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Requiem für eine nicht mehr veränderbare Welt - Deutsche Oper Berlin

Benedikt von Peter im Gespräch mit Uwe Friedrich

Requiem für eine nicht mehr veränderbare Welt

Uwe Friedrich studierte Theaterwissenschaft, Musikwissenschaft und Germanistik an der Freien Universität Berlin. Nach seiner journalistischen Ausbildung beim Bayerischen Rundfunk arbeitete er als Opernredakteur für den Saarländischen Rundfunk. Er ist als Musikjournalist und Moderator für verschiedene ARD-Radiosender, den Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur tätig.

Wer eine Karte für die AIDA-Premiere an der Deutschen Oper Berlin buchen möchte, findet auf der Website den Hinweis auf einen „veränderten Saalplan [Platzierung von Chor und Orchester u. a. im Zuschauerbereich]!“ Das ist inzwischen fast ein Markenzeichen Ihrer Inszenierungen. Was bezwecken Sie damit?
Zunächst suchen wir als Team nach einer Architektur für die jeweilige Oper, statt sie bloß äußerlich zu bebildern. Wir suchen nach dem spezifischen Klang des Werks und wollen ihn dann so umsetzen, dass er das Publikum auch räumlich berührt und unmittelbar erfahrbar wird. Oper ist nicht bloß der Text, sondern auch vor allem Musik. Musik wiederum ist immer dreidimensional, besteht auch aus den Kategorien Raum und Körper. Wenn ich eine neue Raumarchitektur finde, wird automatisch auch das Publikum zum Thema der Aufführung. Die Frage, warum wir uns zum soundsovielten Mal mit AIDA beschäftigen, wird dadurch deutlicher gestellt. In diesem konkreten Fall kann der kriegerische Gesellschaftsaufbau eine größere Dringlichkeit erlangen.

Worum geht es in Ihrem Verständnis in Giuseppe Verdis Oper AIDA?
Es geht um den Aufsteiger Radames, der ein Rädchen im System ist. Die Großmacht Ägypten befindet sich im Krieg gegen Äthiopien, das in der Oper irgendwo zwischen Dritte-Welt-Land und utopischem Sehnsuchtsort changiert. Radames soll von der Staatsführung zum Helden und zur Identifikationsfigur aufgebaut werden, hat sich aber ausgerechnet in eine äthiopische Sklavin verliebt. Radames hofft, dass er nach einem Sieg gegen die Äthiopier auch seine Liebe zu Aida ausleben kann, und dass dann vielleicht die Welt im Allgemeinen besser wird. Amneris liebt wiederum Radames, wird aber von ihm zurückgewiesen. Zwischen diesen drei Figuren spielt sich das unausweichliche Drama ab. Anders als in DON CARLO zeigt Verdi diesmal keinen möglichen Ausweg. Hier gibt es keinen individuellen Großinquisitor mehr, sondern nur noch die anonyme Gruppe der Priester, gegen die ein Individuum wie Radames keine Chance mehr hat. Die Machtstrukturen sind nicht mehr durchschaubar, der Einzelne kann nichts mehr bewirken. Das halte ich für eine sehr prekäre Aussage dieser Oper. Dadurch haftet dem Werk eine gewisse Larmoyanz an. Der alte Verdi kann so etwas sagen, ich persönlich finde diese Aussage nicht gut. Am Ende von AIDA steht das Requiem für eine nicht mehr veränderbare Welt. Auf den ersten Blick wirkt das ganz ähnlich wie Wagners Liebestode, aber es stirbt nur Aida. Radames bleibt am Ende der Oper allein im Grab, man weiß auch nicht, woran Aida genau stirbt. Sie entseelt sich in seinen Armen und Radames, den man auch als Künstlerselbstporträt Verdis deuten könnte, bleibt zurück mit seinem Weltschmerz und ist unfähig zur Veränderung.

AIDA entstand als große Repräsentationsoper, da ist kaum verwunderlich, dass Verdi nicht zur Revolution aufruft…
Ursprünglicher Anlass für den Kompositionsauftrag war die Eröffnung des Suezkanals. Eine derartige „Festoper“ feiert selbstverständlich das Bestehende. Zum Schluss feiert die Oper auch das Weinen über die traurigen persönlichen Zustände, ruft aber ganz bestimmt nicht zur Veränderung auf. Da muss man als Regisseur vorsichtig sein und die Figur des Radames auch als das nehmen, was sie ist. Nämlich eine narzisstisch verklärte, literarische Figur, die allerdings für etwas anderes steht. Wir haben Amneris, die für die Realpolitik steht, eine sehr handfeste und bis zum Schluss anwesende Figur, die eine praktische Alternative aufweist: Mit ihr könnte Radames ein Eigenheim bauen und dort als Ehepaar leben. Und dann gibt es Aida mit ihrer Todessehnsucht, die sozusagen in jeder Szene stirbt. Sie ist eine Projektionsfigur für Radames, aber auch für das Publikum. Die Exotin, die Fremde, die den Mann erlösen soll. Sie trägt den Schmerz der Opfer in sich. Mit ihr zusammen hofft Radames, die Welt erlösen zu können. Gemeinsam mit Amneris könnte ein König Radames tatsächlich etwas verändern. Mit Aida wäre er allenfalls Herrscher über ein Fantasie-Äthiopien, in dem die Wälder grün und die Täler kühl sind, wie es im Libretto heißt. Wir möchten zeigen, wie Radames zwischen diesen Möglichkeiten hin und her taumelt, ohne sich entscheiden zu können. Wenn Sie mich fragen, steht Amneris mit ihrer zupackenden Art für das richtige Prinzip. Den Sieg des passiven Weltschmerzes halte ich für ein höchst problematisches Ende dieser Oper.

