Vorhang auf für einen anderen Richard Strauss

Tobias Kratzer inszeniert drei Opern von Richard Strauss, sie alle erzählen vom Stress moderner Beziehungen. Und sie erzählen von der wechselhaften Beziehung zwischen dem Komponisten und seinem Schicksalspartner, von Hofmannsthal.

Was verbindet ARABELLA, INTERMEZZO und DIE FRAU OHNE SCHATTEN, die Sie nun in einem kleinen Zyklus vereinen?
Die Opern erzählen von Gesellschaften, die sich verändern und was das für Identitäten, Rollen und Beziehungen bedeutet. Gleichzeitig lässt sich an ihnen auch die jeweilige Beziehung des kreativen Gespanns Strauss und Hofmannsthal ablesen. Die mittlere Periode im Schaffen von Richard Strauss, die 1919 mit der FRAU OHNE SCHATTEN begann, kennzeichnet eine leichte Entfremdung zu seinem Textdichter Hugo von Hofmannsthal. Dass Strauss sein Libretto zu INTERMEZZO einfach selbst schreibt, weil Hofmannsthal den Stoff für zu banal befindet, ist das deutlich sichtbarste Anzeichen. Aber auch innerhalb ihrer gemeinsamen Werke arbeiten sie immer mehr aneinander vorbei. Hofmannsthal ist dabei der vermeintlich modernere Part. Aber gerade in der Reibung seiner Libretti mit Strauss‘ Musik entstehen hochinteressante Werke.

Strauss‘ Ruf als Person ist mindestens zweifelhaft, die Fans sind seiner Musik trotzdem treu. Wie inszeniert man seine Werke heute?
Strauss‘ Biografie ist sicher gebrochen, als moralische Instanz kann er wegen seines Verhältnisses zum NS-Regime nicht bestehen. Es heißt über den Komponisten Strauss oft, dass er als Revolutionär begann und dann immer konservativer wurde. Ich sehe aber auch in späteren Werken eine schroffe, herausfordernde Struktur – unterhalb der vermeintlich klanglich reaktionären Komposition. Wir wollen das an den oft unterschätzten mittleren Stücke freilegen.

Die drei Opern stehen dem bürgerlichen Leben ungewöhnlich nah, es geht um Ehe und Beruf…
Auf den ersten Blick ja, aber für die ARABELLA würde ich das bestreiten. Die Geschichte sieht bürgerlich aus, trägt aber ganz märchenhafte Züge. Hofmannsthal starb während der Arbeit an ARABELLA, aber alles, was von ihm stammt, spiegelt Ambiguität und Widersprüche der Moderne wider. Die Rollenbilder des 19. Jahrhunderts werden kurz vor ihrem Verschwinden noch einmal gnadenlos ausgeleuchtet. 

Tobias Kratzer © Julian Baumann
 

Speziell die Ehe ist aber selten Thema in großen Opern. 
Meist ist sie der Einstieg ins Happy End. Strauss aber verarbeitet in INTERMEZZO seine eigene Ehe – das war eine Innovation. Die Oper schwankt zwischen Schnitzlerscher Traumnovelle und einem autofiktionalen Realitätsprotokoll.

DIE FRAU OHNE SCHATTEN hingegen idealisiert das klassische Mutterideal. Ist das nicht gestrig?Ich glaube, es gibt noch heute viele Frauen und Männer, die in der Elternschaft ihren Lebenszweck sehen. Und ich finde das weder verwerflich, noch muss man daraus eine Ideologie machen. Das Interessante an FRAU OHNE SCHATTEN ist für mich etwas anderes – nämlich die soziale Frage. Da wird ein armes Paar, die Färberin und der Färber, von einem reichen Paar ausgebeutet. Das kann man heute auf Leihmutterschaft beziehen, sogar auf Organhandel. Diese buchstäblich körperliche Verfügungsgewalt über untere Klassen bleibt leider ein aktuelles Thema.

Ist Strauss also doch progressiv und kritisch? 
Manchmal ist er heutig und modern wider Willen. Er hat ein faszinierendes, extrem empfindliches Sensorium für Dinge, die zerfallen und auseinanderzubrechen drohen.

Sie gelten als Regisseur, der Stoffe gegen den Strich interpretiert. Was haben wir diesmal zu erwarten?
Wenn ich an einem Stück arbeite, stecke ich irgendwann so tief in seiner Welt, dass ich es mir nur in genau dieser Deutung vorstellen kann. Ob eine Inszenierung dann als werktreu oder überraschend wahrgenommen wird, kann ich selbst meistens ab einem gewissen Punkt gar nicht mehr einschätzen.

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