaiksteinen der realen Welt seine poetische Fiktion zu weben. Ganz sicher hatte er dabei jedoch auch eine andere Venedig-Reminiszenz im Hinterkopf: jene an den abgöttisch verehrten Richard Wagner, der hier 50 Jahre zuvor den rauschhaften 2. Akt seines TRISTAN komponiert hatte und 1883 im Palazzo Vendramin gestorben war.

Eine Steilvorlage bot dieser Bezug zu Gustav Mahler für Luchino Visconti, der in seinem Film „Morte a Venezia“ von 1971 die geniale Idee hatte, aus dem Dichter Gustav von Aschenbach einen Komponisten zu machen und zugleich Mahlers Musik als sinfonischen Soundtrack zu verwenden. Vor allem das harfenumspielte Adagietto aus der fünften Sinfonie vermischt sich hier kongenial mit den schwülen Bildern einer Stadt, deren Ruhe allzu trügerisch ist. Nur wenig später kam ein weiterer Venedig-Film in die Kinos, der die Schraube des Morbid-Unheimlichen noch weiter dreht. In Nicolas Roegs „Don’t look now“ geht es um düstere Todesvisionen, unheimliche Unglücksfälle und eine alte Lady mit dem zweiten Gesicht: ein poetisch angehauchter Horrorthriller, der ohne die Kulisse nebelverhangener Kanäle, düsterer Durchgänge und verlassener Kirchen kaum seine suggestive Wirkung entfacht hätte.

Der deutsche Filmtitel „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ verweist auf ein weiteres Symbol Venedigs, jenes dunkelschwarze Gefährt, dessen ambivalenter Bestimmung schon Platen ein kurzes Epigramm gewidmet hatte: „Liebendem Paar wohl dient zum Verstecke die venetische Gondel, / doch beim Leichengepräng dient sie zur Bahre dem Sarg.“ Gondel und Tod, das gehört ikonografisch untrennbar zusammen. Mark Twain hat es mit sehr viel drastischeren Worten als „tintenschwarzes, verschossenes altes Kanu mit einem mitten aufgesetzten Leichenwagenaufbau“ bezeichnet. Dem von der Antike geprägten Dichter Aschenbach kommen dagegen die Vergleiche mit der Barke des Fährmanns Charon in den Sinn, der die Toten über den Fluss Lethe in die Unterwelt befördert – so wie in Venedig die Verstorbenen mit der Gondel zur Friedhofsinsel San Michele gebracht werden.

Bei Benjamin Britten, der in erstaunlicher zeitlicher Parallele zu den beiden Filmen 1970 mit der Arbeit an DEATH IN VENICE [deutsch: TOD IN VENEDIG] begonnen und drei Jahre später die Partitur fertiggestellt hat, sind all diese Bilder Venedigs zusammengeflossen. Die verlorene Unschuld, die Suche nach Schönheit, die Verführung durch das Chaos – deutlicher als alle anderen hat der Komponist allerdings noch eine weitere Facette berührt, die in der Faszination Venedigs immer mitgeschwungen hat: die Homosexualität. Trunken von der Schönheit und erotischen Freizügigkeit dieser Stadt, hatte August von Platen hier der Männerliebe ebenso gehuldigt wie später der Märchendichter Hans Christian Andersen. Und wo Thomas Mann seine eigene Betroffenheit noch durch antikische Verkleidung kaschierte, unterstrich Benjamin Britten die wohlbekannten Parallelen zu seiner eigenen Lebenserfahrung. Die verführerische Gefahr junger Männer, als Thema in seinem privaten Leben wie in seinem musikalischen Oeuvre eine prägende Konstante, erlebt in TOD IN VENEDIG ihre letzte, abgeklärt-künstlerische Deutung. Doch im wahren Leben schafft Britten die Befreiung von den Dämonen: Gewidmet ist die Oper niemand anderem als seinem lebenslangen Partner, dem damals 63-jährigen Tenor Peter Pears.

Ersterschienen in der Beilage der Deutschen Oper Berlin zum Berliner Tagesspiegel.

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