Gerade die italienische Oper des 19. Jahrhunderts endet häufig in einer affirmativen Resignation. An den Umständen können wir sowieso nichts ändern, also richten wir uns tränenreich darin ein, denn früher war ohnehin alles besser. Was haben Sie gegen diesen Fluchtreflex?
Diese Opern führen vom Leben weg, sie führen vom Diesseits weg. Das darf Kunst nicht machen, sie muss zum Leben und zur Veränderung hinführen. Der Kontakt zu einer realen Figur, sozusagen einer echten Amneris, mit der sich konkrete Möglichkeiten ergeben, ist mehr wert als eine Mater-Dolorosa-Utopie, in der man es sich wunderbar bequem einrichten kann. Damit plädiere ich nicht für plumpes Agitprop-Theater, in dem ganz naiv zur revolutionären Tat aufgerufen wird. In Opern geht es sehr häufig um inszenierte Kontaktarmut. Der Urmythos der Oper ist die Geschichte von Orpheus. Er lässt seine Frau in der Hölle zurück und schreibt ein Gedicht drüber. Der Kontakt wird vermieden und in Kunst transzendiert. Auch das ist sehr ambivalent. Auch Orpheus ist keine durch und durch positive Figur. Mit Amneris würde für Radames nicht schlagartig alles einfach und gut. Sie ist eine karrierelüsterne Figur, sehr diesseitig, sehr verstehbar und ebenso angreifbar. Selbstverständlich gehört unsere Sympathie auch dem naiven Idealisten Radames. Die Figuren in AIDA sind vielfach zersplittert, auch weil Verdi kein Theoretiker und stringent denkender Dramaturg war. Darin liegt wiederum die Herausforderung für jeden Regisseur.

Das von Ihnen angestrebte Raumtheater mit seinen überraschenden Wirkungen kann ein großer Gewinn sein für eine Inszenierung, mitunter handeln Regisseur und Musiker sich dadurch aber vor allem große akustische Probleme ein. Deshalb sind gerade Opernsänger oft wenig begeistert, wenn sie den klassischen Bühnenraum verlassen sollen. Wie überzeugen Sie die Künstler, auf deren Wohlwollen Sie angewiesen sind?
Es ist ein langer Prozess. Das Schöne daran ist, dass der Dirigent von Anfang an dabei sein muss. Dann kommt man zwangsläufig zu dem Moment, an dem Dirigent und Regisseur gemeinsam Theater machen. Das ist im heutigen Opernbetrieb leider die Ausnahme, aber in meinen Arbeiten geht es gar nicht anders. Für eine gelungene Opernaufführung müssen sich aber alle gemeinsam auf die Suche nach dem richtigen Klang für das Werk machen. Das ist ein toller Prozess. Am Anfang gibt es häufig Widerstände, aber irgendwann kommt der Moment, an dem das alle spüren, und das hat dann eine große Kraft. Im Idealfall werden alle daran erinnert, was Oper leisten kann und warum wir das überhaupt machen. Es fegt die Routine weg, auch für das Publikum, das mit etwas Neuem konfrontiert wird. Dafür braucht man Kraft, Ruhe und Vertrauen. Meine Erfahrung mit Sängern ist in der Regel, dass sie sehr gut damit umgehen und klar kommen, weil sie einen ganz direkten Kontakt zum Publikum haben dürfen, den sie auch sehr genießen. Sie können feiner, leiser und mit anderen Farben arbeiten als sonst. Das ist einer der vielen Vorteile einer solchen Konstellation, dass die Musik nicht nur mit dem dicken Pinsel gemacht werden kann. Viele Sänger haben auch eine große Sehnsucht danach, wieder künstlerisch subtiler zu gestalten. Im Opernalltag hat man viel zu selten die Gelegenheit wirklich etwas auszuprobieren und nicht nur auf Kraftentfaltung zu setzen. In meinen Inszenierungen wird ein neuer Zugang zu sich selbst, zum eigenen Musizieren und dadurch auch zu den Partien gefordert. Das macht den Sängern in der Regel sehr viel Spaß. Dadurch dass sie beim Herstellen der Musik aus der Nähe zuschauen können, entsteht auch eine starke Bindung der Zuschauer an die Künstler. Die Sänger spüren wiederum, dass die Zuschauer auch ein großes Interesse daran haben zu erleben, was Operngesang ganz praktisch aus der Nähe bedeutet.

