Die Walküren - Deutsche Oper Berlin
Die Walküren
Sind Skandinavierinnen eigentlich die besseren Wagner-Sängerinnen? Nina Stemme und Lise Davidsen über die beeindruckende Kraft von Brünnhilde und Sieglinde
Die Walküre
Erster Tag des Bühnenfestspiels für drei Tage und einen Vorabend von Richard Wagner
Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Inszenierung: Stefan Herheim
Mit Brandon Jovanovich, Tobias Kehrer, Iain Paterson, Elisabeth Teige, Annika Schlicht, Nina Stemme u. a.
Ab 29. Oktober 2021
1 Nina Stemme, es gibt viele starke Frauen in der WALKÜRE. Was zeichnet weibliche Stärke heute aus?
Heute kann man sagen: Einfach eine Frau zu sein. Unterdrückt von niemandem und ohne sich vor irgendwem unwohl fühlen zu müssen. Das ist sicher noch nicht überall erreicht, aber wir Frauen haben heute ein klares Bewusstsein davon. Wir wollen sagen dürfen, was wir denken – oder fühlen, wie Brünnhilde es auch tut. Und das mit Erfolg. Immerhin verstrickt Wotan sich in der WALKÜRE in Widersprüche, findet nicht mehr heraus, und die Frauen müssen schließlich die Macht übernehmen.
2 Und wie begehrt man erfolgreich gegen einen dominanten Vater auf?
Durch Intelligenz und Emotionen. Sicherlich hatten Frauen zu Wagners Zeiten noch wenig Freiheiten. Daraus erklärt sich die Handlung der Oper auch. Warum etwa akzeptiert Brünnhilde überhaupt ihre Strafe? Sie musste sich den Regeln der Zeit beugen, es gab keine Möglichkeit, sich dem Willen der Eltern zu widersetzen. Sie kann aber auf die Art ihrer Bestrafung Einfluss nehmen. Das tut sie so klug, dass ihre Strafe zu einer Belohnung wird. So kämpft sie auch gegen die autoritäre Gesellschaft.
3 Sind Skandinavierinnen eigentlich die besseren Wagner-Sängerinnen?
Wir haben eine bedeutende Tradition im Wagner-Fach, angesichts der Größe unserer Länder ist das auffällig. Aber ich sehe eine historische Erklärung. Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen sehr gute Kapellmeister und Musiker*innen zu uns, bauten eine Szene auf. Außerdem sind wir Schweden nicht sehr neurotisch und arbeiten gern hart. Dann kommt nur noch die Magie des Bühnenmoments dazu. Und die kann niemand erklären.

1 Lise Davidsen, es gibt viele starke Frauen in der WALKÜRE. Was zeichnet weibliche Stärke heute aus?
Sie ordnet sich nicht unter. Heute leben wir zum Glück mit der Selbstverständlichkeit, dass Frauen stark sein dürfen. Vielleicht gab es Zeiten, in denen das noch nicht so klar war. Heute können wir voller Selbstbewusstsein sagen: Ich bin eine Frau, und ich bin stark, und deswegen kann ich solch einen Charakter verkörpern. Auf der Opernbühne ist das eigentlich sogar schon lange so, die Oper ist geradezu visionär, was das betrifft. Auch Leonore aus FIDELIO ist stark, und viele andere.
2 Und wie begehrt man erfolgreich gegen einen dominanten Vater auf?
Wotan ist nicht nur ein dominanter, sondern auch ein sehr schlechter Vater. Ich bin froh, dass mein eigener Vater nicht so ist. Ich musste also zum Glück nie in dieser Weise aufbegehren. Wotan sorgt sich überhaupt nicht um seine Töchter. Wenn man das mit heutigen Augen sieht, ist es erschütternd. Und umso verständlicher, dass diese Frauen ihren eigenen Weg suchen müssen. Das macht sie so modern.
3 Sind Skandinavierinnen eigentlich die besseren Wagner-Sängerinnen?
Nein. Ich hab schon Sängerinnen aller Nationalitäten in Wagner-Opern sehr gut singen gehört, darunter sehr viele deutsche. Aber es gibt dieses Klischee, ich weiß. Wagner hat ja unter anderem mythische Quellen aus meiner Heimat Norwegen verarbeitet, das gefällt mir. Dass es tatsächlich etliche Skandinavierinnen im Wagner-Fach gibt, halte ich für reinen Zufall. Allerdings freue ich mich sehr darauf, in dieser Oper nun mit Nina Stemme aufzutreten. Nicht weil sie Schwedin, sondern einfach, weil sie so eine großartige Sängerin ist.