Als Europa von Exotik träumte - Deutsche Oper Berlin

Als Europa von Exotik träumte

Eine musikalische Reise nach Indien

Frau Candillari, ist LAKMÉ so etwas wie die britische Version von MADAMA BUTTERFLY, komponiert von einem Franzosen?
Nur dass die Briten in Indien und nicht in Japan waren.

Ein englischer Offizier verliebt sich in der Ferne in eine Frau, die diese Liaison mit dem Leben bezahlt. Ist so ein Stoff noch zeitgemäß?
Man muss das historisch einordnen. Französische Komponisten entwickelten ab etwa 1850 eine starke Faszination für den Orient. Allerdings kannten sie die musikalischen Traditionen gar nicht richtig; daher griffen sie auf wenige musikalische Mittel zurück. In heutigen Ohren klingt das nach Folklore, bei der Premiere 1883 in Paris hat es beeindruckt.

Und wie stehen Sie selbst zu dieser Musik?
Dieser orientalische oder exotistische Einschlag nimmt nicht viel Raum ein. Ich mag die Musik sehr, sie ist atmosphärisch so abwechslungsreich, delikate Gesangspassagen folgen auf kraftvolle Momente, wie wir sie von Puccini kennen. Außerdem verbinde ich etwas damit: Meine Großmutter war Sängerin am Serbischen Nationaltheater in Novi Sad, es war wie ein Wohnzimmer für meine Schwester und mich. Als wir noch klein waren, spielte meine Schwester mir LAKMÉ vor, weil sie das Duett mochte. So lange begleitet mich die Musik.

Wie bereiten Sie sich auf die Aufführung in Berlin vor?
Ich schaue mir die Partitur an und möchte verstehen, warum der Komponist sie so angelegt hat. Warum verwendet er hier eine Oboe und keine Klarinette, was bedeutet das für die Farbe des Orchesters, für den Charakter der Szene?

Das klingt recht akademisch.
Mag sein, aber die Frage nach dem Warum ist mir wichtig. Wenn ich mich mit einer neuen Partitur ans Klavier setze, kommen die Fragen automatisch. Ich maße mir nicht an, bei allen Details die Motivation des Komponisten zu kennen. Ich muss es nur für mich selbst beantworten können. Und je besser ich ein Stück kennenlerne, desto mehr liebe ich es.

Wann spüren Sie, ob die Chemie stimmt, wenn Sie vor ein neues Orchester treten?
Es dauert nur Sekunden, ich fühle es. Das ist für mich das schönste am Dirigieren, man kommt von verschiedenen Hintergründen, trifft aufeinander und kreiert zusammen etwas Eigenständiges, nicht Reproduzierbares – unsere Version von LAKMÉ 2022 in Berlin.

 

Neu hier? – Tenor Josh Lovell debütiert in der Berliner Aufführung von Léo Delibes LAKMÉ als Gérald. Eine glückliche Fügung, denn die selten gespielte Oper ist ihm ans Herz gewachsen

Josh Lovell © Simon Pauly
 

Als die Deutsche Oper Berlin mich für die Rolle des Gérald anfragte, sagte ich zu meinem Agenten halb im Scherz: Bitte unterschreib‘ dieses Mal sofort! Ich war kurz zuvor von einem anderen Haus für dieselbe Rolle angefragt worden, bekam sie aber letztlich nicht. Ich habe eine besondere Beziehung zu der Partie, da mein erster Gesangslehrer sie gesungen hat; das hat mich geprägt. Dass LAKMÉ heute selten auf den Spielplänen steht, liegt wohl unter anderem an ihrem orientalistischen Blick. Die Oper stammt aus einer Zeit, in der man anders auf fremde Kulturen schaute, eurozentrisch und exotistisch. Meine Figur Gérald ist ein britischer Kolonialist, er tritt als Eroberer auf – aber er ist auch ein Kind seiner Zeit und ich nehme ihm seine Liebe zu Lakmé ab. Ich glaube, es ist sinnvoll, auch solche Stoffe weiterhin zur Aufführung zu bringen und dem Publikum zuzutrauen, sie in den historischen Kontext einordnen und vielleicht sogar etwas über die koloniale Vergangenheit lernen zu können. Vor allem aber sollte die Oper wegen der wunderbaren Musik häufiger gespielt werden. Wie die Gesangsmelodien ausgestaltet sind, wie die lyrischen Legati mühelos ineinanderfließen, das ist einzigartig. Dazu die französische Sprache mit ihrer Eleganz und Varianz in den Vokalen. Mein Lehrer sagte einmal: Die Melodien der französischen Oper müssen gesungen werden wie Wasser in einem Fluss. Daran werde ich mich erinnern, wenn ich den Gérald in Berlin gebe.

 

Wieder hier? – Sopranistin Aigul Khismatullina gab als Königin der Nacht in DIE ZAUBERFLÖTE ihr Debüt an der Deutschen Oper Berlin. Nun kehrt sie für die Titelrolle in LAKMÉ zurück

Aigul Khismatullina © Daniil Rabovsky

Die Oper wird selten gespielt, das ist in Russland nicht anders als andernorts. Ich aber kann mich glücklich schätzen, die Lakmé schon einmal gesungen zu haben, im Mariinsky Theater in St. Petersburg. Nach dieser Erfahrung kann ich sagen: Die Partie ist wunderschön, aber sie verlangt einer Sopranistin einiges ab. Die Besetzung ist klein, ich bin wie Gérald fast durchgehend auf der Bühne, bekomme kaum Pausen, in denen ich mich sammeln und fokussieren kann. Der Koloraturgesang macht die Rolle auch technisch anspruchsvoll. Die beste Vorbereitung auf diese Passagen sind für mich andere Rollen, die ähnliche Ansprüche an eine Sängerin stellen – wie die Königin der Nacht in DIE ZAUBERFLÖTE, mit der ich im Januar an der Deutschen Oper Berlin debütierte. Das lässt sich übertragen. Mir geht es immer darum, Klarheit, Präzision und Akzentuiertheit in den Verzierungen zu erreichen. Inhaltlich ist mir der Charakter gar nicht so fremd wie vielleicht Frauen aus Mitteleuropa. Ich bin in Tatarstan geboren, einer muslimisch geprägten autonomen Republik in Russland. Vieles in Lakmé erinnert mich an unsere Traditionen; auch bei uns ist es in vielen Familien immer noch verpönt, wenn junge Frauen eine außereheliche Beziehung eingehen. Das hilft mir, mich in die Tochter des Brahmanenpriesters hineinzuversetzen – das macht die Rolle für mich zu etwas sehr Persönlichem.

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