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Bewegungsmelder - Deutsche Oper Berlin

Bewegungsmelder

Zur Uraufführung des „elektrischen Musiktheaters“ SENSOR von Konrad Boehmer und Albert Ostermaier

Ein Essay von Sebastian Hanusa

Erschienen in der Tischlerei-Zeitung, September 2015

ein schatten über dem
ubahnschacht du bewegst
dich und die stadt bewegt
sich mit du läufst rennst
aufzüge absperrgitter
drehtüren metalldetektoren
laufbänder laufen rennen
stolpern am boden das
kaugummipapier aufstehen
gehen laufen der schweiss
fliesst über deine haut saugt
sich in dein hemd die ränder
am rücken die schweissränder
der vorstädte deine schritte
schneller als dein atem warum
läufst du bleib stehen alles
kommt auf dich zu du musst
nur stehen bleiben bleib stehen
dreh dich nicht halte die
luft an zähle die haare auf
deinen armen wenn ich
meinen arm heben könnte
würde sand aus meinen
ärmeln fliessen ich möchte
in einem taxi übernachten

[Albert Ostermaier, „Bewegungsmelder“]

Der Komponist Konrad Boehmer war eine jener „mythischen“, bekannt-unbekannten Figuren der Nachkriegsavantgarde. So habe ich ihn zumindest während meines Studium der Komposition und Musikwissenschaft zwischen 2000 und 2004 in Saarbrücken kennengelernt – bevor sich dann dort der direkte, persönliche Kontakt ergab. Als Mitglied der „Kölner Schule“ in den „wilden Jahren“ der musikalischen Nachkriegsavantgarde um 1960 hat Boehmer seinen festen Platz in der Musikgeschichte: als Teilnehmer der Darmstädter Ferienkurse 1959 im zarten Alter von 18 Jahren. Als Protegé von Karlheinz Stockhausen und Schüler von Gottfried Michael Koenig, neben Stockhausen einem der wichtigsten Komponisten und Theoretiker der frühen elektronischen Musik. Und als Komponist, der früh seinen eigenen Weg in der Anverwandlung des Serialismus gefunden hatte und der als einer der ersten mit dem renommierten Kranichsteiner Musikpreis ausgezeichnet wurde.

Doch ab Mitte der 60er Jahre verliert sich Boehmers Spur, sofern man dem Blick des Mainstreams der deutschen Musikwissenschaft folgt. Allenfalls als scharfzüngiger und witziger, dabei jedoch immer kompromisslos wahrheitsliebender und hellsichtiger Publizist war er bis zu seinem Tod 2014 in den deutschsprachigen Fachzeitschriften präsent, auch nachdem er 1966 in die Niederlande gezogen war. Dort wirkte er bis zu seinem Lebensende und war, unter anderem als Professor am Königlichen Konservatorium in Den Haag, eine wichtige, wenn auch nicht unumstrittene Persönlichkeit des Musiklebens. Als Komponist teilte er jedoch mit Kollegen wie Jean Barraqué, Jean-Pierre Guézec oder auch seinem Lehrer Koenig das Schicksal des vermeidlich Unzeitgemäßen. Als ab Mitte der 60er Jahre der Serialismus aus der Mode kam, hielten sie konsequent an einigen seiner Grundideen fest und verfolgten sie zugleich eigenständig weiter – gerieten dadurch aber auch in Konflikt mit den kulturpolitisch höchst einflussreichen „Hohepriestern“ der seriellen Schule, Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez. Konrad Boehmers Musik verliert sich nie in einer rein selbstbezüglichen, manieristischen Immanenz, sondern versteht sich, als Werk eines auch politisch und kulturpolitisch aktiven Künstlers, immer als Reflexion sozialer und politischer Wirklichkeit. Dies jedoch, ohne dem Traum einer unmittelbaren Wirkung von Musik auf die Welt des Politischen anzuhängen. Und sie ist bei aller Strenge der musikalischen Organisation, weitab von der Esoterik eines Karlheinz Stockhausen, immer höchstgradig expressiv.

Mein erster Kontakt zu Konrad Boehmer fand in Saarbrücken statt. Die Universität des Saarlandes verlieh Gottfried Michael Koenig die Ehrendoktorwürde und Boehmer hielt die Laudatio. Mein Interesse für das Erbe eines „anderen“ Serialismus und diesen höchst lebendigen Vertreter war geweckt. In meiner Zeit als Musikdramaturg in Würzburg schrieb Boehmer das Orchesterstück „Doktor Fausti Höllenfahrt“ als Auftragswerks des Mainfranken Theaters, anknüpfend an seine große Oper DOKTOR FAUSTUS, die 1983 mit dem Rolf-Liebermann-Preis ausgezeichnet worden war. In dieser geht es um den historischen Faust und seinen unter anderem in Würzburg aktiven Gegenspieler Johannes Trithemius. Und ein Jahr später drückte er mir die Partitur seines gerade fertig gestellten, noch uraufzuführenden Musiktheaters SENSOR in die Hand.

