Das Böse steckt in jedem von uns - Deutsche Oper Berlin
Das Böse steckt in jedem von uns
Strawinskijs GESCHICHTE VOM SOLDATEN mit lebendigem Bühnenbild
Aus Beilage zur Berliner Morgenpost, Februar 2014 / von Uwe Sauerwein
Im Monat Februar 2014 ist an der Bismarckstraße buchstäblich der Teufel los. Neben der Premiere der Berlioz-Oper FAUSTS VERDAMMNIS im großen Haus spielt das Faust-Motiv auch in der Tischlerei eine dominierende Rolle. „Der Teufel hole das Menschengeschlecht!“ ist das 4. Tischlerlei- Konzert mit Igor Strawinskijs „Die Geschichte vom Soldaten“ überschrieben. Wie viele andere Schriftsteller und Tonkünstler war auch der russische Komponist zeitlebens vom Faust-Stoff fasziniert. L‘HISTOIRE DU SOLDAT, 1918 uraufgeführt, handelt von einem Soldaten, der mit seiner Geige, seinem einzigen Besitz, auf Reisen geht. Unterwegs begegnet er dem Teufel. Mit ihm tauscht der Soldat seine Violine gegen ein Buch, das große Reichtümer verspricht. Auch muss er dem Satan binnen dreier Tage das Geigenspiel beibringen. In Wahrheit vergehen aber drei Jahre, der Soldat gilt deshalb als fahnenflüchtig, zu Hause erkennt ihn niemand mehr und seine Braut ist längst verheiratet. Mit Hilfe des Buches wird er reich, aber nicht glücklich. Beim Kartenspiel mit dem betrunkenen Teufel will er seine Geige zurückerlangen …
Um die szenische Einrichtung des Strawinskij-Stücks kümmert sich William Robertson. Er steckt wirklich tief im Stoff. Denn der gebürtige Kalifornier arbeitet zugleich als Spielleiter im Team von Christian Spuck an der Inszenierung von FAUSTS VERDAMMNIS mit. „Berlioz und Strawinskij erzählen ganz verschiedene Teufelsgeschichten“, erklärt Robertson, der seit Ende 2012 in Berlin ist. „Bei Strawinskij findet alles eher auf einer Märchenebene statt. Anders als Faust weiß der Soldat schnell, dass der Teufel ihn betrogen hat, und versucht ihn zu bekämpfen.“ Markus Brück ist als Soldat, Simon Pauly als Teufel zu erleben. Als Erzähler, der nicht nur beim Kartenspiel aktiv in die Handlung eingreift, agiert Paul Kaufmann. Die musikalische Leitung hat Ivan Repušic.
Strawinskijs Musiktheater für ein gerade mal siebenköpfiges Orchester entstand ursprünglich für eine Wanderbühne. Es sei „zu lesen, zu spielen und zu tanzen“. Robertson und die Ausstatterin Lisa Busse setzen auf ein lebendiges Bühnenbild mit Elementen des Papiertheaters. Collagen mit Motiven aus der Geschichte werden ins Publikum gehalten und zugleich auf eine Leinwand projiziert. Dafür ist ein Puppenspieler zuständig: Jarnoth, Jahrgang 1989, studiert an der „Ernst Busch“-Hochschule, das Strawinskij-Projekt ist seine Abschlussarbeit. „Es wird kein Kasperle-Theater“, so William Robertson. „Puppen synchron zur Erzählung, das würde nicht funktionieren.“ Dadurch, dass Erzähler, Soldat und Teufel an Tischen sitzen und zusätzlich Geräusche produzieren, gewinnt die Geschichte Hörspielcharakter. Einen Zwang zur Modernisierung erkennt der Spielleiter nicht. „Es ist eine relativ zeitlose Geschichte.“
Dass das Böse in jedem von uns steckt, soll auf jeden Fall aufgegriffen werden an diesem Faust-Abend, an dem Robertson und seine Bühnenbildnerin seit Juni arbeiten. „Vor allem für Lisa war es wahnsinnig viel Zeichenarbeit.“ Schade eigentlich, dass bei diesem Aufwand bislang nur eine einzige Vorstellung geplant ist.