Mit solidem Schuhwerk und fester Gangart - Deutsche Oper Berlin
Mit solidem Schuhwerk und fester Gangart
Markus Brück singt seine erste Berliner „Winterreise“
Dieses Essay von Kai Luehrs-Kaiser ist in der Beilage der Deutschen Oper Berlin zur Berliner Morgenpost, Januar 2016, erschienen.
Mindestens einen Sänger im Ensemble der Deutschen Oper Berlin gibt es, über den man sich zuraunt, er könne Weltkarriere machen, wenn er nur wollte: Markus Brück. Stattdessen wählte der den Beruf des Publikumslieblings. Damit führt Brück die Tradition früherer Ensemblemitglieder fort, die man kannte, eben weil sie regelmäßig in Berlin auftraten: Martti Talvela, Lisa Otto oder Elisabeth Grümmer.
Der Bariton nennt sich selber „robust“: „Die Erfahrung wächst und damit auch die Übung, mit der man Krisen bewältigt.“ Hinter der gemütlichen Fassade verbirgt er – wie jeder große Künstler – eine Membran von Hyperempfindlichkeit, zu der er steht: „Ich glaube, dass man in jeder Rolle eine Verletzlichkeit suchen muss. Selbst bei Jago und bei Macbeth. Sonst wird’s grob.“
Die Stimme dieses Mannes hat eine knollige, energisch geballte und explosiv verdichtende Qualität. Ein geborener Oratoriensänger ist er nicht. Zum „Prädikat: Rampensau“ steht er. „Natürlich im schönsten Sinne des Wortes“, wie er ergänzt. Hiermit ist eine Theaterbeflissenheit gemeint, die ihn mit seinem Bruder Jochen Schmeckenbecher verbindet, einem gleichfalls international gefeierten Bariton. „Wir kommen aus Mannheim und sind damals viel ins Theater gegangen. Es war die große Zeit von Jean Cox als Tristan und Franz Mazura als Klingsor.“ Der Vater war Betriebsleiter bei der Rheinpfalz-Zeitung. „Das musikalische Interesse“, so Brück, „kommt eher von unserer Mutter“.

Kaum zu glauben, dass Markus Brück als Kind einmal sehr schön Blockflöte gespielt hat. Überragenden Erfolg fuhr er jüngst als Nelusco in VASCO DA GAMA ein. Weitere Rollen in der Spielzeit: Wolfram (TANNHÄUSER), Amonasro (AIDA) und Marcello (LA BOHÈME). Als Balstrode in PETER GRIMES kehrt er im Februar zurück. Als Vater Germont in LA TRAVIATA schon im Januar.

Gleichfalls zu Beginn des Jahres (18.1.) widmet sich Brück im Rahmen der Serie „Lieder und Dichter“ einem Werk, bei dem er zeigen kann, dass er nicht wie die Axt im Walde singt – und doch weiß, wo diese zu finden wäre. Schuberts „Winterreise“ ist ein Zyklus, der den Gipfel jeder Liedersänger-Karriere markiert, und bei dem man doch die Wahl hat: Entweder als Schöngeist wie weiland Dietrich Fischer-Dieskau über Land zu flanieren. Oder mit soliderem Schuhwerk eine etwas härtere Gangart anzuschlagen. Prononcierte Opernsänger nämlich haben aus diesem Zyklus dramatischeren Sinn machen können: Kurt Moll, René Kollo und Jonas Kaufmann. Dass auch der zartbesaitete Gemütsgang über Stock und Stein geht, dazu hatten Sänger wie Hans Hotter, Karl Schmitt-Walter und Hermann Prey den Weg gewiesen. Markus Brück mag ihnen folgen.