Für viele Zuschauer ist es auch sehr überraschend, wie laut ein Opernsänger sein kann, wenn man direkt daneben steht…
Na klar. Da entsteht eine ungeheure Energie, die durch die Entfernung über den Orchestergraben bereits stark gedämpft wird. Wenn der Lautstärkepegel höher ist, weil man direkt neben dem Sänger steht, entsteht auch im Körper des Zuhörers etwas Neues. In AIDA wird die Brutalität des Machtapparats physisch erfahrbar, wenn der Klang unmittelbar neben den Zuschauern erzeugt wird. Gerade bei politischen Opern wie dieser entsteht eine Dringlichkeit und Glaubwürdigkeit, die man sonst nur schwer erreichen kann.

Gerade die Kernwerke des großen Opernrepertoires werden häufig so inszeniert, dass auch reisende Gesangsstars sich problemlos zurechtfinden können. Das geht in Ihren Arbeiten nicht, stattdessen wächst das Risiko für ein Opernhaus: Wenn ein Darsteller erkrankt, muss die Aufführung ausfallen, weil so schnell kein Ersatz gefunden werden kann.
Ich arbeite sehr genau an den akustischen Details meiner Inszenierungen. Vieles davon kann man gar nicht aufschreiben, damit andere Sänger das in späteren Aufführungen übernehmen, wie das in gewöhnlichen Inszenierungen gemacht wird. Bei meinen Inszenierungen ist jede Umbesetzung ein Problem, auch ohne kurzfristige Störungen oder krankheitsbedingte Katastrophen. Es ist auch immer ein sehr enges Wechselspiel aus musikalischer und szenischer Gestaltung. Deshalb studiere ich die Wiederaufnahmen meistens selbst ein, weil ich das nicht meinen Assistenten überlassen möchte.

Sie gehen mit Opern anders um als das Publikum es gewohnt ist, zweifellos auch anders als die Komponisten sich das vorgestellt haben. Vielen Verfechtern „werkgetreuer“ Inszenierungen geht das zu weit. Welche Freiheiten darf ein Regisseur sich Ihrer Meinung nach gegenüber dem Werk, im Genre Oper also gegenüber der Partitur, herausnehmen?
Ich versuche immer, die zentrale Energie eines Werks zu erwischen. Das ist nicht unbedingt der zentrale Handlungsstrang. Das heißt auch nicht, dass ich ein Werk unbedingt in eine heutige Handlungslogik übersetzen will. Wenn ich glaube, diese zentrale Energie gefunden zu haben, dann suche ich nach einer Architektur für das Werk. Für AIDA heißt das, hier gibt es extreme Tableaus, hier gibt es Anklänge an die Grand opéra, hier gibt es Volksbewegungen, das alles sind Momente von extremer Härte. Eine zentrale Szene ist das Finale im Mausoleum, in dem Aida und Radames lebendig eingemauert wurden. Hier sehen wir die Hauptfigur in ihrer Unerlöstheit, er hält die tote Utopie in seinen Armen und ist eingeschlossen im Mausoleum seiner Kunst. Das kann man sehr gut auf Verdi beziehen, denn auch das Opernhaus ist ein Mausoleum. Jemand singt im Betonbau und beweint die Unmöglichkeit der politischen Veränderung. Verdi verhält sich da durchaus ambivalent. Er beklagt resignativ die Machtlosigkeit seiner Kunst, schreibt bei dieser Gelegenheit aber eine seiner erfolgreichsten Opern. Da kann man sich mit guten Gründen fragen, wie ernsthaft Verdi seine politischen Absichten verfolgt hat. Verdi hat übrigens auch sehr ernsthaft über sein Publikum nachgedacht und wie er es mit seiner Musik erreichen kann. Der Ausgangspunkt für meine Umsetzung ist dann immer die Partitur. Ich schaue ganz genau nach, wie sich die Konstellationen in den einzelnen Szenen ändern. Wann singt der Chor und in welcher Funktion? Geht es um akustische Effekte oder um eine konkrete Aussage? Das ganz Große und das ganz Intime steht sich in dieser Oper ebenso gegenüber wie das extrem Zarte und das extrem Laute. Die Solisten sind eingespannt in den Machtapparat, und das möchte ich zeigen. Wenn mir der Grundaufbau klar ist, arbeite ich an der praktischen Umsetzung für jeden einzelnen Moment der Oper. Das kann ein gutes Jahr dauern. Ich spreche mit dem Dirigenten, mit dem Intendanten, mit dem Chordirektor, mit den einzelnen Werkstätten. Auch hier geht es immer wieder um Details. Das ist sehr anstrengend, aber dadurch lernt man das ganze Haus kennen und kann es schaffen, dass alle hinter der Produktion stehen. Ich freue mich immer wahnsinnig, wenn dieser Moment bei der Arbeit erreicht wird, dass alle merken: Hier entsteht jetzt etwas ganz Besonderes, und wir sind alle Teil einer Idee!

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