Orpheus – Sängerdichter und Grenzgänger

Entstanden ist SENSOR als die zweite Zusammenarbeit Konrad Boehmers mit Albert Ostermaier nach jener für „Orpheus Unplugged“. Dieses Stück für Klavier solo und elektronisches Zuspiel basiert auf einem gleichnamigen Gedicht Ostermaiers, das dieser im Sommer 1999 schrieb. Die Aufnahme des von Ostermaier eingesprochenen Textes bildet die Grundlage für das Zuspiel, das Konrad Boehmer in der im Juni 2000 uraufgeführten Komposition mit Field Recordings unter anderem vom Olymp, aus dem Petersdom und vom Fluss Hebros in Thrakien, wo der Sage nach Orpheus von den Mänaden zerrissen wurde, kombiniert.

„Orpheus Unplugged“ ist zugleich eine Vorstudie zu SENSOR. Auch hier bewegen sich Ostermaier und Boehmer in der „Orpheus-Sphäre“, jedoch mit einem anderen inhaltlichen Schwerpunkt. In „Orpheus Unplugged“ geht es um die Erzählung von Orpheus’ gewaltsamen Tod, in SENSOR bildet Orpheus’ Gang in die Unterwelt, um seine verstorbenen Frau Eurydike in die Welt der Lebenden zurückzuholen, einen thematischen Unterstrom. Über diesen schichtet Ostermaier auf mehreren, miteinander verschränkten Ebenen weiteres Erzählmaterial. Dies kreist um Grenzgänge zwischen Leben und Tod, Identität und Auflösung, Passagen und Transiträume, die enge Verschränkung von Eros und Thanatos.

Mythos – Spur und Gegenwart

Ein solcher Umgang mit den europäischen Urerzählungen der altgriechischen Mythologie findet sich in einer ganzen Reihe von Ostermaiers Texten. Auch wenn es zunächst die Welt der Gegenwart ist, aus der er für die präzisen und zugleich rauschhaften Bilderströme seiner Lyrik das Material gewinnt: Erfahrungswelten des Alltags in der Großstadt oder ein Roadtrip durch die nordamerikanische Wüste, Hotels und Flughäfen, Nachtclubs und Autobahnen. Immer wieder aber schimmert die antike Mythologie durch, als etwas, was Bildern und Figuren unterlegt ist und das mehr angedeutet als offen ausgesprochen wird. Eine Geste wird geschildert, ein Bild wird beschworen und zugleich werden emblematische, aus den antiken Erzählungen bekannte Momente assoziiert. Erweitert und übermalt um Bilder und literarische Topoi aus der abendländischen Kulturgeschichte mit ihren immer wieder neuen Adaptionen und Bearbeitungen der antiken Erzählkerne.

Offen werden Mythen nie zitiert. Somit werden sie auch nicht zu einem Objekt, zu dem sich der heutige Text verhält. Vielmehr ist der Mythos dem Text immanent und steht nur an jenen Rändern des Textes über, in denen er auf seine im Bildungskanon objektivierten Wurzeln verweist. Nur am Rand geschieht in der Form der Andeutung ein Rekurs, der durch seine vage, indirekte Form jedoch immer in ein Offenes verweist. Die mythologische Erzählung bleibt etwas Unabgeschlossenes, noch nicht eindeutig Identifizierbares. Sie bleibt Teil der Gegenwart.

Freiheit und Gebundenheit

Konrad Boehmer hat in SENSOR Albert Ostermaiers Text nicht vertont. Es wird nicht gesungen und die Texte sind auch nicht als rhythmisierter Sprechgesang notiert. Aber sie sind, wie die Instrumentalstimmen, in einer ganz eigenen Dialektik von Freiheit und Gebundenheit in eine musikalische Zeitstruktur eingefügt, die durch das Zuspiel vorgegeben wird. Im Abstand von jeweils einigen Sekunden sind Taktstriche gesetzt, die eine feste Gliederung des musikalischen Verlaufs vorgeben. Innerhalb dieser Takteinheiten sind Instrumentalisten wie Schauspieler frei in der zeitlichen Gestaltung des jeweils dort notierten oder zu sprechenden Text- oder Tonmaterials. Es bilden sich Eigenzeitfenster. Orientierungspunkte sind die End- und Anfangsphasen der von Boehmer gewählten Textabschnitte. Diese bilden einen formalen Kontrapunkt zur Eigenzeit und Rhythmik der Ostermaier’schen Sprache. Es entsteht ein Kontrapunkt der Form.

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